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Gastautor: Prof. Dr. Martin Reufels, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln, Deutschland
Lange Zeit war in Deutschland unklar, ob ein Franchisenehmer bei der Beendigung seines Franchisevertrages einen Ausgleichsanspruch gegen den Franchisegeber geltend machen kann.
Mit Urteil vom 05.02.2015 – VII ZR 109/13 hat der Bundesgerichtshof nun entschieden, dass § 89b HGB, und damit die Verpflichtung eines Unternehmers zur Zahlung eines angemessenen Ausgleichs im Falle der Beendigung einer Vertragsbeziehung, weder direkt noch analog auf ein Franchiseverhältnis anwendbar ist. Die Kernaussage des Urteils ist, dass Franchiseverhältnisse ein anonymes Massengeschäft betreffen und damit keine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung, sondern nur eine faktische Kontinuität hinsichtlich des Kundenstamms besteht, was aber nicht zur analogen Anwendung des § 89b HGB führe. Der Kläger hatte somit keinen Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs.
Das Ausgangsverfahren
Der Kläger war Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners. Dieser Schuldner hatte im Jahr 2005 mit der Beklagten, einer Handwerksbäckerei-Kette, zwei Verträge im Rahmen eines Franchisesystems über den Betrieb von zwei Backshops abgeschlossen. Die Franchiseverträge enthielten keine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms oder der Übermittlung von Kundendaten. Der Franchisenehmer war lediglich dazu verpflichtet, die Geschäftsräume nach Vertragsbeendigung zurückzugeben. Während der Laufzeit der beiden Franchiseverträge verkaufte der Franchisenehmer die Waren in den Backshops unter eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Beendet wurden die beiden Franchiseverträge durch im Jahr 2007 geschlossene Aufhebungsverträge. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung verlangte der Kläger im Rahmen seiner Funktion als Insolvenzverwalter von der Beklagten Ausgleich entsprechend § 89b HGB.
Die Entscheidung des BGH
Grundsätzlich gewährt § 89b HGB einem Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen Ausgleichsanspruch, wenn der Unternehmer über die Beendigung hinaus einen erheblichen Vorteil aus den durch den Handelsvertreter erworbenen Kundenbeziehungen erlangt hat.
Eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 89b HGB auf das Verhältnis des Franchisenehmers zum Franchisegeber scheidet von vorne herein mangels Handelsvertretereigenschaft des Schuldners als Franchisenehmer aus.
Der BGH hatte bisher offen gelassen, ob § 89b HGB auf Franchiseverhältnisse wie auch Vertragshändlerverhältnisse entsprechend anwendbar ist. Auch im entschiedenen Fall musste der BGH hierzu keine endgültige Entscheidung treffen, da schon die erforderlichen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 89b HGB nicht erfüllt waren.
Für eine analoge Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift bedarf es einer Regelungslücke und einer vergleichbaren Interessenlage im Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer. Gesetzliche Regelungen über Franchiseverträge fehlen im HGB, so dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Eine vergleichbare Interessenlage hinsichtlich einer analogen Anwendung des § 89b HGB auf andere im Vertrieb tätige Person wie einem Vertragshändler besteht dann, wenn zum einen sich das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler in der Weise in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass der wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte. Im zu entscheidenden Fall durfte davon ausgegangen werden.
Allerdings muss der Franchisenehmer zur Übertragung des Kundenstammes vertraglich verpflichtet sein, so dass sich der Franchisegeber bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Eine solche vertragliche Verpflichtung muss nicht ausdrücklich geregelt sein. Vielmehr muss sich diese aus dem Vertrag als Pflicht ergeben. Fehlt eine solche vertragliche Verpflichtung, besteht also lediglich eine faktische Kontinuität des Kundenstamms aufgrund Ortsgebundenheit zugunsten des Franchisegebers, so kann hierdurch kein Ausgleichsanspruch entsprechend § 89b HGB begründet werden. Eine sogenannte „faktische Kontinuität des Kundenstamms“, lediglich das tatsächliche Verbleiben des vom Franchisenehmer geworbenen Kundenstamms beim Franchisegeber, erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 89b HGB.
Der BGH stellt klar, dass der streitige Franchisevertrag im Wesentlichen ein anonymes Massengeschäft betreffe und dies daher keinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB rechtfertige.
Kommentar
Die Entscheidung des BGH ist konsequent und nachvollziehbar. Eine abschließende Entscheidung über die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 89b HGB auf Franchise- bzw. Vertragshändlerverhältnisse lässt jedoch noch auf sich warten.
Es ist zu beachten, dass eine Entscheidung über die analoge Anwendung handelsvertreterrechtlicher Vorschriften auf unbefristete Franchiseverträge je nach Einzelfall und dessen konkreter Umstände zu treffen wäre. Ein Anspruch auf Ausgleich nach § 89b HGB ist also nicht prinzipiell ausgeschlossen. Vielmehr scheint der Bundesgerichtshof einen Ausgleichsanspruch des Franchisenehmers prinzipiell für möglich zu halten.
Weitere Informationen:
Ansprechperson: Lukas Bühlmann & Prof. Dr. Martin Reufels