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Will ein Unternehmen einen einzelnen Betriebszweig auslagern und die bisher von eigenen Mitarbeitern erbrachten Leistungen durch ein Drittunternehmen erbringen lassen, so spricht man von Outsourcing. Zu denken ist etwa an eine Bank, welche eine interne IT-Funktion an einen IT-Dienstleister auslagern möchte. Nebst wirtschaftlichen, technischen, steuerlichen und vertragsrechtlichen Fragen stellen sich dabei insbesondere auch arbeitsrechtliche Fragen.
1. Problemstellung
Outsourcing kann – abhängig von seiner konkreten Ausgestaltung – als sogenannter Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 OR qualifiziert werden, wenn nicht nur eine bisher intern erbrachte Leistung durch eine extern eingekaufte Dienstleistung ersetzt wird, sondern auch Betriebsmittel und Mitarbeiter ausgelagert werden. Fällt eine Outsourcing-Transaktion in den Anwendungsbereich von Art. 333 OR, so hat dies für die beteiligten Unternehmen wie auch für die betroffenen Arbeitnehmer gewichtige Konsequenzen. Diese beeinflussen das Verhältnis zwischen dem auslagernden Unternehmen und seinen betroffenen Mitarbeitern sowie die Vertragsverhandlungen zwischen dem auslagernden und dem Dienstleistungsunternehmen. Die beteiligten Unternehmen können nämlich nicht frei vereinbaren, welche Arbeitnehmer beim bisherigen Arbeitgeber verbleiben und welche zum neuen Arbeitgeber wechseln, und welche Anstellungsbedingungen für die übertretenden Arbeitnehmer gelten sollen. Schliesslich müssen auch die betroffenen Arbeitnehmer gewisse Entscheidungen treffen und gewisse Regeln beachten.
2. Outsourcing als Betriebsübergang gemäss Art. 333 OR
Grundvoraussetzung für eine Anwendung von Art. 333 OR ist, dass ein Unternehmen einen Betrieb (oder auch nur einen Betriebsteil) auf ein anderes Unternehmen überträgt und dass dieser Betrieb (bzw. Betriebsteil) im Wesentlichen weitergeführt wird, also den Betriebszweck, die Organisation und den individuellen Charakter bewahrt. Die vage Formulierung dieser Kriterien zeigt bereits, dass es nicht einfach ist zu entscheiden, in welchen Situationen ein Outsourcing-Vorgang als Betriebsübergang im Sinne von Art. 333 OR gilt und damit die entsprechenden Folgen mit sich zieht. Voraussetzung für das Vorliegen eines Betriebsübergangs ist, dass materielle oder immaterielle Betriebsmittel auf den Dienstleister übertragen und im Wesentlichen zum bisherigen Zweck weiterverwendet werden. Allerdings kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Betriebsmitteln vorliegen, wenn ein wesentlicher Teil der Arbeitnehmer übernommen wird. Gewichtiges Indiz (aber nicht notwendige Voraussetzung) für das Vorliegen eines Betriebsübergangs ist die Weiterführung der Dienstleistungen in den bisherigen Geschäftsräumen mit bisherigem Personal.
In den Anwendungsbereich von Art. 333 OR können indessen nicht nur Outsourcing-Vorgänge fallen; auch der umgekehrte Vorgang, das Insourcing einer betrieblichen Funktion, kann als Betriebsübergang qualifiziert werden. Dasselbe gilt, wenn bereits ausgelagerte Dienstleistungen grösstenteils unverändert neu von einem anderen Dienstleister erbracht werden sollen. Schliesslich kommt Art. 333 OR auch zur Anwendung, wenn das Outsourcing oder Insourcing in einer gesellschaftsrechtlichen Form (Fusion oder Abspaltung) erfolgt.
3. Folgen des Betriebsübergangs
3.1 Grundsatz: Übergang des Arbeitsverhältnisses
Erfüllt ein Outsourcing-Vorgang die Voraussetzungen des Betriebsübergangs im Sinne von Art. 333 OR, so gehen die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer, welche bisher schwerpunktmässig im betroffenen Betriebsteil gearbeitet haben, automatisch auf das Dienstleistungsunternehmen über. Eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen dem auslagernden Unternehmen und dem Dienstleister ist weder erforderlich, noch ist sie für den Übergang der Arbeitsverhältnisse relevant. Unerheblich ist deshalb, ob die Mitarbeiter im Outsourcing-Vertrag oder in einem Übertragungsinventar namentlich aufgeführt sind oder nicht. Das Dienstleistungsunternehmen kann somit nicht darüber entscheiden, welche Arbeitnehmer es übernehmen will und welche nicht; es herrscht ein Übernahmezwang. Ebenso wenig kann das auslagernde Unternehmen einzelne Mitarbeiter einseitig zurückhalten.
