Bundesrat begrüsst Einführung des Widerrufsrechts im Online-Handel


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Am 14. März 2014 hat der Bundesrat seine Stellungnahme zum geplanten Widerrufsrecht im Online-Handel veröffentlicht. Darin begrüsst er die Einführung eines gesetzlichen Widerrufsrechts ausdrücklich. Der Bundesrat empfiehlt den Räten, auf die Vorlage einzutreten und schliesst sich mehrheitlich dem Gesetzesentwurf der ständerätlichen Rechtskommission an. Er schlägt aber auch einige inhaltliche Änderungen am Kommissionsentwurf vor. So sollen insbesondere diverse Ausnahmebestimmungen geändert oder präzisiert werden. Darüber hinaus empfiehlt er – in Angleichung an das EU-Recht – eine Verlängerung der maximalen Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Monate.

Stellungnahme zu Kommissionsentwurf

Mitte November 2013 hat die Rechtskommission des Ständerats einen überarbeiteten Entwurf für die Einführung eines Widerrufsrechts im E-Commerce veröffentlicht (vgl. dazu BR-News vom 10.12.2013). Rund vier Monate später hat der Bundesrat zu diesem Revisionsentwurf Stellung genommen. Die Stellungnahme erfolgt, weil der Gesetzesentwurf vom Parlament selbst stammt. Der Bundesrat hat aus diesem Grund nicht wie üblich eine Botschaft zur Revisionsvorlage veröffentlicht. Das Parlamentsgesetz sieht in diesen Fällen vor, dass die Kommissionsvorlage der Regierung zur Stellungnahme unterbreitet werden muss, bevor sie zur Beratung an das Parlament geht.

In seiner Stellungnahme begrüsst der Bundesrat die Einführung eines Widerrufsrechts ausdrücklich und empfiehlt dem Parlament, auf die Revisionsvorlage einzutreten. In seinen Ausführungen zu den einzelnen Artikeln folgt er mehrheitlich dem Entwurf der Ständeratskommission, unterbreitet dem Parlament aber auch einige Änderungsvorschläge.

Grundsätzliche Frage nach Widerrufsrecht – fragwürdige Argumente des Bundesrats

Nach wie ist fraglich, ob die Einführung eines Widerrufsrechts im Online-Handel tatsächlich notwendig ist. Wie bereits die Ständeratskommission begründet auch der Bundesrat die Einführung eines Widerrufsrechts hauptsächlich mit den Argumenten, die Konsumenten würden im Online-Handel überrascht oder überrumpelt werden und hätten zudem oft nicht die Möglichkeit, den Vertragsgegenstand vor dem Vertragsschluss zu prüfen. Während das zweite Argument zweifellos zutrifft, zielt das erste ins Leere. Im Online-Handel besteht anders als bei Haustürgeschäften oder im Telefonverkauf keine Überraschungs- oder Überrumpelungsgefahr. Aus diesem Grund liegt auch kein erhöhtes Schutzbedürfnis für die Konsumenten vor: Im Onlinehandel kann sich der Konsument so lange Zeit lassen, wie er will. Anders als beispielsweise im stationären Handel, hat er ausserdem die Möglichkeit, innert Sekunden die Leistungen verschiedener Anbieter zu vergleichen. Darüber hinaus muss er sich bewusst für einen Kauf entscheiden. Bevor er einen Kauf tätigt, muss der Konsument insbesondere die Ware bewusst in den Warenkorb legen und den Bestellprozess beginnen. Diesen Prozess kann er jederzeit abbrechen. Die Kosumenten machen von dieser Möglichkeit in der Praxis auch immer wieder Gebrauch. Von allen angefangenen Online-Transaktionen werden im Warenkorb durchschnittlich rund 70 % erst beim letzten Schritt abgebrochen (Warenkorb-Abbrecher, beispielhaft gefunden bei Carpathia Consulting). Mit der letzten UWG-Revision wurden zudem mehrere Konsumentenschutzmechanismen eingebaut, die einen „versehentlichen“ Vertragsschluss weitgehend ausschliessen (vgl. u.a. BR-News vom 02.09.2011). Angesichts dieser Ausgangslage im Online-Handel von einer Überraschungs- oder Überrumpelungsgefahr zu sprechen, kann man fast schon als weltfremd bezeichnen.

Ausserdem gewähren bereits heute viele Anbieter ihren Kunden freiwillig ein vertragliches Widerrufs- oder Rückgaberecht. Auch diese Tatsache spricht aber gemäss Bundesrat nicht gegen die Einführung eines zwingenden gesetzlichen Widerrufsrechts. Ein allgemeines, gesetzlich geregeltes und zugunsten der Konsumenten zwingendes Widerrufsrecht sei zu deren Schutz besser geeignet als die heute verbreitet gewährten vertraglichen Rechte, so der Bundesrat. Eine Begründung für diese Einschätzung lässt sich der Stellungnahme jedoch nicht entnehmen.

