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Nachdem eben erst die neuen .xxx Domains eingeführt wurden, wartet die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mit weiteren Neuerungen auf, indem sie ab Januar 2012 den Katalog der generischen top level domains (TLD) vollständig öffnet. Ab diesem Zeitpunkt kann somit jede erdenkliche Buchstabenkombination nach dem Punkt als TLD dienen, d.h. bspw. Hinweise auf Industriezweige (.sport) oder Produkte (.bier), Orte (.zuerich), Phantasiekreationen (.doremi), oder eben Marken (.nike, .migros). In dieser Änderung liegt ein eigentlicher Paradigmenwechsel, waren doch bisher die TLDs auf die relativ kleine Anzahl von 22 beschränkt und neue TLDs immer hart umkämpft (zuletzt eben die .xxx Domains).
Bei diesen neuen TLDs geht es nicht nur darum, einen eigenen Namen zu erhalten, sondern ein ganzes Register von Namen. So könnte etwa ein Sportartikelhersteller die TLD .board registrieren und dann darunter diverse Webseiten wie snow.board, skate.board und wake.board betreiben. Gleichzeitig kann auch Dritten eine Webseite mit dieser TLD verkauft werden, so dass der Büroartikelhersteller memory.board, der Bügelbretthersteller ironing.board und der Reiseanbieter go-on.board beim Inhaber der TLD .board reservieren könnte.
Mit dieser Öffnung entfällt auch die Pflicht zur Verwendung des lateinischen Alphabets. Künftig können Domain Namen in kyrillischer, chinesischer oder arabischer Schrift registriert werden, womit den spezifischen kulturellen, linguistischen und ethnischen Interessen besser Rechnung getragen werden kann.
Ein Antrag für eine neue TLD muss bis zum 12. April 2012 bei ICANN gestellt werden (Beginn der Antragsphase ist der 12.1.2012). Die Anforderungen an einen Antrag sind im fast 400-seitigen gTLD Applicant Guidebook von ICANN aufgeführt. Der Anmeldungsbogen umfasst mehr als 100 Seiten und nebst zahlreichen Informationen aus dem technischen Bereich müssen diverse finanzielle Nachweise erbracht werden. Die Anmeldeformalitäten sind derart komplex, dass jedenfalls empfohlen wird, die Anmeldung nicht selber vorzunehmen, sondern sich beraten zu lassen. Hält ein Antrag den formellen Anforderungen stand und ist die Antragsgebührt von USD 185’000 bezahlt beginnt ein ca. 12-monatiger Bewerbungs- und Prüfprozess. Es ist also frühestens Mitte 2013 überhaupt mit dem Betrieb von neuen Domains zu rechnen.
Es ist zwar vorgesehen, dass zu einem späteren Zeitpunkt weitere Anmelderunden stattfinden sollen. Allerdings ist noch nicht bekannt, wann diese zusätzlichen Anmeldefenster geöffnet werden. Da bereits in dieser ersten Phase mit einer grossen Zahl von Anmeldungen gerechnet wird, ist nicht davon auszugehen, dass eine zweite Anmeldephase in naher Zukunft eröffnet wird. Wer eine TLD registrieren will, ist deshalb gut beraten, dies im Rahmen dieser ersten Phase zu tun. Vorzeitige Registrierungen oder Reservationen sind nicht möglich, auch wenn es zahlreiche Anbieter gibt, die gerade diese Möglichkeit suggerieren und auch unzählige Gruppen und Unternehmen bereits an Anträgen für neue Domains arbeiten.
Im Rahmen des Bewerbungsprozesses interessant sind vor allem die möglichen Einsprüche Dritter, sowie die Problematik gleichlautender Gesuche. Parallel zur inhaltlichen Prüfungsphase können Dritte (unabhängig davon, ob staatliche oder nichtstaatliche Organisationen, natürliche oder juristische Personen) ihre Bedenken gegen Domainnamen anmelden und formalen Einspruch einlegen. Im Falle eines Einspruchs wird ein Streitschlichtungsverfahren durchgeführt. Bewerben sich zwei oder mehrere qualifizierte Bewerber um dieselbe TLD, findet ein Einigungsverfahren statt. Führt dieses zu keinem Ergebnis, wird die TLD in einer Auktion versteigert. Solche Konflikte sind etwa bei .cola oder .zuerich denkbar.
