BVGer: Konsumentenschutzorganisationen sind nicht zur Beschwerde gegen Cassis-de-Dijon-Allgemeinverfügungen legitimiert


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Konsumentenschutzorganisationen sind nicht berechtigt, gegen Allgemeinverfügungen im Rahmen des Cassis-de-Dijon-Prinzips Beschwerde zu erheben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im kürzlich publizierten Urteil C-465/2011 vom 28. März 2012 entschieden. Es fehle an einer spezialgesetzlichen Grundlage für die Legitimation der Konsumentenschutzorganisationen. Diese hätten ihre Interessen bzw. Interessen der Allgemeinheit stattdessen im politischen Prozess einzubringen.

Das THG und das Cassis-de-Dijon-Prinzip

Das revidierte Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) ist seit dem 1. Juli 2010 in Kraft. Es enthält unter anderem die einseitige Einführung des so genannten Cassis-de-Dijon-Prinzips (Art. 16a ff. THG; vgl. BR-News vom 10. Mai 2010). Dieses Prinzip besagt, dass Produkte in der Schweiz ohne weitere Kontrollen zugelassen werden, wenn sie den technischen Vorschriften der EU oder eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR entsprechen (Art. 16a THG). Eine Ausnahme davon gilt für Lebensmittel. Diese benötigen beim Erstimport eine Bewilligung des Bundesamts für Gesundheit (Art. 16c THG). Diese Bewilligung wird in Form einer Allgemeinverfügung (Art. 7 VIPaV) erteilt. Eine Allgemeinverfügung enthält unter anderem eine genaue Beschreibung des Lebensmittel und der massgebenden ausländischen Vorschriften (vgl. Art. 8 VIPaV). Sie gilt für alle gleichartigen Lebensmittel (vgl. Art. 9 VIPaV) und für alle Importeure, die gleichartige Lebensmittel einführen wollen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt des Rechtsstreits, über welchen das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil C-465/2011 am 28. März 2012 entschieden hat, war ein Gesuch der Storck (Schweiz) GmbH an das Bundesamt für Gesundheit (BAG), ihre „Sahnebonbons“ nach dem Cassis-de-Dijon-Prinzip in der Schweiz in den Verkehr bringen zu dürfen. Das BAG bewilligte dieses Gesuch mit Verweis auf die Ziffern 1 bis 4 der Allgemeinverfügung Nr. 1045 vom 25. November 2010, welche es zum integrierenden Bestandteil der am gleichen Tag eröffneten Individualverfügung erklärte. Gemäss dieser Allgemeinverfügung dürfen Karamellbonbons, die nach deutschem Recht hergestellt sind, in die Schweiz eingeführt, in der Schweiz hergestellt oder in Verkehr gebracht werden, auch wenn sie nicht den in der Schweiz geltenden technischen Vorschriften entsprechen. Gegen diese Verfügung erhoben die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) sowie die Konsumentenschutzorganisationen der französisch- und italienischsprachigen Schweiz Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie machten dabei unter anderem eine Verletzung der Lebensmittelgesetzgebung geltend, insbesondere Art. 26 LGV über die Beschriftung von vorverpackten Lebensmitteln. Konkret seien die Vorschriften zur Schriftgrösse nicht eingehalten. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Bewilligung seien deshalb nicht gegeben.

Materiell befasste sich das Gericht allerdings nicht mit der Beschwerde, denn es verneinte bereits die Legitimation der Konsumentenschutzorganisationen und trat folglich nicht auf die Beschwerde ein.

Keine Beschwerdelegitimation für Konsumentenschutzorganisationen

Das Bundesverwaltungsgericht erläuterte in seiner Begründung als erstes, unter welchen Voraussetzungen eine juristische Person zur Verbandsbeschwerde berechtigt ist. Dies ist dann der Fall, wenn es spezialgesetzlich vorgesehen ist (Art. 48 Abs. 2 VwVG; sog. ideelle Verbandsbeschwerde) oder dann, wenn der Verband statutarisch zur Vertretung der Interessen seiner Mitglieder verpflichtet ist, die Mehrheit der Mitglieder die Interessen teilt und selbst zur Beschwerde berechtigt wäre (Art. 48 Abs. 1 VwVG; sog. egoistische Verbandsbeschwerde). Im Spezialgesetz ist keine Beschwerdelegitimation für die Konsumentenschutzverbände vorgesehen, womit die ideelle Verbandsbeschwerde vorliegend nicht in Betracht kam. Deshalb prüfte das Gericht die Voraussetzungen der egoistischen Verbandsbeschwerde. Es bejahte sämtliche Voraussetzungen bis auf die Frage, ob die Mitglieder der Konsumentenschutzorganisationen selbst zur Beschwerde berechtigt wären.

Dabei wies das Gericht darauf hin, dass die Konsumentenschutzorganisationen vorliegend nur Interessen der Allgemeinheit geltend machten. Solche würden auch die einzelnen Mitglieder nicht zu einer Beschwerde legitimieren. Allgemeininteressen müssten in der politischen Diskussion und nicht im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eingebracht werden. Die Beschwerdebefugnis der Konsumentenschutzorganisationen zur Erhebung einer egoistischen Verbandsbeschwerde verneinte das Bundesverwaltungsgericht aus diesem Grund.

Zu prüfen blieb, ob die Konsumentenschutzorganisationen aus eigenem Recht zur Beschwerde legitimiert wären. Die Organisationen waren der Meinung, dass sie ihre Funktion der Marktüberwachung nicht wahrnehmen könnten, wenn sie nicht zur Beschwerde gegen Allgemeinverfügungen legitimiert seien. Wiederum verwies das Gericht darauf, dass die Funktion der Konsumentenschutzorganisationen darin liege, an der politischen Diskussion teilzunehmen und den Meinungsprozess mitzuprägen, nicht jedoch, als Drittpartei Beschwerden zu erheben.

Kein Weiterzug ans Bundesgericht

Die Konsumentenschutzorganisationen haben bereit erklärt, dass sie das Urteil nicht ans Bundesgericht weiterziehen werden. Stattdessen werde man auf politischer Ebene aktiv werden und insbesondere Abwarten, wie das Parlament über eine parlamentarische Initiative entscheidet, die verlangt, dass Lebensmittel generell vom Geltungsbereich des Cassis-de-Dijon-Prinzips ausgenommen werden (vgl. Medienmitteilung vom 4. April 2012).
Update: Das Bundesgericht hatte vor kurzem einen ähnlichen Fall zu beurteilen und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt. In diesem Fall war die Schweizer Milchproduzenten SMP Genossenschaft Beschwerdeführer. Das Bundesgericht entschied, dass diese nicht zur egoistischen Verbandsbeschwerde legitimiert sei, da auch ihre Mitglieder einzeln nicht zur Beschwerde berechtigt wären und allgemeine öffentliche Interessen nicht zur Beschwerde berechtigen. Das Urteil vom 10. Mai 2012 (2C_854/2011) kann auf der Homepage des Bundesgerichts nachgelesen werden.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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