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Das Bundesverwaltungsgericht hat kürzlich die von der WEKO gegen die Potenzmittelhersteller Pfizer, Eli Lilly und Bayer im Jahre 2009 aufgrund von Preisempfehlungen ausgesprochenen Sanktionen im Umfang von insgesamt 5.7 Millionen Franken erneut aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte in den drei Urteilen zum Schluss, dass Preisempfehlungen nur dann als kartellrechtlich unzulässig einzustufen sind, wenn sie ihren Empfehlungscharakter verlieren und durch Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen überwacht und durchgesetzt werden.
Vorgeschichte
Die WEKO hatte den Potenzmittelherstellern Pfizer, Eli Lilly und Bayer Ende 2009 Sanktionen in der Höhe von insgesamt CHF 5.7 Mio. auferlegt (vgl. dazu MLL-News vom 19. Januar 2010). Nach Ansicht der WEKO bezweckte und bewirkte das Veröffentlichen und Befolgen der Preisempfehlungen im Sinne eines abgestimmten Verhaltens weitgehend einheitliche Preise. Für die Verkäufer, Apotheken und selbstdispensierende Ärzte habe sich dies wie ein Festpreis ausgewirkt. Zentrales Argument für diese Einschätzung war der Umstand, dass die von den Herstellern empfohlenen Preise nach Einschätzung der WEKO jeweils von mehr als 80 % der Verkäufer, Apotheken und selbstdispensierenden Ärzte eingehalten wurden. Sie stützte sich dabei auf die Ergebnisse von in den Jahren 2005 und 2006 unter Verkaufsstellen durchgeführten Umfragen.
Der Entscheid der WEKO stiess in der rechtswissenschaftlichen Literatur teilweise auf harsche Kritik. Dies insbesondere deshalb, weil die WEKO den Pharmaunternehmen nicht nachgewiesen hatte, dass sie Anreize gesetzt oder Druck ausgeübt hätten, um die Verkaufsstellen zur Einhaltung der Preisempfehlungen zu bewegen. Es wurde argumentiert, dass die blosse Einhaltung von Preisempfehlungen bzw. deren hoher Befolgungsgrad ausserhalb des Einflussbereichs eines Herstellers liege, weshalb der Entscheid zu einem faktischen Verbot von unverbindlichen Preisempfehlungen führe (vgl. dazu MLL-News vom 5. Januar 2014).
Die Pharmaunternehmen legten gegen den Entscheid der WEKO Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Bundesverwaltungsgericht hob den Entscheid der WEKO zwar auf, die erhoffte Klärung der Frage nach der kartellrechtlichen Relevanz von unverbindlichen Preisempfehlungen blieb indessen aus. Das Bundesverwaltungsgericht stützte die Aufhebung des Entscheids der WEKO vielmehr mit dem Argument, dass das Kartellgesetz auf den Fall gar nicht anwendbar sei. Es vertrat die Ansicht, Preiswettbewerb werde durch das arzneimittelrechtliche Werbeverbote und den «Schamfaktor», der beim Kauf von Potenzmitteln vorhanden sei, faktisch nicht zugelassen (vgl. dazu MLL-News vom 5. Januar 2014).
Das in der Folge vom Eidgenössischen Wirtschaftsdepartement angerufene Bundesgericht kam im Jahr 2015 zum gegenteiligen Schluss (BGE 141 II 66): Bei Potenzmitteln herrsche sehr wohl Wettbewerb, weshalb das Kartellgesetz anwendbar sei. Das Heilmittelgesetz sehe vor, dass Preisvergleiche bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zulässig seien. Es bestehe also Raum für Wettbewerb, wenn auch nicht in gleich intensiver Ausgestaltung wie in nicht regulierten Märkten. Das Bundesgericht hob den Entscheid auf und wies den Fall zur Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurück.
Preisempfehlungen mit reinem Empfehlungscharakter sind zulässig
Das Bundesverwaltungsgericht hatte somit die Frage nach dem Vorliegen einer unzulässigen Preisabsprache bei unverbindlichen Preisempfehlungen eines Herstellers zu prüfen. Konkret stellte sich die Frage, ob sich die Preisempfehlungen wie ein wettbewerbsbeschränkender Festpreis ausgewirkt haben.
Das Bundesverwaltungsgericht kam zum Schluss, dass keine vertikalen Abreden nachgewiesen werden konnten. Die Pharmaunternehmen hätten ihre Abnehmer nicht dazu verpflichtet, die von ihnen hergestellten Potenzmittel zu einem festgesetzten Preis weiterzuveräussern. Auch ein durch die Preisempfehlungen abgestimmtes Verhalten mit einer bezweckten oder bewirkten wettbewerbsbeschränkenden Wirkung sei nicht erwiesen.
Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts sind Preisempfehlungen nur dann als kartellrechtswidrig anzusehen, wenn sie ihren Empfehlungscharakter verlieren und durch Ausübung von Druck oder Gewährung von Anreizen überwacht und durchgesetzt werden. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall allerdings selbst nach Ansicht der WEKO nicht gegeben. Bei den in Frage stehenden Preisempfehlungen der Potenzmittelhersteller handelte es sich reine Preisempfehlungen, die sich letztlich als kartellrechtlich ebenso zulässige Höchstpreisempfehlung herausgestellt haben. Höchstpreisempfehlungen würden sogar eine allzu hohe Preisentwicklung verhindern. Vor diesem Hintergrund hob das Bundesverwaltungsgericht die von der WEKO ausgesprochenen Sanktionen daher erneut auf. Die drei Verfahren sind nun allerdings vor dem Bundesgericht hängig.
Anmerkungen
Mit den drei Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht die Praxis betreffend unverbindlichen Preisempfehlungen an die Rechtslage in der Europäischen Union angepasst. Auf Verordnungsebene wird da festgehalten, dass Preisempfehlungen grundsätzlich zulässig sind, „sofern sich diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen durch eines der beteiligten Unternehmen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirken“ (Art. 4 lit. a Vertikal-GVO). Die Urteile sind somit als eine willkommene Klarstellung hinsichtlich der Zulässigkeit unverbindlicher Preisempfehlungen auch im Schweizer Kartellrecht zu sehen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob das Bundesgericht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt.
Weitere Informationen:
- Urteil des BVGer B-843‑2015 (Eli Lilly)
- Urteil des BVGer B-844‑2015 (Bayer)
- Urteil des BVGer B-846‑2015 (Pfizer)
- Medienmitteilung des BVGer vom 10. Januar 2018
- MLL-News: „Preisempfehlungen von Pharmafirmen: Bundesverwaltungsgericht hebt kartellrechtliche Busse der WEKO auf“
- MLL-News: „Beschwerde gegen Weko-Busse – Pharmafirmen“