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Nach einem heute ergangenen Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) muss Google persönlichkeitsverletzende Suchvorschläge, die den Nutzern bei der Eingabe von Suchbegriffen automatisch angezeigt werden, entfernen, sobald das Unternehmen von der Persönlichkeitsrechtsverletzung erfährt. Im Unterschied zu anderen deutschen und Schweizer Gerichten hat der BGH in seinem grundlegenden Urteil nun für Deutschland höchstrichterlich entschieden, dass Persönlichkeitsrechte durch die automatisch generierten Suchvorschläge verletzt werden können. Allerdings muss Google künftig nicht generell und vorab rechtswidrige Suchvorschläge unterbinden. Nur wenn der Suchmaschinenbetreiber darauf hingewiesen wird, muss er die beanstandeten Vorschläge zukünftig verhindern. Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts erscheint es wahrscheinlich, dass das höchste Schweizer Gericht noch weiter gegangen wäre, da es für die Haftung von Host-Providern nicht einmal die Kenntnis eines unzulässigen Inhalts voraussetzt.
„Scientology“ und „Betrug“ als Suchvorschläge
Im zu beurteilenden Fall klagte ein Unternehmer gegen Google, weil bei der Eingabe seines Namens (R.S.) die Suchvorschläge „Betrug“ und „Scientology“ angezeigt wurden. Der Unternehmer sah darin eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Er stehe weder in irgendeinem Zusammenhang mit Scientology noch sei ihm ein Betrug vorzuwerfen. Deshalb verlangte der Unternehmer von Google die Unterlassung entsprechender Suchvorschläge und die Zahlung einer Entschädigung.
Erfolg von Google bei den Vorinstanzen und in der Schweiz
Seine Klage wurde jedoch in erster Instanz abgewiesen und auch der Weiterzug des Urteils an das Oberlandesgericht Köln brachte keinen Erfolg. Nach Ansicht der Gerichte erwarten die Nutzer der Google-Suchmaschine nicht, dass die Suchvorschläge einen sachlichen Zusammenhang mit den eingegebenen Namen zum Ausdruck bringen. Vielmehr wisse ein Nutzer, dass es sich dabei um einen computergesteuerten, automatischen Vorgang handle. So erklärt Google auch die Funktionsweise der Autocomplete-Funktion. Deshalb fehle es an einer „sinnhaften Aussage“ von Google oder von Dritten, welche durch die Autocomplete-Funktion wiedergegeben wird. Eine Persönlichkeitsverletzung wurde deshalb verneint. In diesem Sinne entschied auch das Kantonsgericht Jura im bisher wohl einzigen, veröffentlichten Schweizer Urteil zu Googles Autocomplete-Funktion (vgl. BR-News vom 6.7.2011).
BGH: Suchvorschläge können Persönlichkeitsrechte verletzen
In seinem Urteil vom 14.5.2013 (VI ZR 269/12) widerspricht der BGH dieser Argumentation. Er hat damit für Deutschland höchstrichterlich entschieden, dass entsprechende Suchvorschläge einen „fassbaren Aussagegehalt“ aufweisen, die zu einer Persönlichkeitsverletzung führen können. Eine Begründung dafür ist in der Pressemitteilung nicht enthalten, sodass man diesbezüglich auf die Urteilspublikation gespannt sein darf, die erst in einigen Monaten zu erwarten ist.
Ob im vorliegenden Fall tatsächlich eine Persönlichkeitsverletzung vorliegt, hat der BGH nicht entschieden. Für diese Beurteilung hat er den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Eine Persönlichkeitsverletzung liegt nach Aussage des BGH aber jedenfalls dann vor, wenn die mit den Suchvorschlägen zum Ausdruck gebrachten Aussagen unwahr wären.
Haftung von Google erst bei Kenntnis von unzulässigen Suchvorschlägen
Die Haftung von Google für persönlichkeitsrechtsverletzende Suchvorschläge wird im Urteil des BGH letztlich aber entscheidend eingeschränkt. Denn Google wird nicht dazu verpflichtet, seine Suchvorschläge präventiv auf etwaige Rechtsverletzungen zu überprüfen. Vielmehr haftet Google nach der BGH-Entscheidung grundsätzlich erst dann, wenn das Unternehmen (nachweisbar) Kenntnis von Persönlichkeitsverletzungen erlangt. In diesem Fall muss Google aber dafür sorgen, dass zukünftig keine derartigen Verletzungen mehr stattfinden.
Anmerkungen aus Schweizer Sicht
Betrachtet man den Entscheid des BGB vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts, erscheint es wahrscheinlich, dass ein höchstrichterliches Urteil in der Schweiz noch strenger ausgefallen wäre. Denn in einem Entscheid vom Februar 2013 hat es festgehalten, dass ein Blog-Hoster für persönlichkeitsverletzende Beiträge auf einem von ihm gehosteten Blog haftet, auch wenn er nicht von den Beiträgen wusste oder hätte wissen müssen (vgl. BR-News vom 20.2.2013). Anders als der BGH setzt das Bundesgericht somit für Klagen auf Beseitigung und Unterlassung keine Kenntnis von unzulässigen Inhalten voraus. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass das Bundesgericht eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte durch Autocomplete-Suchvorschläge grundsätzlich ablehnt und gleich wie das Kantonsgericht Jura entsprechend die Haftung von Google verneinen würde. Dies belegt einmal mehr die in der Schweiz herrschende Rechtsunsicherheit und den Bedarf nach einer gesetzlichen Regelung der Provider-Haftung. Immerhin wurden bereits entsprechende parlamentarische Vorstösse eingereicht (vgl. insb. die Motion von Nationalrätin Kathy Riklin), sodass man auf eine baldige und sachgemässe Klärung der Rechtslage hoffen darf.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des BGH vom 14.5.2013
- BGH-Urteil vom 14.5.2013 (Az. VI ZR 269/12)
- Bericht ARD-Tagesschau vom 14.5.2013 zum BGH-Urteil
- «Google haftet für seine Suchvorschläge» von Prof. Niko Härting, Legal Tribune Online, 14.5.2013
- Urteil des Oberlandesgericht Köln vom 10.5.2012 (15 U 199/11)
- Urteil des Landgerichts Köln vom 19.10.2011 (28 O 116/11)
- BR-News: „Schweizer Urteil zu persönlichkeitsverletzenden „autocomplete“-Suchvorschlägen auf Google“
- BR-News: „BGer: Blog-Hoster sind mitverantwortlich für persönlichkeitsverletzende Blogbeiträge“
- BR-News: „Kann Google für persönlichkeitsverletzende «autocomplete»-Suchvorschläge belangt werden?“
- Motion von Nationalrätin Kathy Riklin (13.3215)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann