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Lesen Sie unsere Zusammenfassung über die jüngsten Entscheide des Bundesgerichts im Bereich des Arbeitsrechts, die mehrere Kernthemen hierzu behandelt, darunter Fragen zur Vergütung und Boni sowie zur Beendigung von Arbeitsverträgen. Die Zusammenfassung soll in diesem Bereich tätigen Praktikern einen Überblick über die neuesten Entwicklungen in der Rechtsprechung sowie praktische Richtlinien für die diesbezüglich zu treffenden Entscheidungen geben.
Vertragsabschluss / Qualifizierung
Urteil vom 21. Februar 2019 (4A_187/2018)
Nur die vertretungsberechtigten Exekutivorgane der Gesellschaft können eine GmbH vertreten und für sie einen Arbeitsvertrag rechtsgültig abschliessen.
Eine Verpflichtungserklärung zur Zahlung des Gehalts ist für die Gesellschaft nicht bindend, falls sie diese nicht rechtsgültig genehmigt hat, insbesondere wenn keine Ermächtigung zur Delegation und/oder Subdelegation an den Manager existiert, der den Arbeitsvertrag unterzeichnet hat. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Vertretungsberechtigung besteht.
Erwähnt wird auch die Ungültigkeit einer Vertragsänderung, die seitens der Arbeitgeberin nur von einer kollektiv zeichnungsberechtigten Person unterzeichnet wurde.
Urteil vom 11. April 2019 (4A_500/2018)
Es liegt ein Kontrollrecht und somit ein Arbeitsverhältnis vor, wenn Weisungen gegenüber dem «Arbeitnehmer» über allgemeine Richtlinien hinausgehen und Einfluss auf Arbeitsgegenstand und -organisation haben.
In diesem Zusammenhang ist die wirtschaftliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers kein entscheidendes Kriterium für die Qualifizierung des Vertragsverhältnisses.
Lohn / Bonus
Urteil vom 11. April 2019 (4A_498/2018)
Es ist nicht zulässig, vertraglich vorzusehen, dass der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen vom vereinbarten Bruttolohn abgezogen wird.
Die Parteien dürfen aber vereinbaren, den Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen bei der Berechnung der variablen Lohnbestandteile des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, sofern die Zahlung dieses Lohnbestandteils durch den Arbeitgeber tatsächlich erfolgt.
Urteil vom 15. Januar 2019 (4A_215/2017)
Die Parteien können vereinbaren, dass der Lohn in einer anderen Währung als Schweizer Franken, insbesondere in Euro, bezahlt wird.
Die Vereinbarung eines fixen Wechselkurses, der höher ist als der tatsächliche Kurs, ist aber problematisch hinsichtlich des Vorliegens einer Diskriminierung nach Artikel 9 des Freizügigkeitsabkommens, der direkte und indirekte Diskriminierung verbietet (erstere basiert ausdrücklich auf der Staatsangehörigkeit, während letztere durch die Anwendung anderer Kriterien dazu führt, dass EU-Bürger stärker betroffen sind als Schweizer Bürger). Das Vorliegen einer solchen Situation kann zur Nichtigkeit der Vereinbarung führen.
Urteil vom 18. April 2019 (4A_464/2018)
Wird das Ende der Kündigungsfrist aufgrund einer während der Frist eingetretenen Arbeitsunfähigkeit (insbesondere Krankheit oder Schwangerschaft) aufgeschoben, ist der von der Arbeitspflicht befreite Arbeitnehmer dazu verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung ab dem Zeitpunkt wieder anzubieten, zu dem die Kündigungsfrist ohne Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgelaufen wäre. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Befreiung der Arbeitspflicht automatisch bis zum Ende der (neuen) Kündigungsfrist verlängert.
Der Arbeitgeber kann die Lohnzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt seine Arbeitsleistung nicht anbietet oder wenn er nicht die tatsächliche Absicht hat, während der aufgeschobenen Kündigungsfrist die Arbeit wieder aufzunehmen.
Urteil vom 20. September 2019 (4A_230/2019)
Ob die Parteien einen bestimmten oder objektiv bestimmbaren Bonus und damit einen variablen Lohnbestandteil oder hingegen einen unbestimmten oder objektiv unbestimmbaren Bonus und damit eine Gratifikation vereinbart haben, ist eine Frage der Auslegung ihrer Willensäusserungen.
Die folgenden Elemente weisen darauf hin, dass sich die Parteien auf eine Gratifikation und nicht auf einen Lohn geeinigt haben:
- Es gibt keine Hinweise darauf, dass der als Bonus gezahlte Betrag im Voraus aufgrund vordefinierter objektiver Kriterien festgelegt worden wäre;
- Der Arbeitsvertrag erwähnt den Ermessenscharakter des Bonus, konkretisiert dessen Abhängigkeit von mehreren Faktoren und legt fest, dass die Zahlung eines Bonus nicht garantiert ist;
- Die Bestimmungen des Bonusplans nehmen Bezug auf den Ermessenscharakter des Bonus und besagen, dass die Bonusberechnung auf mehreren Faktoren beruht, die vom Arbeitgeber nach eigenem Ermessen den Umständen entsprechend angepasst werden können;
- Der Vertrag sieht vor, dass die in einem Jahr oder in mehreren Jahren hintereinander erfolgte Bonuszahlung den Arbeitgeber nicht zwingt, diese in den folgenden Jahren auszurichten;
- Die Bonushöhe kann zwischen 0 und 40% des jährlichen Grundgehalts variieren;
- Die Bonuszahlung erfolgt systematisch mit Freiwilligkeitsvorbehalt.
