Public Viewing Lizenz Suisa

BVGer: Bei Public-Viewing-Events ist Lizenz der Suisa ausreichend


Ihr Kontakt

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 21. Februar 2011 entschieden, dass beim Public-Viewing neben der Lizenz der Verwertungsgesellschaft Suisa keine zusätzlichen Lizenzen der UEFA oder der SRG für den Empfang und die Ausstrahlung von Fernsehsendungen erforderlich sind. Das Gericht qualifizierte das Public-Viewing als eine «Wahrnehmbarmachung» von Sendungen im Sinne des Urheberrechts, welche anders als eine «öffentliche Vorführung», der sog. Kollektivverwertung unterliegt. Dementsprechend dürfen Lizenzen für das Public-Viewing ausschliesslich von den zuständigen Kollektivverwertungsgesellschaften erteilt werden.

Im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft EURO 2008 haben die verschiedenen Gesellschaften für die Verwertung von Urheberrechten den Gemeinsamen Tarif 3c (GT 3c) aufgestellt. Darin wurden die Bedingungen für die Erteilung einer Lizenz zum Empfang und zur Ausstrahlung von urheberrechtlich geschützten Fernsehsendungen im Rahmen eines Public-Viewing-Events sowie das dafür geschuldete Entgelt festgelegt. Nachdem der Tarif von der Eidg. Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) genehmigt wurde, legten die UEFA und die SRG gegen diesen Beschluss Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) ein. Dieses trat erst auf Veranlassung des Bundesgerichts (BGE 135 II 172) auf die Beschwerde ein und fällte nun am 21. Februar 2011 ein Urteil in der Sache (B-2346/2009).

Die SRG und die UEFA machten geltend, dass sie als Sendeunternehmen bzw. als Erwerber von Urheberrechten die Inhaber der Rechte an Sendungen, insbesondere der Übertragungen von Fussballspielen, seien. Sie gingen davon aus, dass Public Viewing eine neue Nutzungsform sei und unter das Vorführungsrecht in Art. 10 Abs. 2 lit. c URG falle, weshalb sie und nicht die Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung und Verwertung der Rechte gegenüber Public-Viewing-Veranstaltern befugt seien (sog. Individualverwertung).

Das Bundesverwaltungsgericht war jedoch anderer Auffassung und beurteilte das Public Viewing als eine Wahrnehmbarmachung im Sinne von Art. 10 Abs. 2 lit. f URG. Es führte dazu aus, dass sich das öffentliche Zeigen von Sendungen zwar neben dem öffentlichen Auf- und Vorführen von Werken und neben der Sendeverbreitung an ein eigenes, zusätzliches Publikum richte und deshalb eine eigene Nutzungsform darstelle. Diese Nutzung falle jedoch unter Art. 10 Abs. 2 lit. f URG, da sie stets getrennt von einem allfälligen Studiopublikum (Vorführung) sowie von den Fernsehabonnenten (Sendung) erfolgt. Public Viewings fänden definitionsgemäss nicht am Ort der Aufzeichnung der Sendung statt, sodass sie den Begriff der Vorführung nach Art. 10 Abs. 2 lit. c URG im engeren Sinne gar nicht erfüllen. Auch unter dieser Bestimmung fiele das Public Viewing unter das «anderswo Wahrnehmbarmachen», welches ebenfalls von dem in Art. 22 URG statuierten Zwang zur Kollektivverwertung erfasst wird. Für die Abgrenzung zwischen Vorführung und Wahrnehmbarmachung erachtete das BVGer auch die in der Lehre teilweise vorgebrachte Unterscheidung, ob sich die Zuschauer zum Zweck des Werkgenusses versammeln (Vorführung) oder der Werkgenuss nur einen Nebenzweck darstellt (Wahrnehmung), als unerheblich. Auch der Umstand, dass es sich beim Public Viewing um eine Erstnutzung von Sendungen handelt, sei nicht massgeblich, da gleichzeitig mit der gezeigten Sendung eine Zweitnutzung darin enthaltener Werkvorträge sowie Ton- und Bildaufnahmen erfolgt. Solche Sendungen dürften nicht zugleich einer kollektiven und individuellen Verwertung unterstellt sein, da dies dem Sinn und Zweck der Kollektivverwertung widerspräche.

