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Das Bundesgericht hat entschieden, dass die Publikation einer Gegendarstellung im Leserbriefteil eines Mediums die Anforderungen an das Gegendarstellungsrecht nicht erfüllt, wenn der beanstandete Artikel in einer anderen Rubrik erschienen ist. Das Gericht hatte sich in den Verfahren 5A_275/2011 und 5A_276/2011 mit Beschwerden der Konsumentenmagazine „K-Tipp“ und „Bon à savoir“ zu beschäftigen. Diese wehrten sich gegen Verfügungen des Kantonsgerichts Graubünden, welche die beiden Magazine verpflichteten, eine Gegendarstellung zu publizieren. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Gegendarstellungen in denselben Rubriken hätten veröffentlicht werden müssen, in der auch die beanstandeten Artikel erschienen seien. Dies sei lediglich in der Online-Ausgabe des «Bon à savoir»-Artikels erfolgt. In diesem Punkt wurde die Beschwerde des Herausgebers von «Bon à savoir» gutgeheissen, im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen.
Der Sachverhalt kann wie folgt zusammengefasst werden: In zwei jeweils in den Druckausgaben und im Internet veröffentlichten Artikeln der Konsumentenmagazine (Beschwerdeführer) über die Zufriedenheit der Versicherten wurde die Krankenversicherung „Sympany/ÖKK“ als grösste Absteigerin bezeichnet. Aufgrund dieser Darstellung verlangte die ÖKK eine Gegendarstellung, aus welcher ersichtlich ist, dass es sich bei ÖKK und Sympany um zwei unabhängige Versicherungsunternehmen handle und die Umfrageergebnisse deshalb nicht zutreffend seien. Die Konsumentenmagazine lehnten die Gegendarstellungen ab und boten ÖKK stattdessen an, eine von der Redaktion formulierte Präzisierung abzudrucken. Dies wiederum wurde von der ÖKK abgelehnt. Die Magazine druckten die „Präzisierungen der Redaktion“ trotzdem ab, jeweils in der Leserbriefrubrik. Online wurden die Berichtigungen in den Kommentaren zum beanstandeten Artikel (K-Tipp) bzw. direkt unter dem beanstandeten Artikel (Bon à savoir) veröffentlicht. Die ÖKK jedoch beharrte weiter auf der Veröffentlichung ihrer Gegendarstellungen. Sie gelangte deshalb an das zuständige Bezirksgericht und beantragte die gerichtliche Anordnung ihrer Gegendarstellungen. Das Bezirksgericht verpflichtete die Magazine zur Publikation der Gegendarstellungen. Gegen diese Anordnungen rekurrierten die Magazine an das Kantonsgericht Graubünden, welches die Rekurse abwies und die Urteile des Bezirksgericht bestätigte. Diese Urteile zogen die Magazine mit Beschwerde an das Bundesgericht weiter. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass die ÖKK aufgrund der von den jeweiligen Redaktionen veröffentlichen Präzisierungen bzw. Berichtigungen ihren Gegendarstellungsanspruch verloren habe. Das Bundesgericht hat diese Beschwerden aufgrund der fast identischen Sachverhalte am 8. August 2011 in einem einzigen Urteil behandelt.
Das Bundesgericht hatte sich somit mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die publizierten Berichtigungen bzw. Präzisierungen den Anforderungen an das Gegendarstellungsrecht (Art. 28g ff. ZGB) genügten und die ÖKK deshalb kein Recht auf Gegendarstellung mehr hatte.
Als erstes überprüfte das Gericht, ob die publizierten Präzisierungen fristgerecht veröffentlicht wurden (Art. 28k Abs. 1 ZGB: „sobald als möglich“). Diese Voraussetzungen seinen zweifellos erfüllt, da die Berichtigungen jeweils in der nächstfolgenden gedruckten Ausgabe der Magazine veröffentlicht wurden.
Als nächstes stellte sich die Frage, ob die Veröffentlichung der Berichtigung auf der Leserbriefseite den Anforderungen an das Gegendarstellungsrecht genüge (Art. 28k Abs. 1 ZGB: „so, dass sie den gleichen Personenkreis wie die beanstandete Tatsachendarstellung erreicht“). Der beanstandete Artikel wurde als Sachthema veröffentlicht, die Gegendarstellung als Leserbrief. Das Gericht hielt dazu fest, dass die Veröffentlichung der Gegendarstellung grundsätzlich in der gleichen Rubrik wie der beanstandete Artikel zu erfolgen hat. Dies gelte gerade deshalb, weil die Leser sachbezogene Berichtigungen eher in derjenigen Rubrik suchen, in welcher auch der ursprüngliche Artikel veröffentlicht wurde und nicht in einer Rubrik, in welcher die Leser ihre subjektiven Meinungen und Erfahrungen verbreiten würden. Dies gelte unabhängig davon, ob die Leserbriefe zu den meistgelesenen Rubriken zählen würden. Es gehe nicht darum, den grösstmöglichen Personenkreis zu erreichen. Entscheidend sei einzig, dass mit der Berichtigung diejenigen Personen erreicht würden, welche auch die beanstandete Tatsachendarstellung gelesen hätten. Das Gericht stellte deshalb fest, dass die Veröffentlichung in der Leserbriefrubrik der gedruckten Ausgaben den Anspruch auf Gegendarstellung nicht erfülle. Eine inhaltliche Prüfung der Präzisierungen nahm das Gericht deshalb nicht mehr vor.
Anschliessend prüfte das Gericht, ob die Berichtigungen in den Online-Ausgaben der Magazine die Anforderungen an die Gegendarstellung erfüllten. Auf www.k-tipp.ch wurde die Berichtigung in der Kommentarrubrik zum beanstandeten Artikel veröffentlicht. Da diese Rubrik mit einer Leserbriefrubrik vergleichbar sei, genüge diese Art der Veröffentlichung den Anforderungen an das Gegendarstellungsrecht aus den genannten Gründen ebenfalls nicht. Auf www.bonasavoir.ch wurde die Berichtigung hingegen direkt unter dem beanstandeten Artikel publiziert. Dies genügt gemäss Bundesgericht den Anforderungen. Die Gegendarstellung sei in Bezug auf die Veröffentlichung im Online-Magazin www.bonasavoir.ch somit an der richtigen Stelle und im von der ÖKK inhaltlich geforderten Umfang erfolgt, womit diese keinen Anspruch auf Gegendarstellung mehr habe. Aus diesem Grund hiess das Bundesgericht die Beschwerde in diesem Punkt gut. Im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen.
Weitere Informationen:
- Urteil in den Verfahren 5A_275/2011 und 5A_276/2011
- Update: Das Urteil wurde unter der Referenz BGE 137 III 433 in der amtlichen Sammlung publiziert
- Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB) (Gegendarstellungsrecht: Art. 28g-28l)
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Ansprechpartner: Lukas Bühlmann