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BGer zu Basel Tattoo vs. SUISA – Wieso tanzende Musiker nicht das Gleiche sind wie musizierende Tänzer


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Das Schweizerische Bundesgericht hat im Entscheid vom 19. März 2014 eine Beschwerde auf Reduktion der Urheberrechtsentschädigungen, die für die Aufführungen an der Musikveranstaltung Basel Tattoo anfallen, als unbegründet abgewiesen. Vorgängig hatte das Appellationsgericht des Kantons Basel in einem Streit über Urheberrechtsentschädigungen zwischen der Basel Tattoo Porducions GmbH und der schweizerischen Verwertungsgesellschaft für Musik SUISA zugunsten der letzteren entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Tarifreduktion nach der Ziffer 15 des gemeinsamen Tarifs K/ Ka nicht gegeben sind.

Ausgangslage

Die Basel Tattoo Productions GmbH verlangte im Anschluss vom Bundesgericht die Feststellung ihres Anspruchs auf einen reduzierten Tarif. Die Organisatoren des jährlich in Basel stattfindenden Militärmusikfestivals sind der Meinung, dass diese Tarifbestimmung, die eine Halbierung des Tarifs vorsieht, wenn bei einer Darbietung die Musik neben anderen urheberrechtlich geschützten Werken nur eine untergeordnete Rolle einnimmt, auf ihre Veranstaltung zutrifft. Die von der SUISA vertretene, entgegenstehende Ansicht hingegen, würde mit dem Erfordernis der Angemessenheit von Tarifen in Art. 60 URG nicht vereinbar sein. Das Bundesgericht nimmt sich diesen Zweifeln in einer ausführlichen Betrachtung an. Dabei klärt es die Frage, ob die Angemessenheit eines Tarifs im Einzelfall und nachdem der Tarif gültig erlassen wurde, gestützt auf Art. 60 UGR geprüft werden kann. Weiter lässt es das oberste Gericht nicht aus, sich zur Werkeigenschaft choreographischer Werke und insbesondere der Veranstaltung Tattoo Basel und ihrer einzelnen Bestandteile zu äussern.

Angemessenheitskontrolle der von der SUISA verwendeten Tarife?

Die Basel Tattoo Productions GmbH stellt sich vor Bundesgericht auf den Standpunkt, das vorinstanzliche Gericht habe zu Unrecht nicht geprüft, ob der angewendete Tarif K / Ka für Grosskonzerte und konzertähnliche Darbietungen angemessen sei. Die Angemessenheit des Tarifes soll ihrem Begehren nach im spezifischen Einzelfall überprüft werden. Nach Art 59 Abs. 3 URG sind aber genehmigte Tarife für die Gerichte verbindlich. Es stellt sich hier also die Frage, ob ein Zivilgericht einen rechtskräftig genehmigten Tarif überhaupt auf seine Angemessenheit überprüfen darf.

Um dies zu beantworten lohnt es sich, einen Blick auf den Entstehungsprozess eines Tarifs zu werfen. Für die Genehmigung der von der SUISA angewendeten Tarife ist die Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (EschK) zuständig. Nachdem die SUISA und die massgebenden Nutzerverbände, d.h. jene, die vom Tarif zukünftig betroffenen sind, über den möglichen Tarif verhandelt haben, wird dieser zur Genehmigung der EschK vorgelegt. Die Schiedskommission wiederum überprüft den Tarif auf seine Struktur und klärt ab, ob die einzelnen Tarifbestimmungen angemessen sind. Im Anschluss wird sie den Tarif veröffentlichen. Dieser Tarifgenehmigungsbeschluss steht der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vor dem Bundesgericht offen, wo dann auch die Angemessenheitsprüfung noch verlangt werden kann. Ist der Tarif erst einmal genehmigt, und allenfalls vom Bundesgericht bestätig, so ist er gültig und anzuwenden. Im Sinne der Rechtssicherheit kann gesagt werden, dass die Angemessenheitsprüfung nur im Genehmigungsverfahren stattfinden kann. Anderenfalls könnte jeder Werknutzer der die geschuldeten Urheberrechtsentschädigungen nicht bezahlen will, die fraglichen Tarife im Zivilprozess aufs Neue in Frage stellen – der Tarif würde seine Verbindlichkeit und damit seine Funktion verlieren.

