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Ein Entscheid des Einzelrichters des St. Galler Kreisgerichts hat kürzlich viel Aufsehen erregt. Darin wurde eine 19-Jährige, die auf einer öffentlichen Facebook-Gruppe einen Mann unter anderem als «trauriger Mensch» bezeichnete, der Beschimpfung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 210 Franken verurteilt. Dies ist womöglich das erste Urteil im Zusammenhang mit Facebook, wobei vergleichbare Fälle im Zusammenhang mit Blog-Kommentaren, Internet-Foren oder sog. «hate-sites» seit längerem bekannt sind. Der Schuldspruch des St.Galler Einzelrichters wird hier zum Anlass genommen, um spezifische Aspekte des Schutzes der Ehre und der Persönlichkeit im Kontext des Internets aus Sicht der Unternehmen kurz zu erläutern.
Medienberichten zufolge empfand es der St.Galler Einzelrichter in seiner Urteilsverkündung als erschreckend, was auf der Facebook-Gruppe an Beschimpfungen zusammengekommen sei und sprach von «einer Art virtuellen Zusammenrottung» (vgl. den Bericht auf NZZ-Online). Dass das Internet nicht nur für den konstruktiven Informationsaustausch neue Möglichkeiten eröffnet, ist jedoch nicht erst seit diesem Vorfall bekannt. In Blogs, Internetforen, Bewertungsportalen oder auf sog. «hate-sites» werden Unternehmen oder deren Produkte vielfach durch Privatpersonen verunglimpft. Unter Umständen kann dadurch der Ruf des Unternehmens bei einem relativ grossen Teil der Öffentlichkeit beeinträchtigt werden. Insbesondere auch für Unternehmen ist es deshalb wichtig, dass eine angemessene Überwachung des Internets erfolgt und rechtsverletzende Äusserungen im Internet rasch beseitigt werden.
Sofern im Internet (bspw. auf Facebook oder in Internet-Foren) eine ehrverletzende Äusserung bemerkt wird, stellt sich jedoch vielfach das Problem, dass das betroffene Unternehmen die Identität des Urhebers der Äusserung nicht feststellen kann und der Website-Betreiber keine Daten herausgibt (vgl. BR-News: «Quellenschutz für Blog-Kommentare»). Auf privatrechtlicher Ebene wird sich deshalb häufig ein Vorgehen gegen den Betreiber der Website aufdrängen. Von diesem kann grundsätzlich – wie von jeder Person, die an der Verletzung «mitwirkt», – die Beseitigung der Äusserung verlangt werden (vgl. Art. 28 und 28a ZGB; ferner BR-News vom 5.5.2011). Schadenersatzansprüche gegenüber Website-Betreibern setzen jedoch jeweils den Nachweis eines Verschuldens, d.h. Fahrlässigkeit oder Absicht, sowie den Nachweis eines Schadens voraus.
Ein privatrechtliches Vorgehen gegen den Urheber der Verletzung ist vor diesem Hintergrund in vielen Fällen nur möglich, wenn vorgängig ein Strafverfahren durchgeführt wird, in welchem die Identität des Urhebers festgestellt werden kann (vgl. Art. 273 StPO). Hierfür muss allerdings ein dringender Tatverdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen vorliegen. Das schweizerische Strafgesetzbuch (StGB) bezeichnet verschiedene Verhaltensweisen, die sich gegen die Ehre richten, als Vergehen. Es handelt sich dabei um die üble Nachrede (Art. 173 StGB), die Verleumdung (Art. 174 StGB) und die Beschimpfung (Art. 177 StGB). Im Verfahren vor dem St.Galler Einzelrichter stand offenbar der Tatbestand der Beschimpfung (Art. 177 StGB) im Vordergrund. Das Bundesgericht hat bereits mehrfach entschieden, dass auch juristischen Personen ein strafrechtlicher Schutz der Ehre zusteht (BGE 108 IV 21) und somit auch ein Unternehmen Opfer einer Beschimpfung sein kann (BGE 114 IV 14). Der strafrechtliche Schutz der Ehre gilt grundsätzlich – anders als der privatrechtliche – nur für die sog. sittliche Ehre, d.h. der Ruf als ehrbare Person, und nicht auch für den gesellschaftlichen Ruf, d.h. insbesondere die geschäftliche oder berufliche Geltung. Als Ehrverletzungen im strafrechtlichen Sinne kommt deshalb insbesondere die Bezichtigung moralisch verwerflicher Handlungen wie Rechtsverletzungen in Betracht. Die Äusserung muss dabei lediglich geeignet sein, eine Rufminderung herbeizuführen (BGE 103 IV 22), ohne dass ein tatsächlicher Nachweis der Rufbeeinträchtigung erforderlich wäre. Sofern also ein Unternehmen beispielsweise in einem Internetforum oder auf Facebook als Abzocker oder Ausbeuter bezeichnet wird, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Einreichung einer Strafanzeige zur Identifikation des «Täters» und zu einer Verurteilung führt.
