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Der deutsche Bundesgerichtshof hat die Prüfpflichten für Betreiber von Ärztebewertungsportalen verschärft: Diese müssen künftig untersuchen, ob ein fraglicher Arztbesuch überhaupt stattgefunden hat und entsprechende Belege einfordern. Die Grenze der Prüfpflicht bildet dabei die wirtschaftliche Existenz der Portale. Ob auch andere Arten von Bewertungsportalen vom Urteil betroffen sind, bleibt abzuwarten.
Zahnarzt verlangt Löschung einer schlechten Benotung
Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hatte am 1. März 2016 einen Fall zu beurteilen, in dem ein Zahnarzt gegen die Ärzte-Bewertungsplattform Jameda vorgegangen war und diese aufgefordert hatte, eine ungenügende Benotung aus dem Portal zu entfernen. Die Bewertung stammte von einem anonymen Nutzer, der dem Kläger die Gesamtnote 4,8 (Beachte: Deutsches Notensystem!) verpasste. Diese setzte sich aus Einzelnoten aus mehreren Kategorien zusammen, darunter jeweils die (schlechtmöglichste) Note 6 für die Kategorien «Behandlung», «Aufklärung» und «Vertrauensverhältnis». Der klagende Arzt bestreitet derweil, den angeblichen Patienten überhaupt behandelt zu haben.
Der Aufforderung des Klägers, die Bewertung zu entfernen, kam die Beklagte nicht nach. Stattdessen leitete Jameda die Beanstandung an den betreffenden Nutzer weiter. Dessen Antwort stellte sie dem Kläger jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zu. In der Folge klagte der Zahnarzt, das Verbreiten der Darstellung sei zu unterlassen. Während das Landgericht der Klage stattgegeben hatte, wurde die Berufung vom Oberlandesgericht abgewiesen, worauf der Fall an den Bundesgerichtshof gelangte.
Haftung nur bei Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten
Die Richter des BGH stellten nun fest, dass die beanstandete Bewertung keine eigene Behauptung der Beklagten sei. Folglich hafte Jameda nur dann für Bewertungen der Nutzer ihres Internetportals, wenn zumutbare Prüfungspflichten verletzt würden. Deren Umfang bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei insbesondere die Schwere der beanstandeten Rechtsverletzung, die Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie die Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes berücksichtigt werden müssten. Die Prüfungspflicht darf dabei jedoch weder das Geschäftsmodell des Diensteanbieters wirtschaftlich gefährden, noch seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren. In einem früheren Entscheid (I ZR 94/13) hatte der BGH beispielsweise die Zumutbarkeit einer inhaltlichen Vorabprüfung der Nutzerbewertungen in einem solchen Fall verneint. Eine Haftung auf Unterlassung bestehe erst, wenn der Betreiber eines Internetportals Kenntnis von einer klaren Rechtsverletzung erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt.
Im vorliegenden Fall ist eine solche klare Rechtsverletzung seitens jameda nicht ersichtlich. Dennoch wähnt der BGH die der Beklagten obliegende Prüfpflichten verletzt. Das Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen sei den Karlsruher Richtern zufolge bei Bewertungsplattformen allgemein grösser als bei anderen Portalen. Dieses Risiko werde zudem durch die Gewährleistung der Anonymität der Nutzer weiter erhöht. Die Portalbetreiberin hätte auf die Beschwerde des Arztes hin den Kontakt zum bewertenden Nutzer herstellen und ihn dazu anhalten sollen, die beanstandete Behandlung genau zu schildern. Ausserdem hätte der Nutzer handfeste Belege (wie z.B. Rezepte) vorweisen müssen, so der BGH. Sofern dies keinen Verstoss gegen § 12 Abs. 1 TMG dargestellt hätte, wäre die Beklagte darüber hinaus sogar verpflichtet gewesen, die Unterlagen an den Kläger weiterzuleiten.
