Vorratsdatenspeicherung

Auch in Österreich fällt die Vorratsdatenspeicherung – in der Schweiz regt sich der Widerstand


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Laut einem Urteil des österreichischen Verfassungsgerichtshofs sind die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig. Nachdem die obersten Richter in Deutschland bereits vor einigen Jahren und der EuGH im April 2014 die Bestimmungen über die Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt haben, knüpft das oberste Gericht in Österreich an diese Rechtsprechung an. Auch in der Schweiz ist die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung lanciert. Der Gesetzgeber will mit der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) die Vorratsdatenspeicherung ausweiten. Jüngst äusserte sich das EJPD zur Problematik – laut seiner Medienmitteilung sind die gesetzlichen Schranken der Speicherung von Daten auf Vorrat ausreichend und die Grundrechte nicht tangiert. In interessierten Kreisen wächst derweil der Unmut gegen die staatlich verordnete pauschale Datenerhebung.

Österreich kippt die Vorratsdatenspeicherung

In einer Medienmitteilung liess der österreichische Verfassungsgerichthof seine Gründe verlauten, wieso die neuen gesetzlichen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung verfassungswidrig und deshalb aufzuheben sind. Vom Urteil (G 47/2012) betroffenen sind neue Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes, der Strafprozessordnung und des österreichischen Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz).

Datenschutz und Schutz der Privatsphäre überwiegen

Zusammengefasst halten die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter fest, dass durch die Vorratsdatenspeicherung ein gravierender Eingriff in die Grundrechte erfolge, der zwingend mit dem Datenschutzgesetz und der Menschenrechtskonvention im Einklang stehen müsse. Wann dies der Fall ist, könne erst dann gesagt werden, wenn die Bedingungen für die Datenspeicherung, die Anforderungen an deren Löschung und die Sicherung beim Zugriff auf die Daten klar geregelt sind. Diese Anforderungen erfüllen die Bestimmungen in den zuvor erwähnten Gesetzen nicht.

Insbesondere fehlt es den Bestimmungen an einer Sicherheitsvorkehrung bezüglich der Voraussetzung eines Zugriffs und an einer Verpflichtung der Löschung der erhobenen Daten. Auch lässt die Ausgestaltung der Speicherverpflichtung Fragen offen. Noch entscheidender fällt nach den Aussagen des Verfassungsgerichts das Ausmass der Vorratsdatenspeicherung ins Gewicht. Der betroffene Personenkreis beispielsweise umfasst nahezu die gesamte Bevölkerung.

Gerade diesen Umstand empfinden die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter als unvereinbar mit einem demokratischen Freiheitsverständnis. Das Grundrecht auf Datenschutz richtet sich in einer demokratischen Gesellschaft speziell auf die vertrauliche Kommunikation zwischen den Menschen. Nicht nur ist jeder Einzelne auf öffentliche Kommunikation in der Gemeinschaft angewiesen, um sich in seiner Persönlichkeit zu entfalten, vielmehr bestimmt sich die Freiheit als individueller Anspruch und als Zustand der Gesellschaft gerade durch die Qualität der Informationsbeziehungen.

Zum Schluss räumt das Verfassungsgericht zwar ein, dass die Kriminalitätsbekämpfung zwar an die Erweiterung der technischen Möglichkeiten angepasst werden muss, umgekehrt aber von einer solchen Anpassung die Freiheit des Menschen empfindlich bedroht ist. Verhältnismässige Eingriffe können nur im Einklang mit dem Datenschutz und der Menschenrechtskonvention erfolgen.

Reaktionen in der Schweiz? – Einschätzung des EJPD

Schon als im April dieses Jahres der EuGH die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärte, berichteten wir ausführlich darüber (vgl. BR-News vom 11.04.2014) und stellten die Frage, wie und ob der jüngsten Rechtsprechung Europas und ihrer Mitgliedstaaten in der Schweiz Rechnung getragen wird. Schon wegen des gleichartigen Grundrechtsschutzes und umso mehr angesichts der fehlenden Verfassungsgerichtsbarkeit in der Schweiz, wäre eine Reaktion im laufenden BÜPF-Revisionsverfahren angezeigt. Der Ständerat hiess, entgegen der Empfehlung seiner Rechtskommission, die geplante Ausdehnung der Aufbewahrungsfrist der Vorratsdaten von sechs auf zwölf Monate gut. Der Nationalrat hat sich der Sache noch nicht angenommen, die kritischen Stimmen werden jedoch immer lauter.

Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) gab kürzlich in der Medienmitteilung vom 01. Juli 2014 bekannt, dass aus seiner Sicht der Eingriff in die Grundrechte durch die Vorratsdatenspeicherung insgesamt gerechtfertigt ist. Das Erheben von Vorratsdaten stelle zwar einen direkten Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis und einen indirekten Eingriff in die Meinungsfreiheit dar, weil das Vertrauen der Menschen in die Kommunikationsmittel beeinträchtigt wird. Die gesetzlichen Schranken eines solchen Eingriffs seinen jedoch strikt genug, um die Verhältnismässigkeit eines solchen Grundrechtseingriffs zu garantieren.

Der Grund, warum das EJPD überhaut zu dieser Stellungnahme gezwungen wurde, waren Gesuche, die verschiedene Mitglieder der „Digitalen Gesellschaft Schweiz“ an den Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) gestellt haben. Darin wurde verlangt, dass die Fernmeldedienstanbieter, die nach geltendem Recht zur Speicherung von Vorratsdaten verpflichtet sind, anzuweisen seien, die Daten der Gesuchsteller zu löschen, ihre Daten nicht mehr zu speichern und künftig keine Daten mehr an die Behörden herauszugeben. Die Antwort auf die Gesuche hat der Dienst ÜPF in Form einer beschwerdefähigen Verfügung erlassen, welche vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann.

Der Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung in der Schweiz wächst. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie sich der Nationalrat zur geplanten Revision des BÜPF, insbesondere der Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung, äussert.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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