Die Arbeitsverhältnisse gehen mit allen Rechten und Pflichten über. Auf der Arbeitgeberseite findet ein Parteiwechsel statt, ansonsten bleibt das Arbeitsverhältnis unverändert. Sämtliche vertraglichen Bedingungen wie bspw. Lohnhöhe, Bonuspläne oder Ferienansprüche gelten unverändert weiter. Die beim vormaligen Arbeitgeber geleisteten Dienstjahre werden dem Arbeitnehmer angerechnet, was bspw. für die Berechnung von Kündigungs- und Sperrfristen, für Lohnfortzahlungspflichten oder für Dienstaltersgeschenke entscheidend ist. Auch angesammelte Überstunden kann der Arbeitnehmer „mitnehmen“. Der Service-Provider tut also gut daran, vor Abschluss des Outsourcing-Vertrages die Arbeitsverträge sowie die Lohn-, Ferien- und Überstundenbuchhaltung anlässlich einer Due Diligence Prüfung genau zu durchleuchten.
Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn einzelne vertragliche Regelungen nicht mit den Standards des Service-Providers kompatibel sind: Gewährt der Service-Provider seinen eigenen Mitarbeitern grundsätzlich vier Wochen Ferien, während die Arbeitsverträge der übernommenen Mitarbeiter fünf Wochen Ferien vorsehen, so sind Unstimmigkeiten in der neu zusammengesetzten Belegschaft vorprogrammiert. Praktische Schwierigkeiten entstehen sodann etwa bei Stock Option Plans oder bei vertraglich zugesicherten Vorsorgezusagen, welche der übernehmende Arbeitgeber gar nicht erfüllen kann.
Selbstverständlich können die vertraglichen Bedingungen angepasst werden. Erforderlich ist jedoch, dass die Änderungen im gegenseitigen Einvernehmen zwischen dem neuen Arbeitgeber und den einzelnen Arbeitnehmern erfolgen. Ansonsten verbleibt dem neuen Arbeitgeber nur der Weg der Änderungskündigung, wobei die Kündigungsfristen einzuhalten sind. Oftmals legt der Service-Provider den betroffenen Arbeitnehmern bereits vor der Übertragung neue Arbeitsverträge vor. Die Arbeitnehmer sind indessen nicht verpflichtet, neue Verträge abzuschliessen: weigern sie sich, so geht ihr Arbeitsverhältnis gleichwohl ohne Änderung auf den neuen Arbeitgeber über – alternativ dazu haben sie aber auch die Möglichkeit, den Übergang des Arbeitsverhältnisses abzulehnen (siehe nachfolgend Ziff. 3.2).
Darüber hinaus steht es dem neuen Arbeitgeber frei, im Rahmen seines Weisungsrechts einseitig Weisungen und Anordnungen zu erlassen, welche sich nicht mit denjenigen des vormaligen Arbeitgebers zu decken brauchen. Solche Weisungen dürfen jedoch nicht den vertraglich vereinbarten Bedingungen widersprechen.
3.2 Ausnahme: Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Erklärt ein Arbeitnehmer die Ablehnung des Betriebsübergangs, so verbleibt er nicht etwa beim bisherigen Arbeitgeber – vielmehr wird mit der Ablehnung das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen (und nicht etwa der vertraglichen) Kündigungsfrist beendet, frühestens aber per Datum des Betriebsübergangs. Endet die gesetzliche Kündigungsfrist erst in einem Zeitpunkt nach Betriebsübergang, so geht das Arbeitsverhältnis für diese Restzeit noch auf den neuen Arbeitgeber über, bevor es endet. Nicht im Gesetz geregelt ist, innerhalb welcher Frist der Mitarbeiter eine allfällige Ablehnung des Übergangs zu erklären hat. Die Dauer der Frist bestimmt sich daher nach Treu und Glauben, wobei in Anlehnung an die Dauer der Probezeit gemäss Art. 335b OR von einer Bedenkfrist von einem Monat ausgegangen werden kann. Diese beginnt zu laufen, sobald der Arbeitgeber seinen Informations- und Konsultationspflichten nachgekommen ist (siehe hierzu nachfolgend Ziff. 4). Zur Vermeidung von Unsicherheiten empfiehlt sich, die Mitarbeiter über den bevorstehenden Betriebsübergang zu informieren und ihnen eine einmonatige Frist zur Ablehnung des Übergangs anzusetzen.
