BGH-Deutschland: Double Opt-in bei der Telefonwerbung?


Ihr Kontakt

Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin

Der deutsche Bundesgerichtshof hat in einer neuen Entscheidung die Hürden für die Einwilligung in die Werbung noch einmal höher gelegt. Für den Nachweis der Einwilligung in die Telefonwerbung genüge es nicht, dass der Kunde an einem Online-Gewinnspiel teilnimmt und dabei seine Telefonnummer angibt. Auch wenn die Teilnahme anschließend über ein Double-Opt-in per E-Mail bestätigt werde, könne der Nachweis des Einverständnis des Anschlussinhabers nicht gelingen (BGH vom 10.2.2011 – Az. I ZR 164/09)

Der Ausgangsfall

Die AOK für Sachsen und Thüringen führte Telefonwerbung durch und wurde – wegen einer früheren Unterlassungserklärung von der Verbraucherzentrale Sachsen auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch genommen. Die AOK hat vorgetragen, die Einwilligung der Angerufenen in einem Double-Opt-In-Verfahren erhalten zu haben.

Double-Opt-in am Telefon? Offenbar hatten die betroffenen Verbraucher an einem Online-Gewinnspiel teilgenommen, dort ihre Telefonnummer angegeben und durch Markieren eines Feldes ihr Einverständnis auch mit Telefonwerbung erklärt. Daraufhin sei ihnen eine E-Mail mit dem Hinweis auf die Teilnahme für das Gewinnspiel (sog. “Check-Mail”) an die angegebene E-Mail-Adresse übersandt worden. Die Teilnahme hätten die Verbraucher durch Anklicken eines in der Check-Mail enthaltenen Links bestätigt.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat zu Lasten der AOK entschieden. Der Werbende habe das Einverständnis der angerufenen Verbraucher nicht nachweisen können.

Zum einen seien keine Ausdrucke der E-Mails der angerufenen Verbraucher vorgelegt worden, in denen sich diese ausdrücklich mit der Werbung einverstanden erklärt hätten. Die Speicherung der entsprechenden E-Mail sei dem Werbenden aber ohne weiteres möglich und zumutbar. Offenbar genügte dem BGH eine allgemeine Berufung auf die Einhaltung des Double-Opt-In-Verfahrens nicht.

Vor allem aber sei das elektronisch durchgeführte Double-Opt-In-Verfahren für die Einwilligung in die Werbung am Telefon von vornherein ungeeignet, um ein Einverständnis von Verbrauchern mit Werbeanrufen zu belegen. Zwar könne bei Vorlage der dabei angeforderten elektronischen Bestätigung angenommen werden, dass der Teilnehmer am Gewinnspiel Inhaber der E-Mail-Adresse identisch seien. Damit sei aber nicht sichergestellt, dass es sich bei der angegebenen Telefonnummer tatsächlich um den Anschluss des Inhabers der E-Mail-Adresse handele.

Hier bestehe die Gefahr, dass versehentlich oder absichtlich fremde Telefonnummern eingetragen würden. Das Gesetz verlange aber zwingend, dass der konkret angerufene Teilnehmer vor dem Werbeanruf ausdrücklich sein Einverständnis erkläre.

Deutsche Gesetze sind mit EU-Recht vereinbar

Der BGH hat weiter entschieden, dass die strengen Anforderungen, die das deutsche Recht an die Zulässigkeit von Werbeanrufen bei Verbrauchern stellt, mit dem EU-Recht vereinbar sein.

Das deutsche Recht geht zwar über die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken der Europäischen Union hinaus. Allerdings sehe der EU-Gesetzgeber eine so genannte Öffnungsklausel vor, wonach der deutsche Gesetzgeber berechtigt sei, die Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern generell von deren vorherigem ausdrücklichen Einverständnis abhängig zu machen.

Folgen für die Telefonwerbung

Eine abschließende Bewertung der Folgen für die Telefonwerbung ist ohne Vorliegen des vollständigen Urteils (bisher ist nur die Pressemitteilung des BGH bekannt) nicht möglich. Allerdings fällt die Suche nach vollständig einwandfreien Wegen, eine Einwilligung des Verbrauchers zu erlangen, schwer. Schließlich können die Schreibfehler und auch das mutwillige Eintragen einer fremden Telefonnummer auch passieren, wenn die Einwilligung offline eingeholt wird. Man muss die Urteilsgründe abwarten, um sagen zu können, ob es nach diesem Urteil noch einen zulässigen Weg geben wird.

Folgen für die E-Mail-Werbung

Auch auf die E-Mail-Werbung hat das Urteil womöglich Auswirkungen. Der BGH weist das Risiko eines Verschreibens oder Vertippens bei der Einwilligung offenbar dem Werbenden zu. Es gibt keinen Grund, hier zwischen der Telefonnummer und der E-Mail-Adresse zu differenzieren.

