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Der Bundesrat eröffnete am 20. 06. 2104 das Vernehmlassungsverfahren für die vier Swissness-Ausführungsverordnungen. Ziel der Revision des Verordnungsrechts ist es, den Schutz der Bezeichnung «Schweiz» und des Schweizerkreuzes zu verbessern. Durch präzisere Regeln soll der Schutzbereich weiter konkretisiert werden, damit, speziell für die betroffenen Akteure der Wirtschaft, mehr Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden kann. Die Inkraftsetzung des Swissness-Gesamtpakets ist auf den 1. Januar 2017 vorgesehen.
Ausgangslage
Vor etwa einem Jahr, am 21. Juni 2013, verabschiedete das Parlament nach jahrelanger Beratung die sogenannte Swissness-Vorlage. Ziel dieser Vorlage war es, mittels Änderungen im Marken- und Wappenschutzgesetz sowie kleineren Anpassungen in anderen Bundesgesetzen, die Herkunftsbezeichnung „Schweiz» und das Schweizerkreuz besser zu schützen (vgl. BR-News vom 24. 06. 2013). Mit den Gesetzesänderungen soll sichergestellt werden, dass die Marke „Schweiz» und der mit ihr verbundene wirtschaftliche Mehrwert – laut einer Botschaft des Bundesrats steigt der Wert von gewissen Export-Konsumgüter durch den Hinweis auf die Schweiz um bis zu 20% – auch in Zukunft erhalten bleibt. Nachdem die Änderungen der Swissness-Gesetzesvorlagen vom Parlament verabschiedet wurden, soll nun auch das Verordnungsrecht erneuert und angepasst werden. In Anbetracht dessen hat der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren für vier Swissness-Ausführungsverordnungen eröffnet.
Revision der Markenschutzverordnung – Berechnung der 60-%-Regel für Industrieprodukte
Im Rahmen der Teilrevision der Markenschutzverordnung (MSchV) werden neu die Schweizer Herkunftskriterien einfacher bestimmbar. Die revidierte Markenschutzverordnung enthält Präzisierungen dazu, wie der Swissness-Anteil von Produkten berechnet wird. Betroffen sind insbesondere industrielle Produkte und Dienstleistungen, also solche Produkte, die weder zu den Naturprodukten noch zu den Lebensmittel gezählt werden. Entscheidend für die Bestimmung der Herkunft eines Industrieprodukts sind die Herstellungskosten. Sie bestehen aus drei Komponenten:
- Forschungs- und Entwicklungskosten (produkt- und nicht produktbezogene Kosten)
- Materialkosten (Rohmaterialien, Hilfsstoffe, Halbfabrikate)
- Fertigungskosten (Löhne, Maschinen, Qualitätssicherung, Zertifizierung)
Schon in der Gesetzesrevision (MSchG) wurde festgehalten, dass mindestens 60% der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen müssen. Zudem muss der wichtigste Fabrikationsschritt in der Schweiz stattfinden. Bis anhin war jedoch unklar, wie die Herstellungskosten zu berechnen sind.
Durch eine wirtschaftsnahe Definition der Herstellungskosten und ihren Bestandteilen soll, mit den präzisierenden Bestimmungen (Art. 52c ff. MSchV) der Verordnung, diese Unklarheit behoben und die Berechnung der Herstellungskosten geklärt werden. Unternehmen sollen in Zukunft in der Lage sein, mit Hilfe der Verordnung die Herkunft ihrer Industrieprodukte eindeutig zu bestimmen. Für die Swissness-Berechnung dürfen und müssen nur diejenigen Kosten berücksichtigt werden, die im Herstellungsprozess auch tatsächlich anfallen (nur Kosten, denen tatsächlich ein Zahlungsvorgang zugrunde liegt).
Die Herstellungskosten lassen sich wie folgt berechnen:
Forschungskosten | |
Entwicklungskosten | |
1 | Total Forschungs- und Entwicklungskosten |
Rohmaterialkosten | |
Hilfsstoffkosten | |
Halbfabrikatekosten – Materialkostenanteil | |
Halbfabrikatekosten – Prozesskostenanteil | |
2 | Total Materialeinzelkosten |
Verpackungs- und Transportkosten der Produkte in Arbeit | |
Lagerkosten der Produkte in Arbeit | |
Sonstige Prozesskosten | |
3 | Total Materialgemeinkosten |
2+3 | Total Materialkosten |
Lohn und lohnabhängige Fertigungskosten | |
Maschinenabhängige Fertigungskosten | |
Sonstige Fertigungskosten | |
Kosten für gesetzlich vorgeschriebene oder branchenweit nachweislich einheitliche geregelte Qualitätssicherung und Zertifizierung | |
Kosten für produktbezogene Fremdleistungen und Lizenzen | |
4 | Total Fertigungskosten |
1+2+3+4 | TOTAL HERSTELLUNGSKOSTEN (inkl. F&E-Kosten) |
Dienstleistungen dürfen dann als «schweizerisch» bezeichnet werden, wenn der Dienstleistungserbringer einerseits seinen Geschäftssitz in der Schweiz hat und andererseits der Ort der tatsächlichen Verwaltung in der Schweiz liegt.
