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Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat Anfang September ein mit Spannung erwartetes Urteil veröffentlicht. Er hat darin festgehalten, dass Rapidshare, der File-Hosting-Dienst mit Sitz in der Schweiz, zu einer umfassenden und regelmässigen Kontrolle derjenigen „Linksammlungen“ verpflichtet ist, die auf seinen Dienst verweisen, wie z.B. Google, Facebook oder Twitter. Diese Pflicht bestehe deshalb, weil das Geschäftsmodell von Rapidshare Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang ermögliche.
Klage der GEMA gegen Rapidshare wegen Urheberrechtsverletzungen
Das Unternehmen Rapidshare mit Sitz im Kanton Zug betreibt unter der Domain www.rapidshare.com einen Sharehosting-Dienst. Dieser Dienst ermöglicht es seinen Nutzern, unmittelbar über die genannte Website in unbegrenzter Zahl beliebige Dateien kostenlos auf die von Rapidshare zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Server zu laden und dort abzuspeichern. Rapidshare selbst hat keine Kenntnis über die hochgeladenen Dateien und stellt weder ein Inhaltsverzeichnis über die hochgeladenen Dateien noch eine Suchfunktion zur Verfügung. Den Nutzern wird sodann ein Link übermittelt, unter welchem die eingestellten Inhalte abrufbar sind. Die Nutzer können diese Download-Links veröffentlichen und so Dritten den Zugriff darauf bspw. über eine Suchmaschine ermöglichen. Hauptsächliche Zielgruppe des Angebots von Rapidshare sind Nutzer, die grosse Datenmengen oder umfangreiche Dateien transportieren bzw. zur Verfügung stellen möchten. Es ist aber bekannt, dass über den Dienst auch illegale Kopien von Musikwerken, Spielfilmen, Software und Computerspielen angeboten werden.
Die deutsche Urheberrechtsverwertungsgesellschaft GEMA erhob im Jahr 2008 eine Unterlassungsklage gegen Rapidshare. Sie forderte darin, dass Rapidshare verboten werden soll, insgesamt 4817 (im Einzelnen bezeichnete) Musikwerke öffentlich zugänglich machen zu lassen.
Das Landgericht und das Oberlandesgericht Hamburg hiessen die Klage gut. Aus diesem Grund gelangte das Schweizer Unternehmen an das höchste deutsche Gericht, den Bundesgerichtshof.
Verschärfte Prüfungspflichten wegen Förderung von rechtsverletzenden Nutzungen durch Rapidshare
Dieser hatte bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass File-Hosting-Dienste als Störer für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haften und auf Unterlassung verklagt werden können. Dies allerdings nur dann, wenn sie nach einem Hinweis auf eine klare Urheberrechtsverletzung die ihnen obliegenden Prüfungspflichten nicht einhalten und es deswegen zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGH-Urteil vom 12.07.2012).
Das Rapidshare-Urteil bot nun Anlass, diese Prüfungspflichten zu konkretisieren. Mit seiner aktuellen Entscheidung verschärfte der BGH die Haftung des File-Hosting-Anbieters. Zwar sei Rapidshares Geschäftsmodell nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, denn es gäbe für den Dienst zahlreiche legale und übliche Nutzungsmöglichkeiten. Das Oberlandesgericht habe jedoch festgestellt, dass Rapidshare die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Massnahmen gefördert habe, weshalb sich im vorliegenden Fall eine Verschärfung der Prüfungspflichten rechtfertige.
Anders als andere Dienste im Bereich des „Cloud Computing“ verlange Rapidshare kein Entgelt für die Bereitstellung von Speicherplatz. Das Unternehmen erziele seine Umsätze nur durch den Verkauf sogenannten Premium-Konten. Inhaber solcher Premium-Konten würden von verschiedenen „Komfortmerkmalen“ profitieren, beispielsweise hinsichtlich der Geschwindigkeit der Ladevorgänge, der Dauer der Datenspeicherung und der Grösse der hochladbaren Dateien. Rapidshare erhöhe die eigenen Umsätze somit durch eine steigende Zahl von Downloads und profitiere deshalb in erheblichem Mass gerade von solchen massenhaften Downloads, denn je öfter die Nutzer geschützte Inhalte ohne weitere Kosten bei Rapidshare tatsächlich herunterladen oder herunterzuladen beabsichtigen, desto eher sind sie bereit, die kostenpflichtigen Angebote in Anspruch zu nehmen. Die Attraktivität für illegale Nutzungen werde durch die Möglichkeit der anonymen Inanspruchnahme des Dienstes zusätzlich gesteigert.
Strenge Prüfungspflichten: Fortlaufendes Durchsuchen verschiedener Linksammlungen
Die beschriebene Förderung der urheberrechtsverletzenden Nutzung durch den Anbieter sei bei der Bestimmung der Prüfpflichten zu berücksichtigen. Der Bundesgerichtshof qualifizierte verschiedene Massnahmen, die Rapidshare anwendet, als nicht genügend für die Erfüllung der Prüfungspflichten. So reichen nach Ansicht des BGH insbesondere die folgenden Massnahmen nicht aus:
- Ein 17-köpfiges Team „zur Bekämpfung von Missbräuchen“, das während sieben Wochentagen rund um die Uhr mit der Prüfung und Löschung von rechtsverletzenden Inhalten beschäftigt ist.
