Architektenvertrag: Verlust des Honoraranspruchs bei unbrauchbaren Leistungen


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Im Laufe des vergangenen Jahres hatte das Bundegericht mehrfach über das Schicksal des dem Beauftragten zustehenden Honoraranspruchs bei Nichterfüllung des Vertrages zu entscheiden. So hat sich das Bundesgericht in einer aktuellen Entscheidung (Urteil des BGer 4A_534/2019 vom 13. Oktober 2020) mit der Frage des Schicksals des Architektenhonorars im Falle einer für den Auftraggeber nutzlosen, mangelhaften Leistung befasst.

In diesem Fall beauftragte ein Ehepaar ein Architekturbüro mit dem Bau einer Villa für ein Budget von CHF 1.2 Millionen. Das Architekturbüro bestätigte, dass das Projekt innerhalb dieses Budgets realisierbar sei, äusserte aber einen Vorbehalt dahingehend, ob auch der Bau eines Schwimmbads innerhalb dieses Budgets möglich sei. Daraufhin wurde zwischen den Parteien ein Architektenvertrag geschlossen. Nach mehreren Wochen Arbeit und trotz zahlreicher Nachfragen des Ehepaars in Bezug auf den Fortschritt teilte das Architekturbüro dem Ehepaar schliesslich mit, dass es zu optimistisch gewesen sei. Der Preis für den Bau der Villa auf Grundlage der vom Architekturbüro erstellten vorläufigen Ausführungspläne würde bei etwa CHF 1.95 Millionen liegen, wobei der Pool in diesem Betrag nicht enthalten sei. Nach dieser Ankündigung stellte das Ehepaar das Projekt sofort ein und kündigte den Vertrag mit dem Architekten, da sie der Meinung waren, dass das Vertrauensverhältnis zerstört wurde. Der Architekt beanspruchte seinerseits ein (reduziertes) Honorar für die Projektierungsarbeiten, während die Auftraggeber diese Leistungen für völlig unbrauchbar hielten. Der Architekt erhob daher Klage gegen die Auftraggeber auf Zahlung seines Honorars.

Die Richter in Mon-Repos erinnerten daran, dass ein globaler Architektenvertrag ein gemischter Vertrag ist, der je nach den vom Architekten erbrachten Leistungen den Regeln des Auftrags oder denen des Werkvertrags unterliegt. Folglich bestimmen sich die Regeln für die Haftung des Architekten danach, ob er ein Ergebnis garantiert hat oder nicht. In jedem Fall verweist die SIA-Ordnung 102 bezüglich der Rechtsfolgen einer vorzeitigen Beendigung des Architektenvertrages auf die Regeln des Schweizerischen Obligationenrechts, so dass das in Art. 404 Abs. 1 OR festgelegte jederzeitige Kündigungsrecht des Auftraggebers zur Anwendung gelangt.

Der Architekt hat im Rahmen seiner Pflichten insbesondere seinen Auftraggeber zu informieren und zu beraten (Art. 398 OR). Dies vor allem in Bezug auf die Kosten des geplanten Projekts. Grundsätzlich muss der Auftragnehmer aufgrund seiner Informationspflicht den Auftraggeber nach Treu und Glauben über alles informieren, was für diesen im Zusammenhang mit dem Auftrag wichtig ist. So wird ermöglicht, dass der Auftraggeber alle Umstände kennt, die das Vertragsverhältnis beeinflussen können, insbesondere ob Tatsachen vorliegen, die zu einer Minderung oder gar zu einem Verlust des Vertrauens führen können.

Das Architektenhonorar ist nach Art. 394 Abs. 3 OR geschuldet und wird primär durch die Vereinbarung der Parteien bestimmt. Verletzt der Architekt jedoch seine vertraglichen Pflichten, kann sein Honorar gekürzt oder sogar erlassen werden. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Schlechterfüllung und vollständiger Nichterfüllung.

Bei gänzlicher Nichterfüllung, d.h. wenn der Auftragnehmer untätig bleibt oder sich seine Leistungen als nutzlos oder unbrauchbar erweisen, verliert er seinen Anspruch auf Vergütung.

Bei Schlechterfüllung bleibt der Honoraranspruch des Auftragnehmers bestehen, das vereinbarte Honorar kann jedoch zur Wiederherstellung der Ausgewogenheit der vertraglichen Leistungen gemindert werden. Die dem Auftragnehmer zustehende Vergütung stellt eine Gegenleistung für seine sorgfältige Tätigkeit in der ihm anvertrauten Sache dar. Handelt er nicht mit der gebotenen Sorgfalt, so hat er keinen Anspruch auf das volle vereinbarte Honorar, d.h. auf die Vergütung, die einem sorgfältigen Beauftragten billigerweise zustehen würde. Das Recht auf Minderung besteht auch bei einem festen Honorar. Darüber hinaus ist eine Kombination aus dem Recht auf Minderung und dem Recht des Auftraggebers auf Ersatz des durch die Schlechterfüllung entstandenen Schadens unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.

Nach Ansicht des Bundesgerichts stellte die Tatsache, dass der Architekt mit der Ausführung des Vertrages fortfuhr, ohne die Kosten des Projekts in jeder Phase der Arbeiten zu bewerten resp. richtig zu bewerten, um innerhalb des festgelegten Budgets zu bleiben sowie die Tatsache, dass er die Auftraggeber nicht angemessen und rechtzeitig über die Kosten des Projekts und ihre Entwicklung in den jeweiligen Phasen informierte, eine Verletzung seiner Sorgfalts- und Treuepflichten gegenüber seinen Auftraggebern dar. Da die Kosten des schliesslich vom Architekten vorgestellten Projekts die finanziellen Möglichkeiten des Ehepaars bei weitem überstiegen, handelte es sich zudem um eine Schlechterfüllung, die für die Bauherren nicht von Nutzen war. Folglich hat der Architekt bis zur Beendigung des Architektenvertrages keinen Anspruch auf Honorar für erbrachte Leistungen.

Dieses Urteil ist interessant, weil es an die Verpflichtung des Architekten erinnert, die Kosten der Projekte, die er zu übernehmen bereit ist, sorgfältig und umsichtig zu schätzen. Zudem legt es dar, dass der Architekt im Rahmen der Ausführung seiner Leistungen den Bauherrn unverzüglich warnen muss, wenn er feststellt, dass der ursprüngliche Kostenvoranschlag wahrscheinlich nicht eingehalten werden kann, unzureichend ist, oder dies aufgrund einer Änderung der Umstände geworden ist. In einem solchen Fall sollte der Architekt auch seine Tätigkeit aussetzen, bis der Auftraggeber über das Schicksal des Projekts, wie es ursprünglich vorgesehen war, entschieden hat.


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