Verordnung über die Verwendung der Herkunftsangabe „Schweiz“ für Lebensmittel – Berechnung der 80-%-Regel für Lebensmittel
Die Verordnung konkretisiert die Gesetzesbestimmungen des revidierten Markenschutzgesetzes im Bereich der Lebensmittel. Das Anbringen der Herkunftsangabe „Schweiz“ auf Produkten ist freiwillig. Wenn man sich aber dafür entscheidet, müssen die entsprechenden Herkunftskriterien eingehalten werden.
Für Lebensmittel gilt neu, dass 80 Gewichtprozente der Rohstoffe aus der Schweiz stammen müssen. Der prozentuale Anteil der Schweizer Rohstoffe muss mindestens 80 % der anrechenbaren Lebensmittel ausmachen, damit ein Produkt das Herkunftskriterium „Schweiz“ erfüllt. Bei der Berechnung werden nicht alle Rohstoffe und Naturprodukte gleich behandelt. Je nach Verfügbarkeit und Selbstversorgungsgrad ergeben sich Unterschiede. Einige Rohstoffe oder Naturprodukte werden von der Berechnung gänzlich ausgeschlossen. Die Verordnung teilt die Rohstoffe und Naturprodukte nach ihrer Anrechenbarkeit in folgende Gruppen auf:
- Milch- und Milchprodukte werden voll angerechnet (100 %)
- Nicht produzierte Naturprodukte (z. B. Kakao, Kaffee) sind von den angerechneten Rohstoffen ausgeschlossen (0%)
- Temporär nicht verfügbare Naturprodukte (Ernteausfall) werden gänzlich ausgeschlossen (0 %)
- Naturprodukte mit speziellen Anforderungen (Tomaten zur Herstellung von Püree) sind gänzlich ausgeschlossen (0%).
- Rohstoffe mit einem Selbstversorgungsgrad von > 50 % werden voll angerechnet (100%)
- Rohstoffe mit einem Selbstversorgungsgrad von 20 -49,9 % werden hälftig angerechnet (50 %)
- Rohstoffe mit einem Selbstversorgungsgrad von < 20 % sind gänzlich ausgeschlossen (0 %)
- Bagatellklausel: Naturprodukte und daraus hergestellte Rohstoffe, Mikroorganismen und Zusatz-und Verarbeitungshilfsstoffe (Hefe, Pektin, …) sind gänzlich ausgeschlossen (0 %)
Wasser, das nicht natürlich in den Rohstoffen enthalten, sondern der Rezeptur beigefügt wird („Prozesswasser“), ist gänzlich ausgeschlossen. Anderenfalls würden zahlreiche Produkte dank eines hohen Wasseranteils die Swissness-Vorgaben erfüllen was nicht dem Willen des Gesetzgebers übereinstimmt. Nicht ausgeschlossen und somit anrechenbar sind Mineral- und Quellwasser.
Zur Verdeutlichung der Verordnungsbestimmungen folgt hier ein Rechenbeispiel:
Eine Tafel Milchschokolade enthält beispielsweise 44% Zucker und 21 % Milch. Die Verordnung sieht vor, dass Zucker und Milch zu 100% angerechnet werden. Die weiteren Zutaten (z. B. Kakao, Vanillearoma, Emulgatoren) werden nicht hinzugerechnet, da sie entweder unter die Bagatellklausel fallen oder nicht in der Schweiz produziert werden. Der Anteil der angerechneten Rohstoffe beträgt also 65%, da alle weiteren Rohstoffe der Rezeptur nicht angerechnet werden.
Von den angerechneten Rohstoffen (65%) müssen mindestens 80% aus der Schweiz stammen. Der Mindestanteil an Schweizer Rohstoffen beträgt in diesem Beispiel also 52% (65 × 100 / 80). Die Tafel Schokolade enthält Schweizer Rohstoffe (Milch und Zucker) im Umfang von 65%. Die Herkunftskriterien sind damit erfüllt. Man darf das Produkt als „Schweizer Schokolade“ verkaufen.