- Der Hinweis in den Nutzungsbedingungen, wonach es unzulässig sei, Werke unter Verletzung des Urheberrechts hochzuladen.
- Der Einsatz von sogenannten MD5-Filtern.
- Angebot eines Lösch-Interfaces für die Rechteinhaber.
Gemäss BGH ist der File-Hosting-Anbieter verpflichtet, konkrete Angebote unverzüglich zu sperren, wenn er auf die rechtsverletzende Nutzung hinsichtlich bestimmter Werke hingewiesen worden ist. Er ist darüber hinaus aber auch dafür verantwortlich, fortlaufend alle einschlägigen Linksammlungen darauf zu überprüfen, ob sie Links auf Dateien mit den entsprechenden Musikwerken enthalten, die auf den Rapidshare-Servern gespeichert sind.
Der File-Hosting-Anbieter muss deshalb über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeigneten Suchanfragen und gegebenenfalls auch unter Einsatz von Webcrawlern ermitteln, ob sich für die genannten Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links zu Rapidshare finden.
Gemäss Bundesgerichtshof bestehen diese Prüfpflichten für jedes Werk, bei welchem Rapidshare auf eine klare Verletzung hingewiesen wurde. Die Tatsache, dass Rapidshare auf eine grosse Zahl von Rechtsverletzungen (vorliegend rund 4800 Musikwerke) hingewiesen worden sei, ändere nichts an diesen Prüfungspflichten. Denn der urheberrechtliche Schutz dürfe nicht dadurch geschwächt werden, dass es im Rahmen eines an sich zulässigen Geschäftsmodells zu einer grossen Zahl von Rechtsverletzungen komme.
Fazit und Anmerkungen
Vor diesem Hintergrund wurde Rapidshare ein gerichtliches Verbot auferlegt, im Rahmen des File-Hosting-Dienstes die einzeln bezeichneten 4800 Musikwerke öffentlich zugänglich machen zu lassen. Rapidshare wurde somit zwar nicht direkt zur Vornahme der einschneidenden Überwachungs- und Kontrollmassnahmen verpflichtet. Falls eines der genannten Musikwerke wieder auf Rapidshare abrufbar sein sollte, bedeutet dies aber, dass im Falle eines erneuten gerichtlichen Vorgehens gegen Rapidshare wieder zu prüfen wäre, ob das Unternehmen den im Urteil genannten Prüfungspflichten nachgekommen ist. Da die Prüfungspflichten immer noch relativ allgemein gehalten sind, werden deshalb die Grenzen dessen, was dem File-Hoster konkret noch zuzumuten ist, unter Umständen erst in allfälligen späteren (Vollstreckungs-)Verfahren präzisiert werden.
Aus Schweizer Sicht ist darauf hinzuweisen, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte unstreitig war. Sie ergab sich aufgrund des Schweizer Sitzes von Rapidshare als beklagtem Unternehmen aus dem sog. Lugano-Übereinkommen. Danach können Ansprüche aus Urheberrechtsverletzungen unter anderem am Ort, an dem die verletzenden Handlungen vorgenommen wurden, geltend gemacht werden. Im vorliegenden Fall gingen die Gerichte davon aus, dass das „Öffentlich-Zugänglichmachen“ in Deutschland erfolgte und deshalb die Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben war. Stillschweigend wurde sodann auch von der Anwendbarkeit des deutschen Rechts ausgegangen.
Wäre der Fall nach schweizerischem Recht zu beurteilen gewesen, ist nicht auszuschliessen, dass das Urteil ähnlich streng oder sogar noch strenger ausgefallen wäre. Das Bundesgericht hat denn auch in einem Urteil zur Haftung eines Blog-Hosters wegen persönlichkeitsverletzenden Blog-Beiträgen festgehalten, dass Beseitigungs-und Unterlassungsklagen auch dann gutgeheissen werden können, wenn der Hoster gar keine Kenntnis von dem rechtsverletzenden Inhalt hat. Anders als in Deutschland ist es also nach der aktuellen Rechtslage in der Schweiz nicht erforderlich, einen Provider zunächst auf rechtsverletzende Inhalte hinzuweisen (vgl. dazu BR-News vom 20.02.2013 sowie vom 07.06.2013). Wieweit aber ein auf die Verhinderung von künftigen, gleichartigen Rechtsverletzungen gerichteter Unterlassungsanspruch gehen kann und wieweit folglich Prüfungspflichten für die Provider bestehen können, ist jedoch in der Schweiz noch nicht geklärt.
Weitere Informationen:
- Urteil I ZR 80/12 des BGH vom 15.08.2013
- Pressemitteilung des BGH vom 03.09.2013
- Urteil des OLG Hamburg vom 14.03.2012
- Urteil des LG Hamburg vom 12.06.2009
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann