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Adblocking und Whitelisting: Trendwende in der deutschen Rechtsprechung?


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Die beliebten Ad-Blocker sind Werbetreibenden schon seit Längerem ein Dorn im Auge. Bisher scheiterte allerdings die Mehrheit der gegen die Werbeblocker geführten Klagen vor deutschen Gerichten. Zuletzt verzeichnete jedoch der Axel Springer Verlag, der mit einer regelrechten Klagewelle gegen die Ad-Blocker vorgegangen war, in mehreren Verfahren erste Erfolge. Dennoch kann zum jetzigen Zeitpunkt bloss spekuliert werden, ob sich das mehrspurige Vorgehen des Verlags am Ende auch auszahlen wird. Klarheit in der Sache erhofft man sich von einer Verfahrensserie des Springer Verlags gegen den Werbeblocker-Marktführer Eyeo, in welchem die generelle Zulässigkeit von Ad-Blockern zur Debatte steht.

Ausgangslage

Mit personalisierter Online-Werbung werden beachtliche wirtschaftliche Erfolge erzielt. Ausserdem dienen die Werbeeinnahmen zur Finanzierung eines vielfältigen Angebots an Gratisinhalten. Weniger erfreut über die Werbeflut im Netz zeigen sich oftmals die Konsumenten, wenngleich Werbung, Banners und Pop-Ups gewissermassen einen selbstverständlichen Bestandteil des Internet darstellen. Dass die Werbeinhalte für Websitebetreiber oftmals auch eine wichtige Quelle zur Finanzierung von Online-Content darstellen, der andernfalls kostenpflichtig wäre, wird von den genervten Usern oftmals ausgeblendet. Sie behelfen sich mit sogenannten “Ad-Blocker”, einer Software, die sich wie ein Filter zwischen den Inhalt einer Webseite und die angezeigte Werbung schiebt und unerwünschte Anzeigen – auf Initiative des Users und je nach gewünschtem Durchlässigkeitsgrad – unterbindet. Der Vertrieb, der Einsatz und auch die Möglichkeiten der Content-Anbieter und Werbetreibenden zur Bekämpfung dieser Software-Tools werfen rechtliche Fragen auf, die sehr umstritten sind.

Rechtsprechung des BGH

Betroffene Werbetreibende hatten derartige Filter und Ad-Blocking-Maßnahmen sehr früh angegriffen und rechtliche Schritte eingeleitet. Bereits 2004 gelangte der private TV-Sender RTL mit einer Klage gegen einen Hersteller von Ad-Blockern an den Bundesgerichtshof (BGH), der die Klage abwies (BGH vom 24.06.2004, Az. I ZR 26/02, GRUR 2004, 877 – Werbeblocker). Der BGH befand im Wesentlichen, dass kein wettbewerbswidriges Verhalten in Form einer unzulässigen Marktbehinderung vorläge, da der Hersteller lediglich eine technische Hilfestellung und ein Kontrollinstrument zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe der User eigenständig entscheiden kann, ob und welche Werbeelemente angezeigt oder ausgeblendet werden sollen. Basierend auf dieser Rechtsprechung zu Werbeblockern sieht die deutsche Lehre im Angebot und Vertrieb von Ad-Blocker an sich keine wettbewerbsrechtliche Behinderung, da die Ausschaltung fremder Werbung durch Ad-Blocker auf der freien Entscheidung desjenigen beruht, an den sich die Werbung richtet. Die bisher von den Verlagen geführten Klagen wurden vor Gericht dementsprechend mehrheitlich abgewiesen (so scheiterte beispielsweise Zeit.de im April 2015 gegen AdBlock Plus vor dem LG Hamburg, RTL und ProSiebenSat.1 im Mai 2015 vor dem LG München).

