Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Verlängerte Übergangsvorschriften bei der Werbung mit Health Claims


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Einleitung

Das Bewusstsein der Bevölkerung für den Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit ist in den letzten Jahren zweifellos gestiegen. Nahrungsmittel sollen heutzutage nicht nur einfach satt machen und gut schmecken, sondern immer häufiger auch eine gesundheitsfördernde Funktion wahrnehmen. Functional Food eben. Werbebotschaften wie «stärkt die Abwehrkräfte» oder «reich an Vitamin C» liegen im Trend.

Umstrittene europäische Gesetzgebung

Um die Information der Konsumenten über die Zusammensetzung und die Wirkung von Lebensmitteln und die Rechtssicherheit zu verbessern, gilt seit dem 1. Juli 2007 in der Europäischen Union die Health Claims-Verordnung EG Nr. 1924/2006, welche den Gebrauch von nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben regelt.

Seit Inkrafttreten der Health Claims-Verordnung gilt in der EU der Grundsatz, dass jede nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe ausdrücklich für zulässig erklärt sein muss, ansonsten ist ihr Gebrauch verboten.

Bestimmte nährwertbezogene Angaben wie z.B. „zuckerfrei“, „fettreduziert“ oder „reich an ungesättigten Fettsäuren“ werden durch die Health Claim-Verordnung schon jetzt eindeutig geregelt und dürfen nur noch gemacht werden, wenn sie den rechtlichen Anforderungen der Verordnung entsprechen und im Anhang zur Verordnung aufgeführt sind.

Für gesundheitsbezogene Angaben wie z.B. «Kalzium ist gut für die Knochen» existiert demgegenüber noch keine ausdrückliche Regelung. Gesundheitsbezogene Angaben sollen aber grundsätzlich nur noch verwendet werden dürfen, wenn die entsprechende Angabe von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewilligt und in einer offiziellen Liste publiziert wurde. Die betreffende Liste hätte bis am 31. Januar 2010 veröffentlicht werden sollen. Bis anhin hat die EFSA allerdings erst zu einem Bruchteil der eingegangenen Anträge Stellung genommen und eine offizielle Liste wurde noch nicht publiziert.

Dieser Verzug bei der Umsetzung ist auch für die Rechtslage in der Schweiz problematisch, da die neue schweizerische Regelung auf die geplante europäische Liste Bezug nehmen möchte. Da die Liste noch nicht existiert, wurde in der Schweiz eine Verlängerung der Übergangsbestimmungen bis Ende Jahr nötig.

Schweizerische Regelung

Um im Warenverkehr mit der EU keine zusätzlichen technischen Handelshemmnisse zu schaffen, entschied man sich, die Hauptpunkte der europäischen Health Claims-Verordnung auch in das schweizerische Recht zu überführen. Die neuen Bestimmungen traten am 1. April 2008 als Ergänzung der Verordnung über die Kennzeichnung und Anpreisung von Lebensmitteln (LKV) in Kraft. Die neuen Bestimmungen sahen eine Übergangsfrist vor, welche die Kennzeichnung von Lebensmitteln nach bisherigem Recht noch bis am 1. April 2010 erlaubte. Diese Übergangsfrist wurde nun vor Kurzem vorerst bis Ende 2010 verlängert.

Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen in der Schweiz im Zusammenhang mit Lebensmitteln nach neuem Recht nur noch gemacht werden, wenn sie entweder im Anhang 7 oder Anhang 8 der LKV vorgesehen oder vom Bundesamt für Gesundheit bewilligt worden sind. Es ist geplant, dass der Anhang mit den gesundheitsbezogenen Angaben auch alle in der europäischen Liste aufgeführten Angaben enthalten soll.

Im Zusammenhang mit gesundheitsbezogenen Angaben ist unter dem neuen Recht speziell zu beachten, dass Verweise auf nichtspezifische Vorteile eines Lebensmittels für die Gesundheit oder das Wohlbefinden im Allgemeinen (z.B. «verbessert Ihre Lebensqualität») nur noch in Verbindung mit einer gesetzlich geregelten Angabe gemäss Anhang 8 der LKV gemacht werden dürfen. So wäre z.B. die Angabe «steigert Ihre Fitness» in Alleinstellung ohne gleichzeitige Verwendung einer in Anhang 8 der LKV geregelten gesundheitsbezogenen Angabe unzulässig. Gesundheitsbezogene Angaben zu Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent sind ganz verboten. Schliesslich dürfen gesundheitsbezogene Angaben auch nicht mit Angaben über die Dauer und das Ausmass einer Gewichtsabnahme verbunden oder als Empfehlung von Ärztinnen und Ärzten dargestellt werden.

Würdigung und Ausblick

Die Verlängerung der Übergangsbestimmungen in der LKV hat zur Folge, dass in der Schweiz vorerst bis am 31. Dezember 2010 das alte und neue Recht nebeneinander anwendbar sind. Kennzeichnungen, die unter dem alten Recht zulässig waren, dürfen nach wie vor verwendet werden. Wer aber eine Angabe verwenden will, die unter dem alten Recht verboten war (z.B. eine kranheitsvorbeugende oder -hemmende Anpreisung), aber unter dem neuen Recht grundsätzlich zulässig ist, darf diese Angabe machen, wenn sie entweder in einem der beiden Anhänge 7 oder 8 zur LKV vorgesehen ist oder vom BAG genehmigt wurde.

Problematisch erscheint, dass die schweizerischen Behörden kaum gewillt sein werden, über die Zulässigkeit einer gesundheitsbezogenen Angabe, für welche auch in der EU ein Gesuch hängig ist, zeitlich vor den europäischen Behörden zu entscheiden, da man widersprüchliche Entscheidungen vermeiden will. Diese Perspektive ist für schweizerische Lebensmittelunternehmen wenig vielversprechend, zumal in der Europäischen Union die zuständige Behörde für Lebensmittelsicherheit mit der schieren Anzahl der eingegangenen Dossiers überordert zu sein scheint. Von den mehr als 40’000 zur Prüfung eingegangenen Werbeclaims ist erst ein Bruchteil teilweise bearbeitet. Die Zulassungsverfahren dauern soweit ersichtlich Jahre. Die Rechtsunsicherheit, welche Aussagen zulässig bzw. unzulässig sind, ist deshalb nach wie vor gross. Die ersten veröffentlichten Stellungnahmen der EFSA zeigen, dass wohl ca. 70-80% der eingegangenen Anträge abgewiesen werden.


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