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Das Bundesgericht hat im Urteil 4A_554/2019 vom 26. Oktober 2020 seine Rechtsprechung in Bezug auf die Berechnung der Nettorendite im Zusammenhang mit der Anfechtung des Anfangsmietzinses geändert.
Die Mieter haben unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, den Anfangsmietzins für Wohn- und Geschäftsräume als missbräuchlich anzufechten und dessen Herabsetzung zu verlangen. Um beurteilen zu können, ob ein Mietzins missbräuchlich ist, ist zu prüfen, ob damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird (Nettorendite; Art. 269 OR) oder, ob sich der Mietzins im Rahmen des Orts- oder Quartierüblichen bewegt. Handelt es sich um keine sog. Altbaute, d.h. ist die Liegenschaft weniger als 30 Jahre alt, so ist grundsätzlich auf die Nettorendite abzustellen; der Mietzins bestimmt sich mithin auf der Grundlage der Kosten und entsprechend der effektiven Berechnung der zulässigen Mietzinsrendite.
Zur Berechnung der Nettorendite bzw. zur Bestimmung, ob die erzielte Nettorendite zulässig ist, waren bislang gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts u.a. zwei Punkte relevant:
Der zulässige Ertrag hat bisher dem Ertrag des vom Vermieter zum Zeitpunkt des Erwerbs der Immobilie investierten Eigenkapitals, erhöht durch nachträgliche, wertvermehrende Investitionen, entsprochen, wobei das vom Vermieter investierte Eigenkapital bis zu 40% der Gesamtinvestition der Teuerung angepasst werden konnte.
Die Nettorendite im Sinne von Art. 269 OR war sodann zulässig, sofern diese nicht mehr als 0.5% über dem geltenden Zinssatz für Hypotheken bzw. (seit 2008) dem Referenzzinssatz lag. Wurde also zum aktuellen Referenzzinssatz 0.5% addiert, so resultierte die maximal zulässige Nettorendite.
Diese beiden Parameter aus den Jahren 1994 bzw. 1986 hat das Bundesgericht im vorgenannten Entscheid vom 26. Oktober 2020 nun wie folgt geändert:
- Das investierte Eigenkapital ist nun neu zu 100% – und nicht wie bisher nur zu 40% – an die Teuerung anzupassen.
- Der Ertrag darf den Referenzzinssatz sodann um 2% – und nicht wie bisher nur um 0.5% – übersteigen, wenn der Referenzzinssatz 2% oder weniger beträgt.
Die Praxisänderung ist auf die seit der ursprünglichen Rechtsprechung eingetretenen Veränderungen, insbesondere die nachhaltig gesunkenen Zinssätze für Hypotheken bzw. des massgebenden Referenzzinssatzes, zurückzuführen. Denn diese Entwicklung hat dazu geführt, dass gemäss bisheriger Berechnungsmethode inzwischen sehr niedrige Mieterträge resultieren, welche in keinem angemessenen Verhältnis zur Nutzung betreffender Wohnungen steht.
Dies zeigt sich am im vorliegend relevanten Entscheid vom 26. Oktober 2020 vom Bundesgericht beurteilten Fall sehr gut. Denn der Anfangsmietzins für eine 4.5-Zimmerwohnung von ursprünglich CHF 2’190.00 netto und für zwei Einstellhallenplätze von CHF 130.00 wurde von der ersten Instanz auf CHF 900.00 netto sowie CHF 50.00 pro Parkplatz gesenkt; dies wurde von der zweiten Instanz bestätigt. Durch die Anwendung der geänderten Praxis hat das Bundesgericht diese Beträge sodann schlussendlich aber auf CHF 1’390.00 netto sowie CHF 73.00 pro Parkplatz erhöht.
Über diese Praxisänderung werden sich die Vermieter entsprechend freuen, da die Mieterträge dadurch entsprechend interessanter werden und einige Ungerechtigkeiten beseitigt werden, welche aus der schematischen Anwendung der bisherigen Kriterien resultierten.
Im Übrigen hat die Änderung der Rechtsprechung wohl indirekt auch dazu beigetragen, dass die vom Bundesrat zur Annahme beantragte Motion Nr. 20.3922 betreffend eine ausgewogene Revision der Regeln zur Mietzinsgestaltung bei Wohn- und Geschäftsräumen mittlerweile auch vom Ständerat angenommen wurde. Die Motion soll nun 2021 dem Nationalrat zur Abstimmung vorgelegt werden.
Dieser Beitrag wurde von Denise Läubli verfasst.