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Der Bundesrat hat kürzlich entschieden, dass die Schweiz vorläufig zuwartet mit der Unterzeichnung des umstrittenen ACTA-Abkommens. Dieser Schritt erfolgt unter anderem als Folge der Massenproteste in verschiedenen EU-Ländern, die teilweise dazu führten, dass die ACTA-Unterzeichnung aufgeschoben wurde. Schliesslich will der Bundesrat auch ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten. Die Europäische Kommission hatte diesem das Abkommen Mitte Mai zur Überprüfung auf die Vereinbarkeit mit dem europäischen Primärrecht, insbesondere der Europäischen Grundrechtscharta, vorgelegt.
Das ACTA-Abkommen
Ziel des ACTA-Abkommens (Anti Counterfeiting Trade Agreement) ist es, die Bekämpfung von gross angelegter und kommerziell orientierter Fälschung und Piraterie auf internationaler Ebene zu vertiefen. Das Abkommen befasst sich hauptsächlich mit Piraterie und Urheberrecht. Im Abkommen sind beispielsweise Massnahmen vorgesehen, die spezifisch auf die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im digitalen Umfeld abzielen (vgl dazu BR-News vom 4.11.2010).
Vertragsstaaten sind unter anderem die EU, die Schweiz und die USA. Unterzeichnet haben es bisher neben Australien, Kanada, Japan, Südkorea, Singapur, Marokko, Neuseeland und den USA auch die EU sowie 22 ihrer Mitgliedstaaten (vgl. Pressemitteilung vom 26. Januar 2012).
Die Kritik
Seit dem Abschluss der Verhandlungen wurden Bedenken laut, das Abkommen schränke grundlegende Rechte wie die Meinungsäusserungsfreiheit, die Informationsfreiheit und den Datenschutz ein. Die Kritiker befürchten namentlich eine Überwachung und Zensur des Internets. Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte äusserte sich kritisch zum ACTA-Abkommen.
Als Folge von europaweiten Protesten, die in einzelnen EU-Ländern zur Aufschiebung der Unterzeichnung führten, wurden auch in der Schweiz Stimmen laut, welche sich gegen eine Unterzeichnung aussprachen (vgl. z.B. die Stellungnahme von economiesuisse).
Schweiz wartet ab
Am 9. Mai 2012 hat der Bundesrat mitgeteilt, dass die Schweiz vorerst auf eine Unterzeichnung des Abkommens verzichte. Die Schweiz hat als Verhandlungspartei grundsätzlich bis am 1. Mai 2013 Zeit, das Abkommen zu unterzeichnen. Die anschliessende Ratifizierung durch das Parlament hingegen ist nicht fristgebunden. Unterzeichnet die Schweiz das Abkommen bis zum genannten Zeitpunkt nicht, müsste sie mit den ACTA-Mitgliedern neu verhandeln.
Der Bundesrat will mit der Unterzeichnung abwarten, bis neue Entscheidungsgrundlagen vorliegen. Er erwähnt in seiner Pressemitteilung namentlich die Entscheidungen in denjenigen fünf EU-Ländern, welche die Unterzeichnung der ACTA aufgeschoben haben (Deutschland, Estland, die Niederlande, die Slowakei und Zypern). Die EU kann das Abkommen nur dann ratifizieren, wenn der Ministerrat, das Europäische Parlament sowie sämtliche 27 Mitgliedstaaten zustimmen.
Verfahren vor dem EuGH
Darüber hinaus will der Bundesrat ein Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten. Die Europäische Kommission hatte diesem das Abkommen Mitte Mai vorgelegt (vgl. Pressemitteilung vom 11. Mai 2012). Der EuGH soll prüfen, ob ACTA mit dem europäischen Recht, insbesondere der Europäischen Grundrechtecharta, vereinbar ist. Das Verfahren kann hier rund ein bis eineinhalb Jahre dauern. Wann und ob die Schweiz das Abkommen unterzeichnen wird, ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des Bundesrats vom 9. Mai 2012
- Stellungnahme des Bundesrats vom 9. Mai 2012
- BR-News: „Piraterie: Letzter Entwurf des ACTA-Abkommens veröffentlicht“
- BR-News: „Raubkopierer – Veröffentlichung des Entwurfs des geplanten ACTA-Abkommens“
- Text des ACTA-Abkommens (englisch)
- FAQ zum ACTA-Abkommen (Website des Instituts für Geistiges Eigentum)
- Pressemitteilung des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 24. April 2012
- Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 24. April 2012 (englisch)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann