5 Fragen und Antworten aus dem Arbeitsrecht (COVID-19 Verordnung 3 und COVID-19 Verordnung besondere Lage)


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Im Rahmen der Massnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus stellen sich Fragen zu den arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten. Die COVID-19 Verordnung 2 sah eine explizite Pflicht gegenüber besonders gefährdeten Personen vor. Diese Verordnung wurde jedoch am 19. Juni 2020 mit Beschluss des Bundesrates aufgeteilt und durch die COVID-19 Verordnung 3 und die COVID-19 Verordnung besondere Lage ersetzt. Im Bereich des Arbeitsrechts sind diese vor allem in Bezug auf die Einschränkungen beim Grenzübertritt, der Zulassung von ausländischen Arbeitnehmern, sowie den Schutzpflichten gegenüber Arbeitnehmern relevant. Ebenfalls zu beachten ist in diesem Zusammenhang die am 6. Juli 2020 in Kraft getretene COVID-19-Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs, welche insbesondere die Quarantänepflicht bei der Rückkehr aus einem Risikoland regelt.

Dieser Beitrag ist auch in Französisch verfügbar.

Im Folgenden beantworten wir fünf praktische Fragen im Zusammenhang mit diesen Verordnungen.

1. Quarantäne nach Rückkehr aus Risikoland: Muss die Arbeitgeberin die Löhne weiterhin bezahlen, wenn sich ein Arbeitnehmer nach einem Aufenthalt in einem Risikoland in Quarantäne befindet?

Die Quarantänepflicht ergibt sich aus Art. 2 der COVID-19 Verordnung Massnahmen im Bereich des internationalen Personenverkehrs, in Verbindung mit dem jeweils angepassten Anhang der Liste der Risikoländer. In Anbetracht der steigenden Fallzahlen in der Schweiz wurde diese Liste über die letzten Wochen stark reduziert, jedoch kann sich dies abhängig von der Entwicklung der aktuellen Situation jederzeit wieder ändern. Sofern die Arbeitsleistung während der Quarantänedauer nicht im Homeoffice erbracht werden kann, stellt sich die Frage, ob die Quarantänemassnahme unverschuldet erfolgt und dem Arbeitnehmer nicht zuzurechnen ist, sodass die Arbeitgeberin in der Folge zur Lohnfortzahlung verpflichtet wäre (Art. 324a Abs. 1 OR).

Die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin bedingt grundsätzlich, dass der Grund für die Verhinderung der Arbeitsleistung in einem subjektiven Hindernis liegt. Hingegen ist beim Vorliegen von objektiven Hindernissen, welche einen grösseren Personenkreis treffen, das Lohnrisiko durch den Arbeitnehmer zu tragen. Im Zusammenhang mit privaten Reisen sind die Risiken und Folgen ebenfalls grundsätzlich vom Arbeitnehmer selbst zu tragen und lediglich besondere Umstände können im Einzelfall eine Lohnfortzahlungspflicht begründen. Die Beurteilung dieses Kriteriums ist im Zusammenhang mit der Quarantänepflicht infolge Rückkehr aus einem Risikoland bislang umstritten. Die Arbeitgeberin kann sich für diesen Fall mit einer ausdrücklichen, vorgängigen Mitteilung an die Arbeitnehmer von der Lohnfortzahlungspflicht entbinden (siehe Frage 2). Sofern der Arbeitnehmer jedoch während der Quarantänezeit zusätzliche Ferientage bezieht oder Überstunden abbaut, ist diese Zeit wie üblich zu entschädigen.

Weiter gilt es zu beachten, dass eine Lohnfortzahlungspflicht besteht, wenn der Arbeitnehmer während der Quarantäne erkrankt. Dies bedingt jedoch, dass dem Arbeitnehmer kein Verschulden an der Arbeitsverhinderung zugerechnet werden kann. Die bewusste Reise in ein Risikoland lässt im Grundsatz ein Verschulden vermuten, da die Ansteckungsgefahr für COVID-19 deutlich erhöht ist. Die Lohnfortzahlungspflicht der Arbeitgeberin gilt es hierbei aber im Einzelfall, unter Berücksichtigung der konkreten Umstände, zu beurteilen.