Grundsätzlich hat ein Mitarbeiter, der dem zu übertragenden Betriebsteil angehört, keine Möglichkeit, sich für den Verbleib beim bisherigen Arbeitgeber zu entscheiden. Er kann jedoch mit dem bisherigen Arbeitgeber vereinbaren, dass er fortan in einem anderen Betriebsteil des bisherigen Arbeitgebers eingesetzt wird. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer nicht vom Betriebsübergang erfasst.
3.3 Haftung des Arbeitgebers
Der neue Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer nicht bloss für solche Forderungen, welche nach dem Betriebsübergang entstehen. Vielmehr haftet er solidarisch mit dem bisherigen Arbeitgeber auch für sämtliche Forderungen der übernommenen Arbeitnehmer, die vor dem Betriebsübergang entstanden sind, also bspw. Lohnausstände, Ferien- und Überstundenguthaben sowie Spesenforderungen. Eine Ausnahme dieser Haftung besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts für den Fall, dass der neue Arbeitgeber den Betrieb bzw. den Betriebsteil aus der Konkursmasse des bisherigen Arbeitgebers erwirbt.
Der bisherige Arbeitgeber wird mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitnehmer nicht befreit. Für die vor dem Betriebsübergang fällig gewordenen Forderungen gegenüber dem Arbeitnehmer haftet er ohnehin – er haftet aber bis zu einem gewissen Grad auch für solche Forderungen, welche erst nach dem Betriebsübergang fällig werden. Nur für solche Forderungen, welche fällig werden, nachdem das Arbeitsverhältnis ordentlich hätte beendigt werden können (gerechnet ab Betriebsübergang), trifft ihn keine Haftung mehr.
4. Informations- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers
Der übertragende Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer über den Grund des Übergangs und über dessen rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen zu orientieren. Die Information hat rechtzeitig vor dem Vollzug des Betriebsübergangs zu erfolgen. Hingegen ist nicht erforderlich, dass die Information bereits vor dem Entscheid, einen Betriebsteil outzusourcen, stattfindet. Sind Massnahmen geplant, welche die Arbeitnehmer betreffen (z.B. Lohnkürzungen, Erhöhung der Arbeitszeit usw.), so sind die Arbeitnehmer zusätzlich zu konsultieren. Die Konsultationspflicht trifft hierbei, wer solche Massnahmen beabsichtigt. Folglich unterliegt ihr nicht bloss der übertragende, sondern auch der übernehmende Arbeitgeber. Die Konsultation hat rechtzeitig vor dem Entscheid über die Massnahmen zu erfolgen, wobei der Zeitpunkt von den konkreten Umständen (insb. von der Komplexität der sich stellenden Fragen und der Dringlichkeit der Massnahmen) abhängt. Die Arbeitnehmer müssen jedenfalls genügend Zeit haben, um die beabsichtigen Massnahmen zu studieren und dem Arbeitgeber zweckdienliche Vorschläge vorzutragen, sodass diese noch in das Entscheidungsverfahren einfliessen können. Es empfiehlt sich, den Arbeitnehmern eine nach Treu und Glauben bemessene Frist zur Anhörung anzusetzen. Zwei Wochen dürften normalerweise das Minimum, aber in der Regel auch ausreichend sein. Die Frist beginnt zu laufen, sobald die Arbeitnehmer im Besitz aller zur sinnvollen Wahrnehmung des Konsultationsrechtes notwendigen Informationen sind. Sie ist gewahrt, wenn die Arbeitnehmer ihre Vorschläge vor Ablauf der Frist dem Arbeitgeber einreichen.
Dieser Informations- und Konsultationsphase kann entscheidende Bedeutung zukommen. So z.B. dann, wenn der übernehmende Arbeitgeber plant, den Mitarbeitern neue Verträge mit geänderten Bedingungen anzubieten. Die Mitarbeiter werden tendenziell skeptisch und zurückhaltend eingestellt sein. Hier liegt es am übernehmenden Arbeitgeber, sich in einem vorteilhaften Licht darzustellen und den Mitarbeitern die neuen Anstellungsbedingungen möglichst gut zu „verkaufen“, um so deren Akzeptanz zu fördern. Nehmen die Mitarbeiter die neuen Verträge nicht an und lehnen sie den Übergang gleichwohl nicht ab, so wird ihr bisheriges Arbeitsverhältnis unverändert beim neuen Arbeitgeber fortgesetzt, und dieser kann seine neuen Bedingungen nur mittels Änderungskündigung durchsetzen. Es liegt auf der Hand, dass sich ein solches Vorgehen unvorteilhaft auf das Betriebsklima auswirkt. Es empfiehlt sich somit, die Mitarbeiterorientierung sorgfältig zu planen und durchzuführen.