Der Arbeitgeber ist darüber hinaus dazu verpflichtet, die Leistungsbeurteilung des Arbeitnehmers, der einen Bonus verlangt, unter Beachtung von Treu und Glauben vorzunehmen. Der Arbeitgeber darf sich nicht widersprüchlich verhalten und die Leistung des Arbeitnehmers als mangelhaft beurteilen, um einen Bonus zu verweigern, wenn er zuvor seine volle Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht hat.
Ferien
Urteil vom 6. Juni 2019 (4A_225/2018)
Enthält der Lohn des Arbeitnehmers eine variable Komponente, die in Form von Provisionen oder Kommissionen gezahlt wird, darf der Arbeitnehmer während seiner Ferien finanziell nicht benachteiligt werden.
Wenn also die an den Arbeitnehmer gezahlten Provisionen jeden Monat variieren (d.h., wenn sie nicht im Laufe des Jahres monatlich auf Ratenbasis ausgezahlt werden), muss er während seiner Ferien einen Lohn erhalten, der nach der pauschalen Berechnungsmethode festgelegt wird und die vorsieht, einen Prozentsatz des in einem bestimmten Zeitraum erzielten Lohns zu zahlen (z.B.: 8.33% für 4 Wochen Ferien jährlich).
Überstunden
Urteil vom 28. Februar 2019 (4A_184/2018)
Abgrenzung der verspäteten Ankündigung von Überstunden, die der Arbeitnehmer geleistet hat und dem Anspruch auf Abgeltung dieser Stunden.
Die Pflicht zur Meldung von Überstunden gilt auch dann, wenn dem Arbeitgeber die Notwendigkeit dieser Stunden bekannt ist.
Ein Arbeitnehmer, der sieben Jahre mit der Meldung der monatlich geleisteten Überstanden zuwartet, verhält sich rechtsmissbräuchlich. Dies gilt auch für die Geltendmachung des darauf beruhenden Anspruchs auf Abgeltung der Überstunden.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Urteil vom 20. März 2019 (4A_166/2018)
Wenn eine Konfliktsituation am Arbeitsplatz die gemeinsame Arbeit im Unternehmen erheblich beeinträchtigt, ist die Kündigung eines darin involvierten Arbeitnehmers missbräuchlich, sofern der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist und nicht alle Massnahmen ergriffen hat, die man von ihm zur Entschärfung des Konflikts erwarten konnte.
Ebenso ist eine Änderungskündigung missbräuchlich, wenn sie aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers in einer Konfliktsituation erfolgt und der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang nicht alle erforderlichen Massnahmen zum Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers getroffen hat.
Urteil vom 10. Dezember 2019 (4A_395/2018)
Schliessen die Parteien einen Vertrag mit Mindestlaufzeit ab, so hat dieser die Wirkungen eines befristeten Vertrags, so dass das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Mindestdauer nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann.
Unter diesen Umständen ist die einzige Möglichkeit, den Arbeitsvertrag während dieser Zeit einseitig aufzulösen, eine gerechtfertigte fristlose Kündigung (337 OR).
Wenn also der Arbeitgeber den Vertrag während der Mindestlaufzeit kündigt, ist diese Kündigung als fristlose ausserordentliche Kündigung zu betrachten, unabhängig davon, ob sie gerechtfertigt ist oder nicht.
Das Arbeitsverhältnis endet rechtlich und faktisch am Tag der Mitteilung der ausserordentlichen Kündigung (das Vertragsende wird nicht auf den nächsten Kündigungstermin verschoben).
Der Arbeitgeber, der den Vertrag während der Mindestlaufzeit gekündigt hat, kann seine Erklärung jedoch widerrufen, wenn der Arbeitnehmer mit dem Widerruf einverstanden ist oder wenn er die Gültigkeit der Kündigung angefochten und gewillt ist, das Vertragsverhältnis aufrechtzuerhalten.
Konkurrenzverbot
Urteil vom 28. März 2019 (4A_116/2018)
Wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von einer Kundenbeziehung hat und diese nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses geheim halten muss, ist dies kein Geschäftsgeheimnis.
Ein Arbeitnehmer, der sich selbständig machen möchte, darf im Rahmen der hierzu erforderlichen Vorbereitungen seinen Arbeitgeber nicht konkurrieren oder andere Arbeitnehmer oder Kunden abwerben. Es ist jedoch oft schwierig zu bestimmen, wann diese Grenzen überschritten werden.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der ehemalige Arbeitnehmer auf dem Briefkopf des neuen Arbeitgebers einen Brief an die Kunden seines früheren Arbeitgebers schicken, ohne damit seine Treuepflicht zu verletzen.
Das Bundesgericht weist darauf hin, dass die Beziehung zwischen einem Vermögensverwalter und seinem Kunden im Laufe der Zeit aufgebaut wird. Daher ist es nicht willkürlich anzunehmen, dass Kunden den Fähigkeiten ihres Vermögensverwalters mehr Bedeutung beimessen als der Bank, für die er arbeitet.