Bundesgericht: Verwechslungsgefahr „Medical Consult AG“ mit älterer Firma „Mediconsult AG“


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Das Schweizer Bundesgericht hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Urteil (4A_669/2011) mit einem Konflikt zwischen zwei Firmen beschäftigt. Es gelangte dabei anders als die Vorinstanz zum Schluss, dass zwischen der Firma „Medical Consult AG“, welche 2011 ins Handelsregister eingetragen wurde, und der bereits seit 1999 eingetragenen Firma „Mediconsult AG“ eine Verwechslungsgefahr besteht. Demzufolge wurde der Gesellschaft Medical Consult AG verboten, ihre Firma weiter zu verwenden, verbunden mit der Verpflichtung, ihre Firma im Handelsregister zu ändern. Der Entscheid zeigt auf, dass sich eine Firma auch von älteren Firmen, die wenig unterscheidungskräftig sind, z.B. weil sie bloss aus einer Kombination von Sachbezeichnungen bestehen, genügend deutlich unterscheiden muss.

Ausgangslage

Im Jahr 2011 wurde die Gesellschaft Medical Consult AG mit Sitz in Kreuzlingen ins Handelsregister eingetragen. Sie bezweckt im Bereich der Labordiagnostik u.a. die Entwicklung und Vermarktung diagnostischer und therapeutischer Konzepte und fördert die Weiterbildung praktizierender Ärzte auf den Gebieten der Präventiv- und Anti-Aging-Medizin.

Die Mediconsult AG mit Sitz in Roggwil (TG), welche den Vertrieb von augenärztlichen Verbrauchs- und Investitionsgütern bezweckt, wurde bereits im Jahr 1999 ins Handelsregister eingetragen. Da die Gesellschaft der Ansicht war, dass die „Medical Consult AG“ ihre Firmenrechte verletzt, verlangte sie vor dem Obergericht des Kantons Thurgau insbesondere, diese zur Änderung ihrer Firma zu verpflichten. Das Gericht lehnte die Klage jedoch mangels Verwechslungsgefahr ab. Die Mediconsult AG hat diesen Entscheid in der Folge vor Bundesgericht angefochten.

Allgemeine Grundsätze des Firmenrechts

Bevor auf das Urteil des Bundesgerichts eingegangen wird, sind einige wesentliche Grundsätze des Firmenrechts zu erläutern. Anders als die Firma bspw. einer Kollektivgesellschaft, welche den Familiennamen wenigstens eines Gesellschafters enthalten muss, können Aktiengesellschaften und „GmbH’s“ ihre Firma grundsätzlich frei wählen. Verlangt wird grundsätzlich nur, dass die Rechtsform (AG, GmbH) angegeben wird. (vgl. Art. 950 OR).

Darüber hinaus ist jedoch auch zu beachten, dass eine Firma der Wahrheit entsprechen muss, keine Täuschungen verursachen und keinem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen darf (vgl. Art. 944 Abs. 1 OR). Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Urteil ist sodann von Bedeutung, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Sachbegriffe des Gemeingebrauchs nicht mehr als alleiniger Inhalt einer Firma anerkannt werden. Reine Sachfirmen wie z.B. „Inkasso AG“ sind demnach unzulässig, weil sie nicht geeignet sind, ein Unternehmen zu kennzeichnen und von anderen zu unterscheiden (vgl. BGE 101 Ib 361). Allerdings kann bei minimalem Fantasiegehalt bereits die Kombination von Sachbezeichnungen für die Schutzfähigkeit der Firma genügen (vgl. BGE 107 II 246, E. 2, „Index Management AG»).

In ihrer Praxis verweigern die Handelsregisterbehörden reinen Sachfirmen die Eintragung (vgl. Weisung Eidg. Amt für das Handelsregister, S. 23 ff.) Werden sie dennoch eingetragen, besteht jedoch im Falle eines späteren Prozesses wie dem Vorliegenden, in dem der Inhaber der Sachfirma gegen eine jüngere Eintragung wegen angeblicher Verwechslungsgefahr vorgeht, ein wesentlicher Unterschied zum Markenrecht. Denn dem Beklagten fehlt in diesem Fall die (Verteidigungs-) Möglichkeit, die gegnerische Sachfirma für „nichtig“ erklären zu lassen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_315/2009, E. 2.2.). Er kann im Wesentlichen nur vorbringen, dass keine Verwechslungsgefahr besteht.

Urteil des Bundesgerichts: rechtliche Grundsätze zur Verwechslungsgefahr von Firmen

In seinem Urteil vom 5. März 2011 (4A_669/2011) hält das Bundesgericht zunächst allgemein fest, dass sich die Firma einer Aktiengesellschaft von allen in der Schweiz bereits eingetragenen Firmen von AG’s, GmbH’s und Genossenschaften deutlich unterscheiden müsse (vgl. Art. 951 Abs. 2 OR). Andernfalls könne der Inhaber der älteren Firma wegen Verwechslungsgefahr den Gebrauch der jüngeren Firma verbieten lassen (vgl. Art. 956 Abs. 2 OR).