Wird die Einwilligung in die Werbung per E-Mail offline eingeholt (auf einer Messe, per Übergabe der Visitenkarte, auf einer Gewinnspielkarte etc.), lässt sich zwar die Erteilung der Einwilligung nachweisen. Eine zweifelsfreie Zuordnung zu der E-Mail-Adresse ist aber nicht möglich. Daher ist dringend zu empfehlen, auch bei solchen Einwilligungen vor der ersten Werbe-E-Mail ein Double-Opt-in-Verfahren zur Verifizierung der E-Mail-Adresse zu durchlaufen. Sicher gestellt sein muss, dass die erste (Bestätigungs-)E-Mail keine Werbung enthält.

Kommentar: Telefonwerbung in der Schweiz

In der Schweiz dürfen Firmen Telefonmarketing betreiben, ohne vorgängig die Einwilligung des Verbrauchers zu verlangen. Die Werbenden dürfen jedoch die telefonische Kundenwerbung nicht vollständig automatisieren. Automatische Anrufe, die nicht von einem Menschen getätigt werden, sind als fernmeldetechnische Massenwerbung zu behandeln. Diese ist gemäss Art. 3 lit. o UWG unlauter (sog. Spamming-Verbot), es sei denn, der Absender habe die vorgängige Einwilligung des Empfängers eingeholt, seinen korrekten Namen angegeben und auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit der Werbung hingewiesen (so auch das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 17.10.2007, A-3323/2007, Erw. 11 ff.)). Die Einwilligung kann formlos geschehen, etwa mündlich oder per Mausklick. Ebenso genügt eine konkludente Einwilligung. Die Einwilligung per Mausklick bei einem Gewinnspiel müsste demnach aus Sicht des Schweizer Rechts genügen. Als Ablehnungsmöglichkeit genügt z.B. ein Link in einer E-Mail-Werbung, dessen Anwahl zur Sperrung der entsprechenden Telefonnummer führt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte


Artikel teilen




Highlights

MLL Legal

MLL Legal ist eine der führenden Anwaltskanzleien in der Schweiz mit Büros in Zürich, Genf, Zug, Lausanne, London und Madrid. Wir beraten unsere Klienten in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts und zeichnen uns insbesondere durch unsere erstklassige Branchenexpertise in technisch-innovativen Spezialgebieten, aber auch in regulierten Branchen aus.

MLL Legal

Newsletter

MLL-News 03/22 mit Beiträgen zum Digital Markets Act, Digital Services Act, PBV-Revision, Abmahnungen zu Google Fonts, Inbox-Adverting und vieles mehr.

Zugang MLL-News 03/22

Jetzt anmelden!

Unsere Geschichte

MLL Legal ist eine führende Schweizer Anwaltskanzlei, deren Geschichte bis ins Jahr 1885 zurückreicht. Die Kanzlei ist sowohl organisch als auch durch strategische Fusionen gewachsen, von denen die Jüngste am 1. Juli 2021 zwischen Meyerlustenberger Lachenal und FRORIEP vollzogen wurde.

Durch diesen Zusammenschluss hat sich MLL Legal zu einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz mit über 150 Anwältinnen und Anwälten in vier Büros in der Schweiz entwickelt. Auch zwei Büros im Ausland, in London und Madrid, bieten Anlaufstellen vor Ort für Klientinnen und Klienten, die Beratung im Schweizer Wirtschaftsrecht suchen.

Die Kanzlei verfügt heutzutage über ein starkes internationales Profil und ein langjährig aufgebautes globales Netzwerk. MLL Legal vereint anerkannte Führungsqualitäten und Fachwissen in allen Bereichen des Schweizer und internationalen Wirtschaftsrechts.

Über uns

Publikationen

Hier geht’s zu unseren neuesten Publikationen

COVID-19

Lesen Sie alle unsere rechtlichen Updates zu den Auswirkungen von COVID-19 für Unternehmen.

COVID-19 Information

Offene Stellen

Sind Sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung?

Unsere talentierten und ambitionierten Teams sind von einer gemeinsamen Vision motiviert, erfolgreich zu sein. Wir schätzen eine offene und unkomplizierte Kommunikation über alle Ebenen der Organisation hinweg in einem unterstützenden Arbeitsumfeld.

Offene Stellen

Real Estate Legal Update

Hier gehts zum Real Estate Legal Update 01/24. Unser Real Estate Team hat wiederum Artikel in verschiedenen Gebieten verfasst, so dass hoffentlich für alle etwas Interessantes dabei ist. Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre.

Registrieren Sie sich hier, um unser 2 x jährlich erscheinendes Real Estate Legal Update zu erhalten.

Unser Team

Unsere über 150 Anwältinnen und Anwälte unterstützen Sie dabei, den regulatorischen und technologischen Anforderungen im modernen globalen Wirtschaftsleben erfolgreich zu begegnen und ihre wirtschaftlichen Chancen zu nutzen.

Unser Team

Revision DSG

Auf unserer Themenseite rund um die Revision des Schweizerischen Datenschutzgesetzes finden Sie regelmässig aktualisierte und umfassende Informationen und Hilfsmittel. Es ist uns ein Anliegen, Sie bei der Implementierung der neuen Vorgaben zu unterstützen.

Revision DSG Themenseite

MLL Legal on Social Media

Folgen Sie uns auf LinkedIn.