Die Angemessenheit des Tarifs nach Art. 60 lit. c URG

Die Tattoo Basel Productions GmbH bringt sodann hervor, dass Ziffer 15 von Tarif K/Ka nicht mit dem Grundsatz der Angemessenheit von Art. 60 lit. c URG vereinbar ist. Ziffer 15 des Tarifs besagt, dass bei konzertähnlichen Darbietungen der Prozentsatz halbiert wird, wenn

  • die konzertähnlichen Darbietungen aus einer gleichzeitigen Aufführung von Musik und anderen urheberrechtlich geschützten Werken bestehen
  • und der Musik nur eine untergeordnete Rolle zukommt.

Die Bestimmung in Art. 60 lit. c URG verlangt im Gegenzug, dass bei der Feststellung der Entschädigung zu berücksichtigen ist,

  • in welchem Verhältnis die geschützten Werke zu den ungeschützten Werken, Darbietungen, Ton- oder Tonbildträger oder Sendungen und anderen Leistungen stehen.

Wie schon weiter oben beschrieben, dienen die in Art. 60 URG aufgestellten Angemessenheitskriterien der Festlegung der Tarife und allenfalls deren verwaltungsrechtlichen Überprüfung. Es kann, schon aufgrund der Rechtssicherheit, kein individueller Anspruch daraus abgeleitet werden. Laut Bundesgericht liegt die Tattoo Basel Productions GmbH mit ihrer Forderung, die Tarifreduktion nach Ziffer 15 sei auch dann zu gewähren, wenn die gleichzeitig mit der Musik erbrachten Leistungen keinen urheberrechtlichen Schutz geniessen im Unrecht.

Ballettregel vs. Pro-rata-temporis-Regel

Um in der Sache Klarheit zu schaffen geht das Bundesgericht in seinen weiteren Ausführungen genauer auf den Inhalt von Ziffer 15 ein. Es handelt sich dabei nämlich um eine Konkretisierung der sog. Ballettregel. Hiernach wird die Urheberrechtsentschädigung anteilsmässig reduziert, falls neben den kollektiv verwerteten Werken, gleichzeitig andere geschützte Werke dargeboten werden. Bei einem Ballettstück beispielsweise ist neben der Musik auch die Choreographie zu berücksichtigen. Der Zweck dieser Regel liegt gerade darin, mit Rücksicht auf andere Urheberrechte, den Tarif zu reduzieren, um für eine Entschädigung von tariflich nicht erfassten aber dennoch urheberrechtlich geschützten Darbietungen Raum zu schaffen. Umgekehrt ist daraus zu schliessen, dass wenn keine anderen Schutzberechtigten vorhanden sind, eine Reduktion des Tarifs ausser Betracht fällt.

Dagegen beinhaltet Art. 60 lit.c URG eine andere Regel. Diese bezweckt namentlich, dass die Entschädigung einer Veranstaltung, die sich aus geschützten und nicht geschützten Werken zusammenstellt, um den Anteil der nicht geschützten Werke an der Gesamtdauer reduziert wird. Kurz gesagt handelt es sich um eine zeitanteilige Reduktion oder um die sog. Pro-rata-temporis-Regel.

Die Vorinstanz hat die Pro-rata-temporis-Regel beachtet, indem sie die von der Tattoo Basel Productions GmbH zu leistenden Entschädigungen um den Anteil der nicht geschützten Werke an der Gesamtdauer der Darbietung reduziert hat. Das Bundesgericht klärt in seinen weiteren Ausführungen ab, ob am Basel Tattoo neben der Musik allenfalls noch andere geschützten Werke vorhanden sind und somit eine Reduktion aufgrund der Ballettregel in Frage käme.

Tattoo Basel als Ganzes ein geschütztes Werk?

Nach Art. 2 Abs. 1 URG sind Werke, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die einen individuellen Charakter haben. Der individuelle Charakter muss im Werk selbst zum Ausdruck kommen – die Werks-Individualität ist ausschlaggebend, nicht die Urheber-Individualität.

