BGer: Preisbekanntgabevorschriften für Mehrwertdienste gelten für alle kostenpflichtigen Dienstleistungen, die über Fernmeldedienste erbracht werden


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Das Schweizer Recht sieht vor, dass die Anrufer bei so genannten Mehrwertdiensten über die Grundgebühr und den Minutenansatz informiert werden müssen. Vor kurzem hatte sich das Bundesgericht mit einem Fall zu befassen, in welchem diese Preisbekanntgabe nicht korrekt bzw. gar nicht erfolgte. Die Geschäftsführer einer GmbH, welche telefonische Dienstleistungen erbrachte und diese den Kunden direkt in Rechnung stellte, wurden deshalb von den kantonalen Gerichten zu hohen Bussen verurteilt. Die Beschuldigten erhoben dagegen Beschwerde ans Bundesgericht. Sie stellten sich auf den Standpunkt, dass die massgebenden Bestimmungen der Preisbekanntgabeverordnung vorliegend nicht abwendbar seien, da die Dienstleistungen nicht durch eine Fernmeldediensteanbieterin in Rechnung gestellt und damit die Definition eines Mehrwertdienstes nicht erfüllt sei. Das Bundesgericht wies diese Argumentation allerdings zurück. Aus dem Verordnungstext und den Materialien ergebe sich zweifellos, dass die Definition von Mehrwertdiensten in der Preisbekanntgabeverordnung nicht mit derjenigen des Fermelderechts übereinstimme. Die Preisbekanntgabebestimmungen würden für alle kostenpflichtigen Dienstleistungen gelten, die über Fernmeldedienste erbracht werden

unabhängig davon, durch wen und wie diese verrechnet werden.

Unrichtige bzw. fehlende Preisbekanntgabe bei Telefonhotline

Die schweizerische Preisbekanntgabeverordnung schreibt vor, dass einem Anrufer bei telefonischen Mehrwertdiensten grundsätzlich zwingend die Grundgebühr und der Preis pro Minute bekannt gegeben werden müssen. Kommt ein anderer Tarifablauf (z.B. Preis pro Anruf) zur Anwendung, so muss dies unmissverständlich kommuniziert werden.

Vor diesem Hintergrund hatte sich das Bundesgericht vor kurzem mit dem folgenden Fall zu befassen: Ab August 2007 schalteten die zwei Geschäftsführer der A GmbH in diversen Medien Inserate für eine Telefonhotline. Die A GmbH bot ihre Dienstleistungen über geografische Rufnummern (z.B. 043 500 xx xx) an und nicht über Mehrwertdienstnummern (z.B. 0900 xxx xxx). Bis Anfang 2008 gab eine Tonbandansage dem Anrufer bekannt, welcher Preis für die Benutzung der Hotline verrechnet wird. Diese Angabe war allerdings nicht korrekt. Durch Drücken einer Taste ging der jeweilige Anrufer einen Vertrag mit der A GmbH ein. Ab Anfang 2008 enthielt die Tonbandansage keine Preisangabe mehr und der Vertrag mit der A GmbH kam zustande, sofern der Anrufer nach dem Ende der Tonbandansage noch an der Leitung blieb. Das Drücken einer speziellen Taste war nicht mehr notwendig. Die A GmbH stellte den Anrufern daraufhin eine Monatspauschale sowie die üblichen für die Verbindungen entstandenen Kosten in Rechnung.

Verurteilung wegen UWG/PBV-Verstoss

Im März 2011 wurden die beiden Geschäftsführer einer Übertretung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schuldig gesprochen. Sie hätten mehrfach gegen die Preisbekanntgabeverordnung (PBV) und damit gegen Art. 24 UWG verstossen. Das zuständige Kreisgericht verurteilte sie zu Bussen von 6‘000 bzw. 12‘000 Franken. Vom Vorwurf des Betrugs hingegen wurden sie freigesprochen. Die gegen diese Urteile gerichteten Berufungen wies das zuständige Kantonsgericht ab, woraufhin die beiden an das Bundesgericht gelangten.

Frage: Sind die verletzten PBV-Bestimmungen anwendbar?

Streitig war in erster Linie, ob die verletzten Preisbekanntgabebestimmungen überhaupt anwendbar waren. Betroffen waren die Art. 11a, 11b und 13a PBV. Die Beschuldigten bestritten deren Anwendbarkeit mit dem Argument, dass diese nur zur Anwendung kommen können, wenn die Fernmeldedienstanbieterin die Dienstleistungen direkt in Rechnung stellt. Es sei auf die Definition der Mehrwertdienste in der Verordnung über Fernmeldedienste (FDV) abzustellen, welche besagt, dass Mehrwertdienste Dienstleistungen sind, die über einen Fernmeldedienst erbracht und von einer Anbieterin von Fernmeldediensten zusätzlich zu Fernmeldediensten in Rechnung gestellt werden (Art. 1 lit. c FDV). Vorliegend habe aber nicht die Fernmeldedienstanbieterin, sondern die A GmbH die Dienstleistungen verrechnet, weshalb kein Mehrwertdienst vorliege und die angeblich verletzten Vorschriften der Preisbekanntgabeverordnung folglich gar nicht anwendbar seien.

„Mehrwertdienste“: Definition in PBV ≠ Definition in FDV

Das Bundesgericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Dass die PBV auch Dienstleistungen erfasse, die durch Dritte in Rechnung gestellt werden, ergebe sich zum einen bereits aus dem Verordnungstext. Denn in Art. 10 Abs. 1 lit. q PBV sei ausdrücklich festgehalten, dass die Preisbekanntgabepflicht für alle Dienstleistungen gilt, die über Fernmeldedienste erbracht oder angeboten werden, unabhängig davon, ob sie von einer Anbieterin von Fernmeldediensten verrechnet werden. Zum anderen liessen aber auch die Materialien, konkret der erläuternde Bericht des UVEK zur Revision der Ausführungsbestimmungen zum Fernmeldegesetz, keinen anderen Schluss zu. Aus dem Bericht ergebe sich eindeutig, dass die Definition von Mehrwertdiensten in der FDV eingeschränkter sei als die Definition in der PBV. Die PBV erfasse auch Dienste, die nicht durch die Fernmeldedienstanbieter in Rechnung gestellt würden, denn die Regeln zur Preisangabe und zur Annahme des Angebots nach Preisbekanntgabe sollen jeden per Telefon erbrachten Dienst erfassen, nicht nur diejenigen, die durch die Feldmeldedienstanbieter verrechnet würden. Die Preisbekanntgabeverordnung gelte deshalb für jede kostenpflichtige Telefondienstleistung, unabhängig davon, wer diese in Rechnung stelle. Im Gegensatz dazu seien die Regeln, die das Fernmelderecht für Mehrwertdienste vorsehe, nur nötig und sinnvoll, weil diese Mehrwertdienste im Zusammenhang mit Fernmeldediensten, also über die Telefonrechnung, bezahlt würden. Zu diesen Regeln zählen beispielsweise Preisobergrenzen, Sperrmöglichkeiten für Kunden oder das Verbot der Kündigung von Fernmeldediensten bei Nichtbezahlung von Mehrwertdiensten.

PBV anwendbar und verletzt: Verurteilung bestätigt

Das Bundesgericht kam schliesslich zum Ergebnis, dass die massgebenden Bestimmungen der PBV anwendbar und damit auch verletzt waren. Da die beiden Geschäftsführer im Beschwerdeverfahren keine weiteren Einwände gegen den Schuldspruch des Kantonsgerichts vorbrachten, bestätige das Bundesgericht deren Verurteilung.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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