Erste juristische Erfolge im Kampf gegen Ad-Blocker

Zuletzt verzeichnete jedoch der Axel Springer Verlag gleich in mehreren Verfahren erste Erfolge. So beispielsweise am 22. Oktober 2015 vor dem Landgericht Hamburg gegen die Eyeo GmbH, welche mit Adblock Plus den Marktführer unter den Werbeblockern anbietet. Im Vorfeld hatte der Springer Verlag auf Bild.de eine Zugangssperre für Benutzer von Werbeblockern eingerichtet. Daraufhin stellte Eyeo wiederum Programmcodes zur Verfügung, mit denen sich die technische Sperre aushebeln liess. Dagegen ist Springer rechtlich vorgegangen und hat eine Einstweilige Verfügung erstritten. Diese untersagt Eyeo die Verbreitung der besagten Programmcodes im eigenen Internetforum sowie die Verbreitung von entsprechenden Filterlisten für Adblock Plus, welche zur Umgehung der Sperre dienten. Das Gericht begründet das Urteil damit, dass die Werbeblocker-Sperre als „Softwareverschlüsselung“ und somit als technische Schutzmaßnahme i.S.v.§ 95a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) zu betrachten sei. Dadurch wird die Sperre einem Kopierschutz gleichgestellt, der nach deutschem Recht nicht umgangen werden darf.

Axel Springer geht doppelspurig gegen Betreiber von Ad-Blockern vor

Während im dargestellten Verfahre „bloss“ die Umgehung der Ad-Blocker-Sperre auf Bild.de behandelt wurde, blieb die Frage der generellen Zulässigkeit von Ad-Blockern hier aussen vor. Der Axel Springer Verlag geht allerdings mehrgleisig gegen die Werbeblocker vor. Namentlich für das Internetportal der WELT versuchen die Anwälte des Verlags ein generelles Verbot von Ad-Blockern herbeizuführen und machen dafür eine wettbewerbliche Behinderung geltend.

So wurde dem Anbieter der App „AdShield“ am 6. November 2015 vom Landgericht Frankfurt per einstweilige Verfügung verboten, auf den von WELT betriebenen Internetseiten Werbung zu unterdrücken. Das Verfahren wurde aufgrund der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Anbieter darf die App seither weder anbieten noch vertreiben lassen, auch das Bewerben und die Pflege der App ist ihm untersagt. In der Folge wurde die Anwendung aus dem App Store entfernt.

Landgericht Frankfurt: Unterdrücken von Werbung stellt gezielte Behinderung dar

Ebenfalls am Landgericht Frankfurt und erneut mit einer einstweiligen Verfügung war Springer gegen den Betreiber des beliebten Ad-Blockers „AdBlock“ erfolgreich. Auch diesem untersagten die Richter das Blockieren von Werbeinhalten auf welt.de. Durch die Wirkungsweise des Ad-Blockers werde verhindert, dass sich die User an der für den Betreiber notwendigen Werbefinanzierung des Seiteninhalts beteiligen, obwohl sie diesen konsumieren würden. Die Vergütung für Online-Werbung erfolge eben nur, wenn diese für die User auch tatsächlich sichtbar ist und angeklickt wird. In der Verhinderung der Darstellung der Werbung durch die Software AdBlock erblickten die Frankfurter Richter eine gezielte Behinderung nach § 4 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die auf einer Internetseite enthaltene Werbung bilde nämlich dem Gericht zufolge, zusammen mit einem redaktionellen Teil, ein Gesamtprodukt. Das Unterdrücken dieser Werbeinhalte diene gemäss dem Urteil lediglich der Benachteiligung des Wettbewerbers um des eigenen Vorteils willen. Im konkreten Fall bestehe Letzterer in der Förderung des eigenen Angebots, also einer kostenpflichtigen Aufnahme in die Whitelist des Ad-Blockers.

Landgericht Berlin: Ad-Blocker gefährden Internetangebot

Auch vor dem Landgericht Berlin konnte der Springer Verlag am 8. Dezember 2015 einen Erfolg verzeichnen. Wiederum mittels einstweiliger Verfügung wurde dem Betreiber der App „AdBlocker Browser“ das Unterdrücken von Werbung untersagt. Das Gericht begründete den Entscheid unter anderem mit der Gefährdung eines langfristig bestehenden Angebots von Internetmedien, sollte eine ausreichende Refinanzierung ausbleiben.