Bemerkenswert ist darüber hinaus die Tatsache, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme deutlich macht, dass er die Einführung eines Widerrufsrechts unabhängig vom Schicksal des vorliegenden Entwurfs plant. Soweit das Widerrufsrecht nicht im Rahmen der aktuellen Vorlage verwirklichen liesse, „wird die Schaffung eines allgemeinen Widerrufsrechts im Rahmen zukünftiger Gesetzgebungsarbeiten zu prüfen sein“.

Ebenfalls zu erwähnen ist, dass der Bundesrat zwar den Grossteil seiner Anpassungen mit dem Argument begründet, eine Annäherung an das EU-Recht schaffen zu wollen. Trotzdem ist die schweizerische Ausgestaltung des zwingenden gesetzlichen Widerrufsrechts nach wie vor nicht EU-kompatibel.

Änderungsvorschläge des Bundesrats

Wie bereits erwähnt schlägt der Bundesrat in seiner Stellungnahme einige, teilweise gravierende Änderungen am Kommissionsentwurf vor. Ausserdem beantragt er durchgehend die Ablehnung der Minderheitsanträge, die insbesondere den Verzicht auf das Widerrufsrecht im Online-Handel sowie eine anbieterfreundlichere Regelung zum Erlöschen des Widerrufs bei Downloads forderten. Die Änderungsvorschläge, welche nicht nur sprachliche Anpassungen oder Präzisierungen betreffen, werden nachfolgend kurz dargestellt.

Ausnahme bei Verträgen mit Zufallselement: Preisschwankungen nur innerhalb der Widerrufsfrist relevant

Der Bundesrat will die Ausnahme präzisieren, gemäss welcher dem Konsumenten bei Verträgen mit einem Zufallselement kein Widerrufsrecht zusteht. Er schlägt vor, die Ausnahme dahingehend klarzustellen, dass es sich dabei um Preisschwankungen auf dem Finanzmarkt handeln muss (z.B. Edelmetalle oder Rohstoffe). Damit sind alle Verträge, die Waren zum Gegenstand haben, welche aus anderen Gründen Preisschwankungen haben, von der Ausnahme nicht mehr erfasst. Weshalb der Bundesrat diese Einschränkung vorgenommen hat, begründet er nicht. Neu soll darüber hinaus explizit festgehalten werden, dass es sich bei den Preisschwankungen um für den Preis der Leistung wesentliche Schwankungen handeln muss, die innerhalb der Widerrufsfrist eintreten. Obwohl der Bundesrat eine Klarstellung vornehmen wollte, bleiben nach wie vor viele Fragen zu dieser Ausnahme ungeklärt, namentlich wann eine Preisschwankung wesentlich sein soll. Die im Grundsatz zu begrüssende Ausnahmebestimmung ist in dieser Form deshalb kaum praxistauglich.

Anpassung der „Bagatellgrenze“ an die Kaufkraft

Auch bezüglich der Bagatellgrenze, die die Kommission nach der Vernehmlassung in den Gesetzesentwurf eingeführt hat, soll sich nach Ansicht des Bundesrates etwas ändern. Zwar befürwortet er den Ausschluss des Widerrufsrechts für Verträge mit einem Wert von nicht mehr als 100 Franken, er will sich jedoch vorbehalten, diese Bagatellgrenze auf dem Verordnungsweg den allenfalls veränderten Kaufkraftverhältnissen anzupassen. Eine entsprechende Regelung findet sich bereits in den geltenden Bestimmungen zum Widerrufsrecht bei den Haustürgeschäften (vgl. Art. 40a Abs. 3 OR), die Kommission hatte in ihrem Entwurf aber ausdrücklich auf eine solche Anpassungsklausel verzichtet.

Nach wie vor ist hierzu festzuhalten, dass die Bagatellklausel in ihrer jetzigen Ausgestaltung in der Praxis einige Probleme mit sich bringen wird. Gemäss dem Entwurfstext ist davon auszugehen, dass auch Waren mit einem Wert von beispielsweise 10 Franken unter Berufung auf das Widerrufsrecht zurückgegeben werden können, sofern der Wert des Gesamtvertrags mehr als 100 Franken beträgt. Ob dies „unter wirtschaftlichen und praktischen Gesichtspunkten“ sinnvoll und somit im Sinne der Bestimmung ist, darf bezweifelt werden. Sinnvoller und weit weniger missbrauchsanfällig wäre eine Orientierung der Bagatellgrenze am Wert des einzelnen Produkts gewesen. Der Bundesrat hat es jedoch bedauerlicherweise unterlassen, hier eine Änderung oder Klarstellung einzufügen.

