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Für den Schutz eines Designs verlangt das Schweizer Recht primär, dass es neu ist und Eigenart aufweist. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann ein bereits eingetragenes Design von einem Richter für nichtig erklärt werden. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass ein eingetragenes Design auch dann ungültig sein kann, wenn ein anderes Design, das den gleichen Gesamteindruck erweckt, bereits vorher beim Institut für geistiges Eigentum (IGE) hinterlegt wurde, aber dessen Eintragung und Veröffentlichung noch nicht erfolgt sind. Dies wird aus dem Grundsatz der sog. Hinterlegungspriorität abgeleitet, welcher besagt, dass das Designrecht demjenigen zusteht, der das Design zuerst hinterlegt hat. Somit ist es gemäss Bundesgericht unmassgeblich, ob das ältere Design – mangels Veröffentlichung – dem Hinterleger des neueren Designs überhaupt bekannt sein konnte oder nicht. Entsprechende Fallkonstellationen können sich vor allem dann ergeben, wenn nach der Hinterlegung, bspw. weil die Vermarktung des Produkts noch gar nicht begonnen hat, ein Aufschub der Veröffentlichung von max. 30 Monaten beantragt wird. Das Urteil des Bundesgerichts schafft diesbezüglich mehr Klarheit und bestätigt die herrschende Auffassung in der Lehre.
Sachverhalt
Dem Urteil des Bundesgerichts vom 8. Juni 2012 (4A_139/2012) lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine Uhrenherstellerin hat im Januar 2005 ein Design hinterlegt, welches im März 2005 in das Designregister eingetragen und veröffentlicht wurde. Im Jahre 2008 stellte das Unternehmen fest, dass eine Konkurrentin ein ähnliches Uhrenmodell lanciert hat.
Mit einer Unterlassungsklage wollte die Designinhaberin den Weiterverkauf des Modells verbieten. Im Gegenzug machte die Konkurrentin u.a. geltend, dass das Design der Klägerin nichtig sei. Sie stützte sich dabei auf ein Design eines dritten Unternehmens, welches bereits im November 2004 hinterlegt, jedoch erst im Februar 2005 eingetragen und veröffentlicht wurde. Das Kantonsgericht Neuenburg bestätigte in der Folge diese Ansicht und erklärte das Design, auf welches die Klage gestützt wurde, für nichtig. Die Uhrenherstellerin verlangte vor Bundesgericht schliesslich die Aufhebung dieses Urteil.
Urteil des Bundesgerichts
Das Bundesgericht weist in seinem Urteil einleitend darauf hin, dass eingetragene Designs grundsätzlich als der „Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ betrachtet werden. Ähnlichen Designs, welche später hinterlegt werden, fehle somit die Neuheit im Sinne von Art. 2 des Designgesetzes (DesG), weshalb ein Schutz ausgeschlossen ist.
Der zu beurteilende Fall unterscheidet sich jedoch von dieser Situation. Denn das Design der Klägerin wurde zwar vorher im Register eingetragen, die Hinterlegung erfolgte jedoch später als diejenige des Designs des dritten Unternehmens. Die Kläger vertraten die Auffassung, dass ein Design, welches bloss hinterlegt, aber noch nicht im Register eingetragen ist, den beteiligten Verkehrskreisen in der Schweiz noch nicht bekannt sein kann und somit nicht zum „Stand des Designs“ gehört, der für die Beurteilung der „Neuheit“ eines Designs massgebend ist. Da folglich keiner der Gründe von Art. 4 DesG, welcher zur Ungültigkeit eines eingetragenen Designs führen kann, vorliege, müsse das Design geschützt sein.
Das Bundesgericht widersprach dieser Auffassung. Es wird festgehalten, dass die in Art. 4 DesG aufgeführten Ungültigkeitsgründe nicht abschliessend sind und ein eingetragenes Design auch gestützt auf Art. 6 DesG für nichtig erklärt werden kann. In dieser Bestimmung wird der Grundsatz der sog. Hinterlegungspriorität festgehalten. Danach steht das Designrecht demjenigen zu, der das Design zuerst hinterlegt hat. Gemäss Bundesgericht kann sich somit ein späterer Hinterleger logischerweise nicht auf das Recht an diesem Design berufen.
Dieser Ungültigkeitsgrund ist laut Bundesgericht unabhängig von der Beurteilung der Neuheit oder Eigenart eines Designs (Art. 2 DesG) und damit auch von der Frage, ob eine „neuheitsschädiche Offenbarung“ (im vorliegenden Fall die Eintragung ins Register) erfolgt ist oder nicht. Anders als im Patentrecht (Art. 7 Abs. 3 PatG) fehle im Designgesetz ferner auch eine Bestimmung, die festhalte, dass der für die Beurteilung der Neuheit massgebende „Stand des Designs“ auch Designs umfasse, die vorher hinterlegt, aber noch nicht veröffentlicht bzw. eingetragen wurden.
Auch wenn die vorliegende Fallkonstellation vor allem anzutreffen sein dürfte, wenn bei der Hinterlegung ein Aufschub der Veröffentlichung des Designs für max. 30 Monate (vgl. Art. 26 DesG) verlangt wird, geht aus dem Urteil hervor, dass die Ungültigkeit gestützt auf die Hinterlegungspriorität auch ohne einen solchen Aufschub eintreffen kann. Darüber hinaus stellt das Bundesgericht klar, dass das später hinterlegte Design nicht nur dann nichtig ist, wenn es mit dem vorher hinterlegten identisch ist, sondern auch dann, wenn es in dem Sinne ähnlich ist, dass es den gleichen Gesamteindruck erweckt.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht das Urteil des Kantonsgerichts Neuenburg bestätigt. Das Design der Klägerin ist somit definitiv nichtig. Der Entscheid zeigt einmal mehr, dass die blosse Eintragung im Designregister keine Gewähr für die Gültigkeit eines Designs bietet. In einem zivilrechtlichen Verfahren kann auch ein eingetragenes Design für ungültig erklärt werden, wenn die Schutzvoraussetzungen nicht erfüllt sind oder ein Design, das den gleichen Gesamteindruck erweckt, bereits vorher hinterlegt worden ist.
Weitere Informationen:
- BR-News: „EuG: Nur sichtbare wesentliche Teile eines Designs beeinflussen den Gesamteindruck“
- BR-News: „EU-Designrecht: EuGH definiert erstmals den «informierten Benutzer»“
- BR-News: „EU: Kein designrechtlicher Schutz für den New-Beetle der 2. Generation von VW“
Ansprechpartner: Adrian Süess