Landgericht Stuttgart widerspricht: Werbetreibende nicht wettbewerbsrechtlich geschützt

Dass diese Rechtsauffassung die bisherige Rechtsprechung (noch) nicht vollends verdrängt hat, beweist ein Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Dezember 2015. Dort scheiterte Springer mit seiner Klage gegen die Anbieter des Werbeblockers „Blockr“ und dem Standpunkt, dass Blockr unmittelbar in das Angebot von Welt.de eingreife. So entschieden die Richter, dass schlussendlich die User und nicht die Anbieter eines Ad-Blockers über dessen Einsatz entscheiden würden. Ein vom User installierter Ad-blocker gelte demnach nicht als unlautere gezielte Behinderung nach § 4 UWG und Welt.de sei dementsprechend auch nicht gezielt behindert worden. Dass den Websitebetreibern wichtige Werbeeinnahmen entgehen, bestritten die Richter nicht, doch gelte hier die Wettbewerbsfreiheit und demzufolge sei auch kein bestimmtes Geschäftsmodell als solches wettbewerbsrechtlich geschützt.

Grundsatzverfahren dauert an

Die jüngsten juristischen Erfolge geben dem Axel Springer Verlag dennoch wieder neuen Aufwind. Ob das Vorgehen des Konzerns, an mehreren Orten (durch das Ausnutzen der Möglichkeiten des sogenannten fliegenden Gerichtstandes) juristische Nadelstiche zu setzen, allerdings am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, ist dennoch völlig offen. Denn die aufgeführten Verfahren werden eher als Nebenschauplätze zu qualifizieren sein in der Grundsatzfrage der Zulässigkeit von Ad-Blockern. Die diesbezüglich wohl entscheidende Verfahrensserie bestreitet Axel Springer gegen Eyeo, das Verfahren ist am 29. September 2015 in die dritte Runde gegangen. Das Landgericht Köln hat – wie zuvor bereits die Gerichte in Hamburg und München (siehe oben) – die Klage abgewiesen. Verfahrensgegenstand ist das Geschäftsmodell von Eyeo, der Springer Verlag strebt ein Betriebsverbot für Adblock Plus an. Das Berliner Verlagshaus argumentiert dabei insbesondere, Eyeo habe eine „marktbeherrschende Stellung“ inne und nutze diese, um mit Hilfe seines Whitelisting-Systems Geld zu erwirtschaften.

Das Whitelisting-System von Adblock Plus

Hintergrund dieser Argumentation: Adblock Plus schafft für Unternehmen die Möglichkeit, dass ihre Werbung in die entsprechende Ausnahmeliste (Whitelisting) aufgenommen wird, zumindest sofern die Adblock Plus-Standards eingehalten werden. Kleine Unternehmen werden dabei kostenlos in diese Whitelist aufgenommen, während die Freischaltung der Werbung für Big-Players wie beispielsweise Google, Amazon und auch Microsoft, kostenpflichtig ist. In diesem Kontext wird Eyeo mit dem Vorwurf konfrontiert, Werbung einiger Unternehmen privilegiert behandelt zu haben, worin die Adblock Plus-Gegner einen wettbewerbswidrigen Verstoss gegen das Kartellrecht begründet sehen.

Urteil des BGH erwartet

Mit dem Urteil des Kölner Landgerichts ist in dieser Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen worden. Der Springer Verlag hat nämlich analog der anderen klagenden Medienhäuser umgehend nach der Urteilsverkündung angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird sich also auch der BGH in angemessener Zeit mit den Online-Werbeblockern befassen und ein bereits heute mit Spannung erwartetes Grundsatzurteil fällen müssen. Bis dahin ist es wohl noch zu früh, von einer effektiven Trendwende in der Rechtsprechung zu sprechen.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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