Markeninhaber müssen sich im Zusammenhang mit der Öffnung des TLD-Katalogs zum einen überlegen, ob sie ihre Marke(n) als TLD registrieren wollen und zum anderen darüber nachdenken, wie sie ihre Marken gegen neue TLDs verteidigen, welche ihre Marke(n) verletzen.
Ob ein Markeninhaber seine Marke als TLD registrieren soll, hängt von diversen Überlegungen ab. Zunächst sind natürlich die Kosten von ca. CHF 2’000’000, die für die ersten beiden Jahre budgetiert werden müssen (unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Einsprachen Dritter, Schlichtungs- und Auktionsverfahren, sowie der ausführlichen Prüfung), erheblich. Gleichzeitig besteht für die neuen TLDs auch ein Benutzungszwang, so dass eine defensive Vorratsregistrierung auch bei Vorhandensein des entsprechenden Budgets nicht angezeigt ist. Zusätzlich sind auch die Anforderungen an die technische Infrastruktur hoch. Alles in allem rechnet sich die Registrierung der eigenen Marke als TLD wohl nur für grosse Unternehmen. Interessant dürften die TLDs insbesondere für Unternehmen sein, deren Produkte oft gefälscht werden, da auf diese Weise schneller ersichtlich wird, ob ein Vertriebshändler dem eigentlichen Netzwerk angehört oder nicht. Dies gilt auch für Unternehmen, die über sehr viele Vertragshändler verfügen (z.B. .canon). Die Registrierung von generischen Begriffen, wird auch für Vereinigungen von Unternehmen oder Organisationen interessant sein (z.B. .law für Anwaltsverbände), weil dann auf der Basis dieser neuen TLD second level domains vergeben werden können (z.B. im Falle der TLD .basel art.basel, uni.basel, flughafen.basel, etc.). Jedenfalls werden viele Anträge von Institutionen und Städten erwartet.
Markeninhaber, die sich gegen die Registrierung ihrer Marke als TLD entscheiden, können die Thematik jedoch auch nicht vollständig ad acta legen. Vielmehr müssen diese Rechteinhaber sich eine Strategie zurecht legen, wenn ein Dritter sich ihrer Marke aneignet, oder sie durch eine gezielte Registrierung von branchenüblichen Bezeichnungen in die Ecke treibt. ICANN hat als Abwehrmittel insbesondere die Einsprachemöglichkeit im Rahmen des Prüfverfahrens vorgesehen. Allerdings setzt dies voraus, dass man überhaupt von der Existenz eines TLD-Antrags erfährt. Markeninhaber raten wir deshalb, in der Anmeldephase die Webseite der ICANN regelmässig zu besuchen, um allfälligen Anmeldungen ihrer Marke als TLD rechtzeitig entgegenwirken zu können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die eigene Marke im sogenannten Trademark Clearinghouse zu registrieren. Dies bewirkt, dass der Markeninhaber innerhalb von 60 Tagen über die Anmeldung einer mit der registrierten Marke identischen TLD informiert wird und dann die entsprechenden Schritte unternehmen kann. Für Fälle von eindeutigen Markenverletzungen steht das schnelle und mit USD 300 Gebühr kostengünstige Uniform Rapid Suspension Verfahren (URSV) zur Verfügung, dass dem sonst im Rahmen von Domain Name Streitigkeiten üblichen Alternative Dispute Resolution Verfahren entspricht, jedoch wesentlich schneller und günstiger sein soll. Ein erfolgreiches URSV resultiert allerdings nicht in der Übertragung der TLD auf den Rechteinhaber, sondern in deren Blockierung.