Der Vollständigkeit halber gilt es zudem zu erwähnen, dass gemäss Art. 2 Abs. 2bis der COVID-19 Verordnung Erwerbsausfall bei angeordneter Quarantäne infolge Rückkehr aus einem Risikoland nach dem 6. Juli 2020 kein Anspruch auf Corona Erwerbsersatz besteht. Für bereits vor diesem Datum von der Quarantänepflicht betroffene Arbeitnehmer muss der Anspruch auf Erwerbsersatz im Einzelfall näher geprüft werden.

2. Private Auslandsreisen: Kann die Arbeitgeberin Ferien in Risikoländern verbieten?

Die Arbeitgeberin ist befugt, den Arbeitnehmern Verhaltensanweisungen zu geben, allerdings nur für die Dauer der Arbeitszeit. Das Weisungsrecht erstreckt sich nicht auf die Freizeit, sodass private Ferienreisen in Risikogebiete im Grundsatz nicht verboten werden können. Der Arbeitnehmer hat jedoch aufgrund seiner Treuepflicht seine Arbeitsfähigkeit im verhältnismässigen Umfang zu erhalten und damit auch seine Gesundheit zu bewahren. Daneben ist auch die Arbeitgeberin aufgrund der Fürsorgepflicht dazu veranlasst, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen.

Eine Möglichkeit um allfällige Reisen zu verhindern oder zumindest die finanziellen Konsequenzen für das Unternehmen zu reduzieren, ist die Folgende: Die Arbeitgeberin kann die Arbeitnehmer über die drohenden Massnahmen bei der Rückkehr aus einem Risikoland informieren und von Reisen in solche Risikogebiete dringend abraten. Für den Fall, dass jemand in ein solches Land reist, ist nach der Rückkehr eine Quarantäne von 10 Tagen zwingend, während welcher das Unternehmen den Lohn nicht zahlt. Damit kann die Arbeitgeberin das Risiko einer Lohnfortzahlungspflicht reduzieren.

Wenn sich der betroffene Arbeitnehmer einer Weisung widersetzt, kann die Arbeitgeberin einen Verweis oder eine Verwarnung aussprechen. Ausserdem wird der Arbeitnehmer schadenersatzpflichtig, wenn der Arbeitgeberin wegen der Pflichtverletzung ein Schaden entsteht.

3. Anordnung von Homeoffice: Kann der Arbeitnehmer eine Entschädigung für die Homeoffice Auslagen geltend machen?

Der kürzlich in den Medien diskutierte Bundesgerichtsentscheid (4A_533/2018) zum Thema Auslagenersatz im Homeoffice gibt Anlass, diese Thematik unter den gegenwärtigen Umständen erneut zu analysieren. Bei Homeoffice in Zeiten der COVID-19 Krise schicken viele Arbeitgeberinnen ihre Arbeitnehmer gestützt auf behördliche Empfehlungen bzw. Anordnungen temporär ins Homeoffice, obwohl am Arbeitsort gleichzeitig ein vollständig ausgerüsteter Arbeitsplatz zur Verfügung stehen würde. Pauschal ist es daher schwierig zu beurteilen, ob die Arbeitgeberin zur Bereitstellung der Homeoffice-Arbeitsmittel und zur vollständigen Übernahme der Auslagen während COVID-19 verpflichtet werden kann. Zu berücksichtigen sind bei den indirekten Kosten u.a. die tatsächliche Dauer des Homeoffice, die Einsparungen, von denen die Arbeitgeberin durch das Homeoffice profitiert, und die konkreten Einrichtungs- sowie Lebensverhältnisse des Arbeitnehmers.

In Bezug auf zeitlich befristete Homeoffice-Anordnungen infolge der behördlichen Empfehlungen in Zeiten von COVID-19 rechtfertigt sich unserer Ansicht nach ein Kostenersatz nicht. Sobald hingegen die Arbeitgeberin keinen Arbeitsplatz mehr zur Verfügung stellt, besteht ein Anspruch auf Kostenersatz. Dies wird sich vor allem nach der COVID-19 Krise zeigen, falls Homeoffice weitergeführt wird und die Arbeitgeberin gleichzeitig die Bürofläche reduziert.