Aufbauend darauf wäre schliesslich auch ein privatrechtliches Vorgehen gegen den Täter und allenfalls die Forderung von Schadenersatz möglich, wobei der Nachweis eines Schadens bei Ehrverletzungen oftmals schwer zu erbringen ist. Im Vordergrund steht dabei der Persönlichkeitsschutz nach Art. 28 ff. ZGB. In einem Leitentscheid aus dem Jahre 1969 (BGE 95 II 481) hat das Bundesgericht auch die «Ehrenfähigkeit» von Unternehmen anerkannt, indem es festgehalten hat, dass «die juristische Person, will sie sich in ihrer Umwelt behaupten, auf die Achtung ihrer Individualität und des Bildes, mit dem sie an die Öffentlichkeit tritt, angewiesen» ist. Ob eine Ehrverletzung vorliegt ist aus einer objektiven Sichtweise zu beurteilen und nicht aus Sicht des betroffenen Unternehmens. Erforderlich ist jedenfalls eine gewisse Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit. Unzulässig ist die Ehrverletzung jedoch nur dann, wenn keine höheren Interessen vorliegen, die das Interesse des betroffenen Unternehmens am Schutz seiner Ehre überwiegen und den Eingriff somit rechtfertigen würden.
Darüber hinaus wird der Ruf eines Unternehmens auch durch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geschützt. Unlautere Wettbewerbshandlungen können nicht nur von Wettbewerbern, sondern auch von Aussenstehenden (z.B. Journalisten) begangen werden. Für die Anwendbarkeit des UWG ist aber stets erforderlich, dass es sich um ein Verhalten handelt, das objektiv dazu geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinflussen, d.h. Handlungen, die den Erfolg von Unternehmen verbessern oder mindern sollen oder objektiv dazu geeignet sind (vgl. BGE 120 II 78). Beschimpft also eine Privatperson auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite, einem Internet-Forum oder auf einer privaten Website (Stichwort: «hate-sites») ein Unternehmen und besteht ein Bezug zu dessen wirtschaftlicher Tätigkeit, kann folglich auch das UWG zur Anwendung kommen. Nach Artikel 3 lit. a UWG handelt eine Person insbesondere unlauter, wenn sie Unternehmen, deren Produkte oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt.
In Bezug auf die Unterhaltung von Firmenprofilen auf Facebook oder auch auf den Betrieb eigener Websites ist schliesslich auch in Erinnerung zu rufen, dass das Unternehmen auch für Äusserungen eines Mitarbeiters zur Verantwortung gezogen werden kann. Dies kann auch der Fall sein für vermeintlich «private» Äusserungen, solange sie «in Ausübung einer geschäftlichen Verrichtung» erfolgen.
Weitere Informationen:
- BR-News: «Kann Google für persönlichkeitsverletzende «autocomplete»-Suchvorschläge belangt werden?»
- BR-News: «BGer: Strafbarkeit des Geschäftsführers einer Internetplattform»
- BR-News: «Quellenschutz für Blog-Kommentare: Keine Herausgabe von IP-Adressen bei Mindestinformationsgehalt»
- BR-News: «Google Places Profile – ein rechtsfreier Raum?»
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann