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In einem aktuellen Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht die App „Sympto“ als Medizinprodukt qualifiziert. Durch eine Auswertung der Personendaten der Nutzerinnen können mit der App die fruchtbaren Tage von Frauen bestimmt werden. Das Gericht sah darin einen medizinischen Zweck und erachtete auch die übrigen Voraussetzungen zur Einordnung als Medizinprodukt als erfüllt. Aus diesem Grund muss die Anwendung das Konformitätsbewertungsverfahren im Sinne des Heilmittelgesetzes und der Medizinprodukteverordnung durchlaufen, bevor sie in der Schweiz vermarktet werden darf.
Verbot der Vermarktung von „Sympto“ durch Swissmedic
Die App „Sympto“ analysiert den Menstruationszyklus der Frau und ermöglicht so, die Fruchtbarkeits- oder Unfruchtbarkeitsperioden der App-Nutzerinnen genau zu bestimmen. Die App stützt sich dazu auf Daten, die die Nutzerinnen über ihre Körpertemperatur und ihren Zervixschleim eingeben (symptothermische Methode).
Im März 2016 verbot die schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel (Swissmedic) die Vermarktung von „Sympto“. Swissmedic stellte sich auf den Standpunkt, die App sei ein Medizinprodukt, weil sie für jede Nutzerin ein Fertilitätsfenster berechnet, nachdem diese ihre Personendaten ins System eingegeben hat. Die App müsse daher den für Medizinprodukte vorgesehenen gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Da „Sympto“ das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren nicht durchlaufen hätte, seien diese Anforderungen nicht erfüllt.
Die Stiftung Sympto-Therm reichte gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein. Sie brachte vor, ihre App sei nicht ein Medizinprodukt, sondern ein didaktisches Instrument. «Sympto» reguliere die Empfängnis nicht, sondern sei lediglich ein Hilfsmittel, das der Frau ermögliche, ihre Menstruationszyklen zu beobachten und so Schlussfolgerungen über ihre Fertilität zu ziehen. Es handle sich bei „Sympto“ um eine natürliche Empfängnisverhütung oder Zeugungshilfe, die gerade keinen medizinischen Zweck verfolge und somit von einer medizinischen Empfängnisverhütung unterschieden werden müsse.
Rechtliche Einordnung von Medizinprodukten in der Schweiz
Als Medizinprodukte gelten Produkte, einschliesslich Instrumente, Apparate, In-vitro-Diagnostika, Software und andere Gegenstände oder Stoffe, die für die medizinische Verwendung bestimmt sind oder angepriesen werden und deren Hauptwirkung nicht durch ein Arzneimittel erreicht wird. Als Medizinprodukte gelten demnach nicht nur diejenigen Produkte, die für den medizinischen Gebrauch bestimmt sind, sondern auch solche, die als Medizinprodukte präsentiert werden. Solche Medizinprodukte «durch Anpreisung» sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Produkte, die in Bezug auf ihre Kennzeichnung, Verpackung oder Werbung dazu bestimmt zu sein scheinen, medizinisch am Körper zu wirken.
Medizinprodukte dürfen in der Schweiz erst in Verkehr gebracht werden, wenn das sogenannte Konformitätsbewertungsverfahren erfolgreich abgeschlossen wurde. Das Verfahren der Konformitätsbewertung ist vom Gefährdungspotential des in Verkehr zu bringenden Produkts abhängig. Die Bewertung muss je nach Gefährdungspotential vom Hersteller selbst oder von einer externen Stelle vorgenommen werden. Das sichtbare Resultat einer erfolgten Konformitätsbewertung ist das CE-Zeichen oder das schweizerische MD-Kennzeichen. Medizinprodukte, die mit dem CE-Zeichen gekennzeichnet sind, können aufgrund von Staatsverträgen zwischen der EU und der Schweiz über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen für Medizinprodukte auch innerhalb der EU in Verkehr gebracht werden (vgl. auch MLL-News vom 12.4.2018).
