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Laut Bundesgericht kann ein Verkäufer, der auf Internetauktionsplattformen Waren anbietet und nicht liefert, obwohl der Käufer bereits bezahlt hat, nicht ohne weiteres wegen Betrugs verurteilt werden. Das Obligationenrecht (OR) stelle dem Käufer zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, auf Leistungsstörungen zu reagieren, weshalb es nicht sachgerecht sei, die Handlungen des Verkäufers strafrechtlich zu erfassen. Das Bundesgericht schliesst die Strafbarkeit eines fehlbaren Verkäufers allerdings nicht grundsätzlich aus: Fehlt dem Verkäufer bereits beim Vertragsschluss der Verkaufswille, ist die Strafbarkeit gegeben, sofern dieser fehlende Leistungswille bewiesen werden kann. Fällt eine Verurteilung wegen Betrugs ausser Betracht, können unter Umständen die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anwendbar sein.
Sachverhalt
Der dem Urteil (6B_663/2011) zugrunde liegende Fall spielte sich gemäss Anklageschrift wie folgt ab: Ein Verkäufer versteigerte über die Internetauktionsplattformen ricardo.ch und eBay Spielkonsolen, Mobiltelefone und Gartenmöbel. Da er die Waren gar nicht besass, konnte er diese trotz Vorauszahlung durch die Käufer nicht liefern. In gewissen Fällen sei eine Rückerstattung zwar erfolgt, dies aber erst nach erfolgten oder drohenden Strafanzeigen oder wenn sich die Käufer besonders hartnäckig verhalten hätten. Gemäss Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen erfüllte er dadurch den Tatbestand des gewerbsmässigen Betrugs (Art. 146 Abs. 2 StGB). Das Gericht verurteilte ihn deshalb zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten. Gegen dieses Urteil führte der Verkäufer Beschwerde und gelangte so ans Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde nun teilweise gut und wies die Sache zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurück.
Nicht jede Leistungsstörung begründet einen Vermögensschaden
Das Bundesgericht widersprach dem Kantonsgericht in der Auffassung, dass jede verzögerte Vertragserfüllung einen für die Verurteilung wegen Betrugs erforderlichen Vermögensschaden darstelle. Nach Ansicht des Bundesgerichts liegt somit namentlich auch dann kein Betrug vor, wenn die Verzögerung von vornherein feststand oder in Kauf genommen wurde. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass die Folgen von Leistungsstörungen bei Kaufverträgen in den Art. 102 ff. OR und Art. 190 ff. OR geregelt seien. Danach habe der Käufer den Verkäufer durch Mahnung in Verzug zu setzen (Art. 102 OR). Sei dies erfolgt, habe der Käufer bei Nichterfüllung innert der angesetzten Nachfrist die Wahl, ob er auf die Vertragserfüllung verzichten oder auf Erfüllung klagen will (Art. 107 Abs. 2 OR).
Da der Verkäufer auch noch nach der Vorauszahlung die Möglichkeit habe, sich die Ware zu beschaffen und zu liefern oder aber die Vorauszahlung des Käufers zurückzuerstatten, liege in solchen Fällen grundsätzlich weder eine Bereicherungsabsicht noch ein Vermögensschaden vor, weshalb eine Verurteilung wegen Betrugs nicht möglich sei. Nach Auffassung des Bundesgerichts wäre eine generelle Strafbarkeit von in Kauf genommenen Leistungsstörungen nicht sachgerecht, weil damit „eine übermässige Pönalisierung des Wirtschaftsverkehrs einherginge“, da Leistungsstörungen oftmals nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können.
Strafbarkeit bei fehlendem Leistungswillen gegeben
Des Betrugs strafbar mache sich der Verkäufer jedoch, wenn er im Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinen Leistungswillen habe und den vorausbezahlten Kaufpreis für sich behalten wolle. In solchen Fällen liege sowohl ein Vermögensschaden als auch eine Bereicherungsabsicht vor. Zudem stelle das Verhalten des Verkäufers nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung eine arglistige Täuschung dar (vgl. BGE 118 IV 359). Der fehlende Leistungswille müsse dem Verkäufer jedoch nachgewiesen werden können. In der verspäteten Vertragserfüllung allein liege weder ein Vermögensschaden noch eine Täuschung. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde in diesem Punkt gut, da das Kantonsgericht offen gelassen hatte, ob der Verkäufer die Käufer über seinen Verkaufswillen oder die Verfügbarkeit der Waren täuschte. Das Bundesgericht schloss eine Strafbarkeit des Verkäufers also nicht grundsätzlich aus, es kritisierte jedoch die ungenügende Sachverhaltsfeststellung und die Begründung des Kantonsgerichts. Dieses wird nun erneut den Sachverhalt feststellen und über die Strafbarkeit entscheiden müssen.
Auffangtatbestand im UWG
Das Bundesgericht hielt mit Verweis auf ein älteres Urteil fest, dass ein fehlbarer Verkäufer bei einer Täuschung über die Lieferbarkeit der Ware unter Umständen nach Art. 23 UWG i.V.m. Art. 3 lit. b UWG strafbar sei. Die dem Betrug ähnliche UWG-Strafbestimmung sei gewissermassen ein Auffangtatbestand, wenn eine Verurteilung wegen Betrugs oder Betrugsversuchs ausser Betracht falle, insbesondere weil kein Vermögensschaden entstand oder eine Täuschung nicht arglistig war.
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Ansprechpartner: Lukas Bühlmann