Präzisierung der Ausnahme für bestimmte termingebundene Dienstleistungen

Eine Änderung erfahren soll ausserdem die Ausnahme für termingebundene Transport-, Gastronomie-, Tourismus- und Freizeitgestaltungsdienstleistungen. Der Bundesrat empfiehlt hier eine Annäherung an den Wortlaut der massgebenden Bestimmung der EU-Verbraucherrechterichtlinie. Namentlich soll im Gesetzestext präzisiert werden, dass die Ausnahme nur bei Beherbergungen besteht, die nicht Wohnzwecken dienen. Ausserdem hat sich der Bundesrat dafür ausgesprochen, ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen, dass die Lieferung von Getränken und Speisen nur dann vom Widerrufsrecht ausgeschlossen ist, wenn es sich dabei um Cateringdienstleistungen handelt.

Verzicht auf Ausnahme für Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten

Verzichten will der Bundesrat hingegen auf die Ausnahmeregelung für dringende Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten, welche die Kommission aus dem EU-Recht übernommen hatte. Da das Widerrufsrecht nach künftigem Schweizer Recht ohnehin erlöschen soll, wenn eine (Reparatur-)Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist mit ausdrücklicher Zustimmung des Konsumenten vollständig erbracht wurde, sei diese Ausnahme nicht nötig. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, diese Bestimmung aus dem Gesetz zu streichen.

Informationspflicht des Anbieters bei Abholung der Ware in dessen Geschäftsräumen

Eine weitere sprachliche und inhaltliche Klarstellung fordert der Bundesrat bei den Gründen für das Erlöschen des Widerrufsrechts. So soll insbesondere festgehalten werden, dass das Widerrufsrecht bei einer Abholung der Ware im Geschäftsraum des Anbieters nur dann erlischt, wenn der Konsument Kenntnis vom Erlöschen des Widerrufsrechts hat. Daraus lässt sich eine Informations- bzw. Hinweispflicht des Anbieters ableiten, die der Kommissionsentwurf so noch nicht vorgesehen hatte. Nicht mehr erforderlich sein soll im Gegenzug die ausdrückliche Zustimmung des Konsumenten, dass er die Ware annimmt.

Nichtinformation soll Widerrufsfrist um ein Jahr verlängern

Die für die Praxis wohl bedeutendste Abweichung gegenüber dem Kommissionsentwurf betrifft die maximale Länge der Widerrufsfrist. Die Kommission hatte hier noch vorgesehen, dass die Widerrufsfrist maximal drei Monate und 14 Tage beträgt, wenn der Anbieter den Konsumenten nicht über sein Widerrufsrechts informiert hat. In Angleichung an das EU-Recht will der Bundesrat diese Frist deutlich verlängern, sodass sie erst spätestens ein Jahr und 14 Tage nach dem Empfang der Sache bzw. dem Vertragsabschluss endet.

Musterformulare für Widerrufsbelehrung und Widerrufserklärung

Neu in die Revisionsvorlage eingefügt hat der Bundesrat zudem eine Bestimmung, die ihm die Kompetenz einräumt, Formulare zur Verfügung zu stellen, mit denen die Anbieter über das Widerrufsrecht und die Widerrufsfrist informieren und die Konsumenten den Widerruf erklären können. Dadurch sollen beide Vertragsparteien bei der Umsetzung und Anwendung des Widerrufsrechts unterstützt werden. Die Verwendung von solchen Musterformularen soll jedoch nicht zwingend sein.

Keine Erstattungspflicht für Mehrkosten für Speziallieferungen

Eine Änderung ist auch im Bereich der Leistungsrückerstattungspflicht des Anbieters vorgesehen. Nach dem Vorschlag der Kommission hat der Anbieter bei einem Widerruf bereits geleistete Zahlungen des Konsumenten zurückzuerstatten. In Anlehnung an das europäische Verbraucherrecht will der Bundesrat diese Bestimmung einschränken und gewisse Kosten von der Rückerstattungspflicht ausnehmen. So sollen diejenigen Kosten nicht zurückerstattet werden müssen, die aufgrund einer besonderen Art der Lieferung entstanden sind, die im Einverständnis mit dem Konsumenten erfolgte (z. B. eine besondere Express- oder Einzellieferung).

Nächste Schritte

Als nächstes muss die Kommission die Stellungnahme des Bundesrates erneut beraten. Anschliessend wird sie das Geschäft an den Ständerat überweisen. Wann dieser über die Vorlage beraten wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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