Fraglich ist nunmehr, ob die gesamte Veranstaltung Basel Tattoo als urheberrechtlich geschütztes Bühnenwerk zu qualifizieren ist. Ins Zentrum der Betrachtung rückt die Gesamtveranstaltung im Lichte des Urheberrechtsschutzes. Wenn nämlich ein schützenswertes Gesamtwerk vorläge, dann könnte die Tattoo Basel Productions GmbH, der Ballettregel folgend, eine Halbierung des Tarifs nach der Ziffer 15 des Tarifs K/Ka verlangen. Es stehen die folgenden drei Wege offen, der Veranstaltung Basel Tattoo, neben der ohnehin geschützten Musik, urheberrechtlichen Schutz als gesamtes Bühnenwerk zuzusprechen. Das Bundesgericht verneint alle drei, weil:

  • eine Gesamtproduktion nur dann Werkcharakter erhält, wenn darin eine geistige Schöpfung der Kunst zu finden ist und der individuelle Charakter des Ganzen die einzelnen Nummern überlagert. Dies ist bei der Tattoo Basel nicht der Fall. Der Verlauf der Veranstaltung folgt einem Rezept, das für Publikumsveranstaltungen üblich ist.
  • Allenfalls käme ein Schutz als Sammelwerk nach Art. 4 Abs. 1 URG in Betracht, immerhin könnte die Basel Tattoo als Sammlung verschiedener Darbietungen betrachtet werden. Der Schutzumfang bei Sammelwerken bezieht sich jedoch nur auf die Zusammenstellung und nicht auf die einzelnen Werke. So könnte hier im Hinblick auf eine Tarifreduktion sowieso nichts gewonnen werden.
  • Als letzte Möglichkeit könnte ein urheberrechtlich geschütztes Regiekonzept vorliegen. Da die von der Basel Tattoo Productions GmbH eingereichten Unterlagen aber hauptsächlich logistische Anweisungen für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung enthalten, kann nicht von Drehbüchern bzw. einem urheberrechtlich geschützten Regiekonzept die Rede sein.

Urheberrechtsschutz für die einzelnen Darbietungen?

Nachdem der Gesamtveranstaltung ein urheberrechtlicher Schutz abgesprochen wurde, bleibt der Basel Tattoo noch eine letzte Möglichkeit, eine Tarifreduktion nach Ziffer 15 zu erlangen. Wenn etwa die einzelnen Darbietungen als choreographische Werke mit eigenem Schutzanspruch einzustufen sind, müsste der Tarif reduziert werden, da der Musik lediglich die Funktion der (untergeordneten) Bühnenmusik zukommt.

Fazit: Tanzende Musiker statt musizierende Tänzer

Der Tarif kann reduziert werden, aber nicht über die Angemessenheitsprüfung, sondern beispielsweise über die die pro-rata-temporis-Regel oder die Ballettregel. Voraussetzung für erstere ist, dass neben den geschützten Werken auch andere nicht geschützte Werke aufgeführt werden. Die Gesamtzeit der Aufführung wird sodann um den Anteil der nicht geschützten Werke gekürzt, womit die Urheberrechtsentschädigung nur noch für die geschützten Werke geschuldet ist. Die Ballettregel wird nur dann angewendet, wenn wie in einem Ballettstück neben der geschützten Musik noch bspw. das choreographische Werk geschützt ist. Hier steht die faire Verteilung der Urheberrechtsentschädigungen auf alle Werke mit Schutzanspruch im Zentrum. Das Bundesgericht hat festgestellt, dass die pro-rata-temporis-Regel von der Vorinstanz beachtet und die Entschädigungen entsprechende angepasst wurden. Für eine Anwendung der Ballettregel sieht das Bundesgericht jedoch keinen Platz, das Basel Tattoo sei ein Fest tanzender Musiker und nicht musizierender Tänzer – neben der Musik als geschütztes Werk seinen keine andere choreographischen Werke bei der Entschädigung zu berücksichtigen.

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