Nicht beantwortet wurde im Entscheid die umstrittene Frage, ob die Live-Sendung einer Sportveranstaltung überhaupt ein Werk im Sinne des Schweizer Urheberrechts darstellt. Unabhängig davon haben die Sendeunternehmen jedoch gemäss Art. 37 URG ein verwandtes Schutzrecht bzw. ein Leistungsschutzrecht an der Sendung selbst. Dieses bezieht sich allerdings gemäss dem Bundesverwaltungsgericht ebenfalls nur auf die Wahrnehmbarmachung, weil Sendungen überhaupt nur «anderswo» öffentlich vorgeführt werden können und das Gesetz hierfür konsequent den Begriff der Wahrnehmbarmachung verwende, sodass ein Vorführrecht an Sendungen schon begrifflich ausscheide. Die Wahrnehmung und Verwertung dieses Leistungsschutzrechts untersteht ebenfalls der Kollektivverwertung (vgl. Art. 38 URG).

Das BVGer hat jedoch die Beschwerde der UEFA und der SRG insofern gutgeheissen, als die Angemessenheit des Tarifs von der ESchK nicht ausreichend geprüft wurde. Die ESchK wird sich somit noch einmal damit auseinander zu setzen haben.

Update: Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil B-2099/2011 vom 29. Mai 2012 seine Rechtsprechung bestätigt. Die UEFA hatte den GT 3c für die Jahre 2011-2014 aus den gleichen Gründen angefochten, jedoch keine neuen Argumente vorgebracht. Mit Verweis auf das oben besprochene Urteil wies das Gericht die Beschwerde wiederum vollumfänglich ab.

Weitere Informationen:


Artikel teilen



meistgelesen


Highlights

MLL Legal

MLL Legal ist eine der führenden Anwaltskanzleien in der Schweiz mit Büros in Zürich, Genf, Zug, Lausanne, London und Madrid. Wir beraten unsere Klienten in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts und zeichnen uns insbesondere durch unsere erstklassige Branchenexpertise in technisch-innovativen Spezialgebieten, aber auch in regulierten Branchen aus.

MLL Legal

Newsletter

MLL-News 03/22 mit Beiträgen zum Digital Markets Act, Digital Services Act, PBV-Revision, Abmahnungen zu Google Fonts, Inbox-Adverting und vieles mehr.

Zugang MLL-News 03/22

Jetzt anmelden!

Unsere Geschichte

MLL Legal ist eine führende Schweizer Anwaltskanzlei, deren Geschichte bis ins Jahr 1885 zurückreicht. Die Kanzlei ist sowohl organisch als auch durch strategische Fusionen gewachsen, von denen die Jüngste am 1. Juli 2021 zwischen Meyerlustenberger Lachenal und FRORIEP vollzogen wurde.

Durch diesen Zusammenschluss hat sich MLL Legal zu einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz mit über 150 Anwältinnen und Anwälten in vier Büros in der Schweiz entwickelt. Auch zwei Büros im Ausland, in London und Madrid, bieten Anlaufstellen vor Ort für Klientinnen und Klienten, die Beratung im Schweizer Wirtschaftsrecht suchen.

Die Kanzlei verfügt heutzutage über ein starkes internationales Profil und ein langjährig aufgebautes globales Netzwerk. MLL Legal vereint anerkannte Führungsqualitäten und Fachwissen in allen Bereichen des Schweizer und internationalen Wirtschaftsrechts.

Über uns

Publikationen

Hier geht’s zu unseren neuesten Publikationen

COVID-19

Lesen Sie alle unsere rechtlichen Updates zu den Auswirkungen von COVID-19 für Unternehmen.

COVID-19 Information

Offene Stellen

Sind Sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung?

Unsere talentierten und ambitionierten Teams sind von einer gemeinsamen Vision motiviert, erfolgreich zu sein. Wir schätzen eine offene und unkomplizierte Kommunikation über alle Ebenen der Organisation hinweg in einem unterstützenden Arbeitsumfeld.

Offene Stellen

Real Estate Legal Update

Hier gehts zum Real Estate Legal Update 01/24. Unser Real Estate Team hat wiederum Artikel in verschiedenen Gebieten verfasst, so dass hoffentlich für alle etwas Interessantes dabei ist. Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre.

Registrieren Sie sich hier, um unser 2 x jährlich erscheinendes Real Estate Legal Update zu erhalten.

Unser Team

Unsere über 150 Anwältinnen und Anwälte unterstützen Sie dabei, den regulatorischen und technologischen Anforderungen im modernen globalen Wirtschaftsleben erfolgreich zu begegnen und ihre wirtschaftlichen Chancen zu nutzen.

Unser Team

Revision DSG

Auf unserer Themenseite rund um die Revision des Schweizerischen Datenschutzgesetzes finden Sie regelmässig aktualisierte und umfassende Informationen und Hilfsmittel. Es ist uns ein Anliegen, Sie bei der Implementierung der neuen Vorgaben zu unterstützen.

Revision DSG Themenseite

MLL Legal on Social Media

Folgen Sie uns auf LinkedIn.