In der Folge bestätigt das Bundesgericht, dass bei Aktiengesellschaften im Allgemeinen strenge Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Firmen gestellt werden, weil diese ihre Firma grundsätzlich frei wählen können und sie somit nichts daran hindert, dafür zu sorgen, dass sich ihre Firma von allen bereits eingetragenen deutlich unterscheidet. Ferner wird bestätigt, dass der Inhaber einer Firma grundsätzlich auch gegen Unternehmen, die in einer anderen Geschäftsbranche tätig sind, vorgehen kann. Die Anforderungen an die Unterscheidbarkeit seien jedoch strenger, wenn zwei Unternehmen aufgrund ihrer Statuten im Wettbewerb stehen können oder aus einem anderen Grund an die gleichen Kundenkreise wenden.

Ob zwei Firmen sich hinreichend deutlich unterscheiden, ist gemäss Bundesgericht aufgrund des Gesamteindrucks zu prüfen, den sie beim Publikum hinterlassen. Die Firmen müssten demnach nicht nur bei gleichzeitigem aufmerksamem Vergleich unterscheidbar sein, sondern auch in der Erinnerung auseinander gehalten werden können. Im Gedächtnis bleiben gemäss Bundesgericht insbesondere Firmenbestandteile haften, die durch ihren Klang oder ihren Sinn hervorstechen; solche Bestandteile hätten daher für die Beurteilung des Gesamteindrucks einer Firma erhöhte Bedeutung. Dies treffe insbesondere für reine Phantasiebezeichnungen zu.

Umgekehrt verhalte es sich bei gemeinfreien Sachbezeichnungen. Das Bundesgericht betont jedoch, dass auch Firmen, die als wesentliche Bestandteile nur solche Bezeichnungen enthalten, gesetzlich geschützt sind. Wer dieselben Sachbezeichnungen ebenfalls als Firmenbestandteile verwende, habe deshalb für eine hinreichend deutliche Abhebung von der älteren Firma zu sorgen, indem er sie mit individualisierenden zusätzlichen Elementen ergänze.

Urteil des Bundesgerichts: Anwendung auf den Fall «Medical Consult AG» v. «Mediconsult AG»

Bei der Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall hält das Bundesgericht zunächst fest, dass sich die Firma Medical Consult AG von Mediconsult AG lediglich durch die Endung „-cal“ und die Trennung in zwei Wörter unterscheide. Die in der englischen Sprache häufig vorkommende Endsilbe sei als solche kennzeichnungsschwach und ohne besonderen Sinngehalt. Ferner sei der Wortbestandteil „Medi“ – insbesondere in Verbindung mit „Consult“ – zu allgemein, als dass darin eine Beschränkung auf Medikamente zu erblicken wäre; vielmehr werde dieser Firmenbestandteil wie „Medical“ im Sinne des weiten Begriffs „medizinisch“ verstanden. Somit weise die Firma „Medical Consult AG“ den gleichen Sinngehalt auf wie die Firma „Mediconsult AG“.

Gemäss Bundesgericht unterscheiden sich die beiden Firmen damit lediglich minimal im Klang und im Schriftbild. Der blosse Umstand, dass der jüngeren Firma die Silbe «-cal» zugefügt und eine getrennte Schreibweise verwendet wird, reiche nicht aus, um diese von der älteren Firma «Mediconsult AG» abzuheben. Das Bundesgericht betont ferner, dass die Parteien zwar nicht in unmittelbarem Wettbewerb zueinander stehen. Sie seien gemäss ihrem statutarischen Zweck jedoch beide im Medizinalbereich tätig und haben ihren Sitz in der gleichen Region. Die beiden erwähnten geringfügigen Unterschiede vermögen die Firma der Beschwerdegegnerin daher nicht hinreichend zu individualisieren, um eine Verwechslungsgefahr zu verhindern. Da die Medical Consult AG ferner auf das «noch originellste Element» der klägerischen Firma verzichtete, nämlich die Verschmelzung von zwei Sachbezeichnungen zu einem Wort, sei sie noch weniger kennzeichnungskräftig als die ältere Firma.

Anders als die Vorinstanz kommt das Bundesgericht deshalb zum Schluss, dass eine Verwechselbarkeit der beiden Firmen vorliegt. Es wird betont, dass es Aufgabe der Medical Consult AG gewesen wäre, die bereits von der Gegenpartei als Firmenbestandteile verwendeten Sachbezeichnungen mit individualisierenden zusätzlichen Elementen zu ergänzen und damit für eine hinreichend deutliche Unterscheidung von der älteren Firma zu sorgen. Dementsprechend wurde ihr verboten, die Firma zu verwenden, und eine Frist von 60 Tagen eingeräumt, um ihre Firma im Handelsregister zu ändern.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Adrian Süess


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