Revision des Medizinprodukterechts
In seinem Urteil vom 17. September 2018 (C-669/2016) weist das Bundesverwaltungsgericht zunächst auf die laufende Revision des schweizerischen Medizinprodukterechts hin, mit der eine etappenweise Angleichung an die EU-Regulierungen erreicht werden soll. Der Hauptfokus der Revision liegt auf der Verbesserung der Patientensicherheit und der Gewährleistung der Transparenz der Informationen über Medizinprodukte für das Publikum (vgl. dazu MLL-News vom 12.4.2018). Die aktuelle Entscheidung stützte sich noch auf das geltende Recht.
Software als Medizinprodukte
Das Bundesverwaltungsgericht führt sodann aus, dass Medizinprodukte im schweizerischen und europäischen Recht gleich definiert werden. Da gerade bei Software die rechtliche Erfassung allerdings nicht immer leicht ist, wie auch ein aktuelles Urteil des EuGH verdeutlicht (vgl. MLL-News vom 14.2.2018), setzte sich das Bundesverwaltungsgericht detailliert mit der Lehre und Rechtsprechung der EU und der Schweiz zur rechtlichen Qualifikation von Software auseinander.
Das Gericht hält zusammengefasst fest, dass eine Software dann als Medizinprodukt zu qualifizieren ist:
- wenn sie für eine der vom Gesetzgeber vorgesehenen medizinischen Zwecke verwendet werden soll, und
- durch Berechnungen oder Vergleich Gesundheitsinformation erstellt oder modifiziert,
- um so Auskünfte über einen bestimmten Patienten bereitzustellen.
Sowohl das schweizerische Recht wie auch das europäische Recht sehen sodann explizit vor, dass Produkte, die bezwecken, die Empfängnis zu regeln, als Medizinprodukte zu qualifizieren sind.
Qualifikation der App „Sympto“ als Medizinprodukt
Das Bundesverwaltungsgericht prüft in der Folge den Einsatz der App „Sympto“ und die Art, wie sie Daten bearbeitet. Das Gericht hebt insbesondere hervor, dass die App die Fertilitätsperioden ihrer Nutzerinnen berechnet und damit unter anderem eine erfolgreiche Zeugung bzw. Verhütung bezweckt. Dies sei im Gesetz ausdrücklich als ein medizinischer Verwendungszweck definiert. Diese Zwecksetzung werde auf der Website der Stiftung auch beworben. Zudem definiere die App einen Zustand gestützt auf Symptome und sei somit für eine medizinische Verwendung konzipiert.
Ausserdem stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die App die eingegebenen Personendaten jeder Nutzerin durch Berechnungen und Interpretationen auswertet und auf dieser Grundlage der jeweiligen App-Nutzerin Informationen über ihre Fruchtbarkeitsperioden bereitstellt. Da die App die eingegebenen Daten gezielt verarbeitet, ist sie nicht lediglich ein didaktisches Hilfsmittel. Es handle sich bei „Sympto“ vielmehr um ein Medizinprodukt, welches das Konformitätsbewertungsverfahren im Sinne des Heilmittelgesetzes und der Medizinprodukteverordnung zu durchlaufen hat, bevor es in der Schweiz vermarktet werden darf.
Entscheid und Beschwerdemöglichkeit
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt im Ergebnis den Entscheid von Swissmedic und weist die Beschwerde der Stiftung Sympto-Therm ab. Gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts konnte innert einer Frist von 30 Tagen Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht werden. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob der Fall an das Bundesgericht weitergezogen wurde.
Weiterführende Informationen:
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2018 (C-669/2016)
- Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts
- Medizinprodukte-Richtlinie (93/42/EWG)
- Schweizer Medizinprodukteverordnung (MepV)
- MLL-News vom 14.2.2018: „EuGH: wann gilt eine Software als Medizinprodukt?“
- MLL-News vom 12.4.2018: „Revision des Medizinprodukterechts: Bundesrat will Sicherheitsvorgaben verschärfen“