Zur Berechnung des Selbstversorgungsgrads betrachtet man die Innlandproduktion im Verhältnis zu den gesamten in der Schweiz verfügbaren Rohstoffen (Inlandproduktion + Import von Rohstoffen). Die Berechnung erfolgt jährlich als Durchschnitt von drei Kalenderjahren und wird im Anhang 2 der Verordnung abgedruckt. Verändert sich der Selbstversorgungsgrad so, dass strengere Anforderungen gelten, dürfen, nach Inkrafttreten der Änderungen, Produkte noch während 12 Monaten nach dem bisherigen Recht hergestellt und gekennzeichnet werden.
Verordnung über das Register für Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse
Mit der neuen Swissness-Gesetzgebung, insbesondere Art. 50a MSchG, wird der Schutz für geografische Angaben durch die Schaffung eines neuen Registers verstärkt. Im Register können geografische Angaben für Produkte, die nicht aus dem Lebensmittelbereich stammen, eingetragen werden. Damit wird eine bestehende Lücke im Schweizer Recht geschlossen. Bis anhin bestand lediglich ein vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) geführtes Register für geschützte geografische Angaben (GGA/IGP) und geschützte Ursprungsbezeichnungen (GUB/AOC) für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Mit der neuen Regelung können nun industrielle Produkte wie Uhren, Handwerksprodukte wie Textilien oder Keramik und Produkte, die durch Extraktion gewonnen werden, z. B. Gesteine oder Salz, als geographische Angaben (GA) oder Ursprungsbezeichnungen (UB) eingetragen werden.
Die neue Verordnung regelt die Bedingungen und das Verfahren für eine Eintragung, die Führung des Registers sowie den Schutz der UB und GA.
Verordnung über den Schutz des Schweizerwappens und anderer öffentlicher Zeichen
Die Totalrevision des Wappenschutzgesetzes bringt den Erlass einer neuen Verordnung mit sich. Neu wird das Institut für Geistiges Eigentum (IGE) ein elektronisches Register führen, in dem die öffentlichen Zeichen der Schweiz und des Auslandes aufgeführt sind. Die frei zugängliche Datenbank dient hauptsächlich der Schaffung von Transparenz und vereinfacht die Informationsbeschaffung.
Im Vergleich zur alten Wappenschutzgesetzgebung kommt es zu einer grundlegenden Änderung und Anpassung an die Wirtschaftspraxis. Neu dürfen nicht nur Dienstleistungen sondern auch Waren mit dem Schweizerkreuz versehen und beworben werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Herkunftskriterien erfüllt werden.
Diese Änderung dürfte insbesondere bei den Unternehmen mit Erleichterung zur Kenntnis genommen werden, die heute schon, entgegen dem geltenden Recht, das Schweizerkreuz auf ihren Produkten anbringen.
Das Schweizerwappen hingegen bleibt von dieser neuen Regelung ausgenommen. Sein Gebrauch bleibt grundsätzlich dem Gemeinwesen vorbehalten. Jedoch wird für jene Unternehmen und Vereine, die das Schweizerwappen bereits seit vielen Jahren benutzen (Victorinox, TCS,…), ausnahmsweise eine Weiterbenutzungsmöglichkeit vorgesehen. Die Bestimmungen dieser Verordnung konkretisieren die im Gesetz statuierten Vorgaben.
Ausblick
Die Inkraftsetzung des Swissness-Gesamtpakets ist auf den 1. Januar 2017 geplant. Es ist zudem vorgesehen, den Unternehmen, die sich an die neue Swissness-Regelung anpassen müssen, eine Übergangsfrist bis am 31. Dezember 2018 zu gewähren.
Weitere Informationen:
- Markenschutzgesetz, MSchG (Änderung vom 21. Juni 2013)
- Wappenschutzgesetz, WSchG (Änderung vom 21. Juni 2013)
- Markenschutzverordnung, MSchV (Änderung)
- Erläuternder Bericht zum „Swissness“ – Ausführungsrecht
- Erläuternder Bericht zur Änderung der Markenschutzverordnung, MSchV
- Erläuternder Bericht zur Verordnung über die Herkunftsangabe „Schweiz“ für Lebensmittel
- Erläuternder Bericht über das Register für Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben für nicht landwirtschaftliche Erzeugnisse
- Erläuternder Bericht zur Wappenschutzverordnung
- BR-News: „Parlament verabschiedet Swissness-Vorlage“