Stellungnahme von Jameda: Anonymität bleibt gewährleistet
In einer Stellungnahme zum Gerichtsentscheid begrüsste Jameda-CEO Florian Weiß die «Konkretisierung des Prüfprozesses von Arztbewertungen» durch den BGH und erklärte, man werde diese Hinweise nun unmittelbar in die Ausgestaltung des Prüfprozesses einfließen lassen. Er betonte zudem, dass Patienten auch weiterhin anonyme Bewertungen abgeben könnten. Und: „Niemand muss befürchten, dass persönliche Informationen ohne eigene Einwilligung weitergegeben werden.»
Folgen des Urteils für Bewertungsportale in Deutschland
Tatsächlich liegt der Jameda-Chef mit seiner Einschätzung wohl richtig, dass sich an der Möglichkeit, anonym seine Meinung kundzutun, grundsätzlich nichts ändern wird. So hatte der BGH bereits 2014 einen Fall zu beurteilen, in dem ein Arzt gegen jameda geklagt hatte (VI ZR 358/13, vgl. BR-News vom 14. Oktober 2014). Die Richter gewichteten dabei in einer Interessenabwägung das Interesse der Beklagten auf ihre Kommunikationsfreiheit sowie das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen höher als die Interessen des Arztes, der laut BGH ausschliesslich in seiner Sozialsphäre berührt werde.
Die auf solchen Bewertungsportalen gewährte Anonymität trage dazu bei, dass kritische und unabhängige Informationen zur Verfügung gestellt werden, weshalb sie vom Schutz der Meinungsfreiheit erfasst sei. „Gerade im sensiblen Gesundheitsbereich ist es wichtig, dass Patienten sich sicher sein können, dass ihre Anonymität zu jeder Zeit gewahrt ist“, hält jameda ergänzend auf einer Pressemitteilung zum aktuellen Verfahren fest.
Erweiterte Prüfungspflichten stärkt Position von betroffenen Ärzten
Mit seinem Urteil vom 1. März 2016 hat der BGH nun jedoch die Prüfungspflichten für Betreiber von Bewertungsportalen ebenso konkretisiert wie erweitert. So müssen diese im Fall einer Arztbehandlung künftig prüfen, ob diese tatsächlich stattgefunden hat und dafür allenfalls auch entsprechende Beweisunterlagen einfordern. Unklar ist noch, ob diese Anforderungen in Zukunft auch für andere Arten von Bewertungsportalen gelten. Demnach müsste beispielsweise der Betreiber einer Restaurantplattform nachprüfen, ob der Gast überhaupt im betreffenden Lokal verköstigt wurde.
Was allerdings bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgehalten werden kann, ist, dass den betroffenen Ärzten ein Instrument in die Hand gegeben wird, mit dem sie zukünftig effektiver gegen ungerechtfertigte Bewertungen vorgehen können. Wichtig erscheint hier insbesondere die Tatsache, dass von nun an das Bewertungsportal die Pflicht trägt, zu beweisen, dass eine behauptete Behandlung auch wirklich stattgefunden hat.
Weitere Informationen:
- Mitteilung der Pressestelle des BGH zum Urteil VI ZR 34/15 vom 1. März 2016
- Mitteilung der Pressestelle des BGH zum Urteil I ZR 94/13 vom 19. März 2015
- Mitteilung der Pressestelle des BGH zum Urteil VI ZR 358/13 vom 23. September 2014
- Telemediengesetz (TMG)
- Pressemitteilung von jameda vom 15. Dezember 2015
- Pressemitteilung von jameda vom 1. März 2016
- BR-News vom 14. Oktober 2014: Online-Bewertungsportale: Deutscher BGH lehnt den Anspruch auf Löschung schlechter Bewertungen ab
- BR-News vom 29. Januar 2014: DE: Online-Bewertungsportale: Kein Anspruch auf Löschung von schlechten Bewertungen
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann