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In einem aktuellen Urteil befasst sich das Schweizer Bundesgericht mit den Anforderungen an die fristlose Kündigung eines Vertrags zwischen einer Werbeagentur und zwei unabhängigen Illustratoren, welche im Auftrag der Agentur Figuren für die Produktlinie eines Detailhändlers ausarbeiteten. Die Illustratoren wollten dieses Vertragsverhältnis, das laufend neue gestalterische Aufträge für sie generierte, fristlos auflösen, weil ihre Figuren in verschiedensten Werbemitteln des Detailhändlers in veränderter Form dargestellt worden waren. Auch wenn die Werbeagentur damit wiederholt gegen das vertraglich vereinbarte Exklusivrecht der Illustratoren zur Veränderung der Figuren verstossen hatte, waren laut Bundesgericht im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines solchen Dauerschuldverhältnisses nicht gegeben.
Fristlose Kündigung des Illustratorenvertrags
Im zu beurteilenden Fall wurde eine Werbeagentur damit beauftragt, die neue Produktelinie für junge Familien mit Kindern eines bekannten Schweizer Detailhandelsunternehmens zu gestalten. Zur zeichnerischen Umsetzung der vorgesehenen Logos mit Tierfiguren, namentlich einem roten Vari, setzte die Werbeagentur zwei Illustratoren ein und schloss mit ihnen im Jahr 2007 einen Rahmenvertrag ab.
In diesem Vertrag verpflichteten sich die Illustratoren gegen Bezahlung einer Vergütung zur gestalterischen Verwirklichung des Konzepts des Detailhändlers. Die Werbeagentur sicherte den Vertragspartnern darin ein Exklusivrecht in der Form zu, dass sie während der Vertragsdauer ausschliesslich die Illustratoren mit dem Illustrieren, Korrigieren und Verändern der Figuren für sämtliche Medien beauftragt. Die Illustratoren verpflichteten sich ihrerseits, sämtliche Immaterialgüterrechte, insb. die Urheberrechte an den Figuren auf die Werbeagentur zu übertragen. Dies galt jedoch nur unter der Bedingung, dass die Werbeagentur den Vertrag ordnungsgemäss erfüllt und der Rahmenvertrag Ende 2009 noch in Kraft ist. Diese Bedingung bedeutete konkret, dass der Detailhändler, dem seinerseits von der Werbeagentur die Nutzungsrechte an den Tierfiguren übertragen wurden, kein Recht gehabt hätte, die Illustrationen für seine Produktlinie zu verwenden, wenn der Vertrag vor Ende 2009 durch Kündigung aufgelöst worden wäre.
In der Folge beanstandeten die Illustratoren mehrfach, dass der Detailhändler in Werbemitteln verschiedenster Art Illustrationen der Tierfiguren verwende, die hinsichtlich Zeichnung, Bild- und Farbkombination und Animation nicht ihren qualitativen Mindestanforderungen entsprechen. Sie wiesen darauf hin, dass nur sie selbst Illustrationen der Tierfiguren zeichnen, verändern oder ergänzen dürfen. Die Werbeagentur wurde deshalb aufgefordert, die vertragswidrigen Illustrationen zu entfernen und durch korrigierte Versionen zu ersetzen. Nachdem im März 2009 eine letzte Frist ohne für die Illustratoren zufriedenstellende Reaktion verstrichen war, kündigten die Illustratoren den Vertrag mit sofortiger Wirkung und forderten den Detailhändler auf, die Tierfiguren nicht mehr zu verwenden und von sämtlichen Werbemitteln und Produkten zu entfernen. Diese und weitere Forderungen, darunter die Löschung der Marken des Detailhändlers, in welchen die Tierfiguren erscheinen, haben die Illustratoren sodann vor dem Zürcher Obergericht klageweise geltend gemacht. Die Klage wurde jedoch im April 2012 vollumfänglich abgewiesen, weshalb die Illustratoren den Entscheid an das Bundesgericht weiterzogen.
Fristlose Kündigung nur bei Vorliegen „wichtiger Gründe“ zulässig
In seinem Urteil vom 19. März 2013 (4A_598/2012) setzt sich das Bundesgericht gar nicht erst mit der Frage der Vertragsqualifikation bzw. mit der Frage auseinander, welche gesetzlichen Regelungen auf den strittigen Vertrag (allenfalls analog) anzuwenden sind. Es hält vielmehr bloss fest, dass sog. „Dauerschuldverhältnisse“ – wie das hier zu beurteilende – bei Vorliegen wichtiger Gründe, welche eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar mache, vorzeitig gekündigt werden können. Bei besonders schweren Vertragsverletzungen sei ein wichtiger Grund regelmässig zu bejahen. Auch weniger gravierende Vertragsverletzungen können gemäss Bundesgericht aber einen wichtigen Grund darstellen, wenn sie trotz Abmahnung immer wieder vorgekommen sind, so dass nicht zu erwarten ist, weitere Abmahnungen würden den Vertragspartner von neuen Vertragsverletzungen abhalte.
Vertragsverletzungen im vorliegenden Fall kein wichtiger Grund
Das Obergericht Zürich stellte in seinem Entscheid fest, dass in 35 Fällen vertragsverletzende Änderungen an den urheberrechtlich geschützten Tierfiguren vorgenommen wurden. Das Gericht erachtete diese Vertragsverletzungen jedoch als nicht schwerwiegend, weil es sich lediglich um geringfügige grafische Ergänzungen bzw. Änderungen gehandelt habe. In der Gesamtwürdigung der gegenseitigen Interessen gelangte es zum Schluss, dass keine wichtigen Gründe für eine fristlose Vertragsauflösung vorlagen, weshalb die Kündigung vom März 2009 unwirksam sei.
