BGer: Private Fernsehsender dürfen einseitig berichten


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Das Bundesgericht hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden, dass nicht konzessionierte Fernsehsender nicht verpflichtet sind, vor Wahlen und Abstimmungen völlig neutral zu berichten. Nach Ansicht des Gerichts ist solchen Sendern eine gewisse Einseitigkeit erlaubt, solange ihre Beiträge nicht in politische Propaganda ausarten und das Sachgerechtigkeitsgebot eingehalten wird. Nur die konzessionierten Veranstalter («Service-Public-Programme») seien an das Vielfaltsgebot gebunden und deshalb zur neutralen Darstellung aller Ansichten verpflichtet.

In dem zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil (2C_880/2010) hat das Bundesgericht entschieden, dass einseitige Stellungnahmen im Vorfeld von Wahlen oder Abstimmungen auf privaten, nicht konzessionierten Fernsehsendern zulässig sind, sofern nicht manipulativ berichtet oder politische Propaganda betrieben wird. Ihre Beiträge müssten sachgerecht bleiben und die Meinungsbildung des Publikums ermöglichen, wobei die Beurteilungskriterien weniger streng seien als die Anforderungen für die Veranstalter von Service-public-Programmen.

Konkret hatte es einen Beitrag in der Sendung «Cash TV» des privaten Fernsehsenders Presse TV zu beurteilen. Dieser hatte im Vorfeld der Abstimmung über die Änderung des BVG-Mindestumwandlungssatzes ein Interview ausgestrahlt, in welchem dem Vertreter eines Pensionskassenunternehmens die Gelegenheit zur Stellungnahme zur Vorlage gegeben wurde. Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hatte eine gegen diesen Beitrag erhobene Beschwerde im August 2010 gutgeheissen und festgestellt, dass der Beitrag das Sachgerechtigkeitsgebot (Art. 4 Abs. 2 RTVG) verletzt habe, da die unterschiedlichen Standpunkte von Befürwortern und Gegnern der Vorlage nicht in gleichberechtigter Weise zum Ausdruck gekommen seien. Gegen diesen Entscheid erhob Presse TV Beschwerde ans Bundesgericht, welches den Entscheid mit Urteil vom 18. November 2011 wieder aufgehoben hat.

Das Bundesgericht hält insbesondere fest, dass nur konzessionierte Rundfunkveranstalter das Vielfaltsgebot (Art. 4 Abs. 4 RTVG) zu beachten hätten, nicht jedoch private, nicht konzessionierte Veranstalter. Es seien mit anderen Worten nur die konzessionierten Programme verpflichtet, die Vielfalt der Ansichten neutral darzustellen. Die Ausgewogenheit der Berichterstattung von Wahl- und Abstimmungssendungen müsse bei nicht konzessionierten Veranstaltern deshalb ausschliesslich aufgrund des Sachgerechtigkeitsgebots beurteilt werden. Solche Veranstalter seien in ihrer Programmgestaltung freier als konzessionierte. Insbesondere dürften sie auch einseitig Stellung nehmen, solange eine solche Einseitigkeit nicht eine manipulative Berichterstattung oder politische Propaganda darstellt. Die Anforderungen an eine Einschränkung der Programmfreiheit (Art. 10 EMRK) seien bei privaten, nicht konzessionierten Unternehmen entsprechend höher. Vor diesem Hintergrund beurteilte das Bundesgericht den Entscheid der UBI als zu streng und damit bundesrechtswidrig.

Im konkreten Fall wurde das Sachgerechtigkeitsgebot nach Ansicht des Bundesgerichts nicht verletzt, insbesondere weil der Interviewte mit einem Teil der Gegenargumenten konfrontiert wurde und der Moderator darauf hinwies, dass es sich um eine «heikle Vorlage» handle. Für die Zuschauer sei deshalb jederzeit erkennbar gewesen, dass unterschiedliche Standpunkte bestanden und diese seien zumindest teilweise zur Sprache gekommen. Aus diesem Grund hiess das Bundesgericht die Beschwerde von Presse TV gut und stellte fest, dass der umstrittene Beitrag die Anforderungen an die Sachgerechtigkeit eingehalten hatte.

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Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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