Für arbeitsnotwendige Zusatzauslagen (d.h. direkte Kosten), wie z.B. die Miete eines Zusatzzimmers oder ein Bildschirm, kann im Einzelfall ein Anspruch gegen die Arbeitgeberin im Rahmen von Art. 327 OR bestehen, sofern für Arbeitsgeräte und Material keine andere Abrede oder Praxis besteht. Die Arbeitgeberin könnte bezüglich der Auslagen jedoch Weisungen erteilen, bspw. betreffend ein bestimmtes Bildschirmmodell.

Unabhängig davon, ob es sich nur um eine zeitlich befristete Anordnung oder eine dauernde Regelung von Homeoffice handelt, empfiehlt es sich in jedem Fall die Einzelheiten, wie bspw. den Ersatz von Zusatzauslagen, das Bereitstellen von Arbeitsmaterial oder auch die Einhaltung der Arbeitszeit, schriftlich festzuhalten.

4. Maskenpflicht: Ist die Arbeitgeberin verpflichtet, am Arbeitsplatz eine Maskenpflicht einzuführen?

Der Bundesrat hat mit den neuen Anpassungen, welche seit dem 29. Oktober 2020 in Kraft sind, eine Maskenpflicht in Innenräumen zum Schutz der Arbeitnehmer angeordnet (Art. 10 Abs. 1bis COVID-19 VO besondere Lage).

Während der Arbeit ist somit in allen Innenräumen eine Maske zu tragen. Diese Pflicht gilt mit der Ausnahme von Bereichen, in denen der Abstand zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen eingehalten werden kann, namentlich in abgetrennten Räumen oder bei sehr grossen Raumverhältnissen, welche einen grossen Abstand zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen ermöglichen, bspw. in einer Werkhalle.

5. Besonders gefährdete Personen und Homeoffice: Welche Pflichten hat die Arbeitgeberin?

Mit der COVID-19 Verordnung 3 bzw. der COVID-19 Verordnung besondere Lage wurde die Regelung betreffend der Risikogruppen am 22. Juni 2020 aufgehoben. Die ausdrücklichen Pflichten der Arbeitgeberin zum Schutz besonders gefährdeter Personen gibt es somit nicht mehr, allerdings hat sie weiterhin die allgemeine Fürsorgepflicht zu beachten.

Die dementsprechend allgemeine Regelung findet sich in Art. 10 COVID-19 VO besondere Lage, wonach die Arbeitgeberin sicherstellen muss, dass die Arbeitnehmer die Empfehlungen des BAG bezüglich Hygiene und Abstand einhalten können, sowie dazu entsprechende Massnahme vorsehen und umsetzen (vgl. Art.10 Abs. 1 COVID-19 VO besondere Lage). Neben der Maskenpflicht in Innenräumen (siehe Frage 4), hat die Arbeitgeberin weitere Massnahmen gemäss dem STOP-Prinzip zu treffen, namentlich die Aufteilung von Arbeitsteams, physische Trennung oder eine Maskenpflicht in Aussenbereichen (vgl. Art.10 Abs. 2 COVID-19 VO besondere Lage). Die Einhaltung dieser Regelungen kann jederzeit durch unangemeldete Kontrollen durch die zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden (Arbeitsinspektorat) überprüft werden (vgl. Art. 11 COVID-19 VO besondere Lage).

Mit den verschärften Massnahmen des Bundesrates ab 19. Oktober 2020 wird die Arbeitgeberin ausdrücklich verpflichtet, die Homeoffice-Empfehlungen zu beachten, allerdings besteht weiterhin keine effektive Pflicht zur Anordnung von Homeoffice (Art. 10 Abs. 3 COVID-19 VO besondere Lage). Diese Bestimmung ist mehr als Hinweis an die Arbeitgeberin zu verstehen, den Arbeitnehmern, soweit als möglich, das Arbeiten von zu Hause aus zu ermöglichen.


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