Die Illustratoren rechtfertigten die fristlose Kündigung auch vor Bundesgericht unter anderem damit, dass sie durch die vertragswidrigen Illustrationen und „dilettantischen Veränderungen“ in ihrem beruflichen Ansehen massiv verletzt und in der ganzen Branche diskreditiert werden. Eine Weiterführung der vertraglichen Beziehungen sei deshalb für sie nicht mehr zumutbar gewesen.
Das Bundesgericht hielt hierzu zunächst fest, dass die Kläger nicht hinreichend konkretisiert hätten, auf welche Weise ihr Ruf Schaden genommen habe. Ferner hätten sie aufgrund der vertraglich vereinbarten Übertragung der Urheberrechte ihren Einfluss auf die Gestaltung der Figuren ohnehin spätestens ab dem Jahr 2010 verloren, wenn der Vertrag ordentlich beendigt worden wäre. Dies hätten sie bei der Unterzeichnung des Vertrags auch in Kauf genommen. Das vertragliche Exklusivrecht habe deshalb nicht primär bezweckt, das berufliche Ansehen der Illustratoren vor Beeinträchtigungen durch nicht fachmännische Änderungen der Figuren zu schützen. Vorwiegender Zweck dieser Klausel sei vielmehr die Verschaffung zusätzlicher Aufträge für Änderungen der Figuren gewesen. Deshalb seien die Verletzungen des vertraglichen Exklusivrechts auch wenig geeignet, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Das Obergericht wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Änderungen, die zu einer „Entstellung“ der Figuren im Sinne von Art. 11 Abs. 2 des Urheberrechtsgesetzes geführt hätten, unter Umständen wichtige Gründe für eine fristlose Kündigung hätten darstellen können. Im vorliegenden Fall wurde das Weglassen oder Abdecken einzelner Körperteile der Tierfiguren jedoch nicht als Entstellung qualifiziert, weil das typische Erscheinungsbild der Figuren dadurch nicht beeinträchtigt worden sei.
Im Rahmen der Abwägung der involvierten Interessen an der Fortführung des Rahmenvertrags gelangte das Zürcher Obergericht zum Schluss, dass die Interessen der Werbeagentur und des Detailhändlers, für welchen die Fortsetzung seiner breit und langfristig angelegten Produktelinie auf dem Spiel stand, das Interesse der Illustratoren übersteigen. Die Illustratoren beanstandeten daran namentlich, dass auch die Interessen des Detailhändlers berücksichtigt wurden. Dieser war nicht Partei des Rahmenvertrags und die Berücksichtigung von dessen Interessen daher ihres Erachtens unzulässig. Das Bundesgericht entgegnete darauf, dass den Illustratoren bei Vertragsschluss bekannt gewesen sei, dass die Tierfiguren für das neue, langfristige Kinderprogramm des Detailhändlers eingesetzt werden. Wirtschaftlich werde dieses Programm vom Detailhändler getragen und die Werbeagentur habe nur zwischen den beiden Seiten agiert. Deshalb sei es im vorliegenden Fall erforderlich, auch die Interessen des Detailhändlers in die Gesamtwürdigung einzubeziehen.
Letztendlich erachtete es das Bundesgericht mit Blick auf das langfristig angelegte Marketingprogramm des Detailhändlers durchaus als vertretbar, die fristlose Kündigung des ganzen Vertragsverhältnisses als letztes Mittel zu betrachten, und von den Illustratoren zu verlangen, vor einer solchen Kündigung Streitigkeiten über eine letztlich nicht zentrale Vertragsklausel nötigenfalls gerichtlich klären zu lassen. Daher verneinte es das Vorliegen von wichtigen Gründen, die eine fristlose Vertragskündigung gerechtfertigt hätten und stützte damit das Urteil des Zürcher Obergerichts.
Anmerkung
Das Urteil des Bundesgerichts verdeutlicht, dass bei Vereinbarungen mit Illustratoren, Grafikern, Designern etc. eine klare vertragliche Regelung über die Übertragung der notwendigen Nutzungsrechte von zentraler Bedeutung ist. Wäre die Kündigung von den Gerichten im vorliegenden Fall gestützt worden, hätte der Detailhändler seine ganze Produktlinie einstellen oder komplett überarbeiten müssen. Aufgrund der vorhandenen Informationen zum Sachverhalt ist deshalb auch nur schwer nachvollziehbar, wieso die Rechteübertragung unter die Bedingung gestellt wurde, dass der Vertrag Ende 2009 noch in Kraft ist. Mangels weiterer Informationen im Urteil ist auch unklar, welche Regelung für eine ordentliche Kündigung vorgesehen war. Denn teilweise wird davon ausgegangen, dass eine (ungerechtfertigte) fristlose Kündigung zur Auflösung des Vertrags auf den nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin führt, was ebenfalls den Verlust der Nutzungsrechte des Detailhändlers hätte bewirken können.
Weitere Informationen:
- BR-News: „EuGH: Verwertungsrechte an Filmen stehen originär dem Hauptregisseur des Filmes zu“
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Ansprechpartner: Lukas Bühlmann