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Das Bundesverwaltungsgericht hat vor kurzem ein Urteil veröffentlicht, in dem es sich mit der vorübergenden Verwendung eines ausländischen Fahrzeugs durch den in der Schweiz arbeitenden, aber in Deutschland wohnhaften X zu befassen hatte. Die Zollverwaltung verweigerte diesem die Verlängerung einer so genannten 15.30-Bewilligung, da er seinen Wohnsitz mittlerweile in der Schweiz habe. X zog den Fall daraufhin ans Bundesverwaltungsgericht weiter. Dieses argumentierte
– anders als die Zollverwaltung und der Beschwerdeführer – aber nicht mit dem ausländischen bzw. schweizerischen Wohnsitz, sondern erachtete eine andere Voraussetzung der vorübergehenden Verwendung als nicht erfüllt: Es handle sich vorliegend nicht um eine „vorübergehende“ Verwendung, da diese nur dann möglich sei, wenn es sich um einen zeitlich begrenzten Sachverhalt handle. Das Gesetz erlaube im Ausland wohnhaften, bei einem Schweizer Unternehmen angestellten Arbeitnehmenden die vorübergehende Verwendung ausländischer Fahrzeuge. Da die Arbeitsaufnahme aber laut Gesetzestext der Aus- oder Weiterbildung gleichgestellt sei, könne die Verwendung eines ausländischen Fahrzeugs einem Arbeitnehmer deshalb nur dann bewilligt werden, wenn die Arbeit nicht wesentlich länger als eine Aus- oder Weiterbildung dauere. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts könnte zu einer Praxisänderung führen. Bisher hat die Zollverwaltung lediglich auf den ausländischen Wohnsitz abgestellt, neu wird sie auch die Dauer des Arbeitsverhältnisses berücksichtigen müssen. Im Ergebnis bedeutet das Bundesverwaltungsgerichtsurteil wohl, dass nur noch Personen mit befristeten Arbeitsverhältnissen in den Genuss einer 15.30-Bewilligung kommen können. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Zollverwaltung ihre Praxis ändern wird.
Sachverhalt
Zu beurteilen hatte das Bundesverwaltungsgericht den Fall des in Deutschland wohnhaften, aber seit 1996 in der Schweiz arbeitenden Pflegers X. Dieser reist in der Regel wöchentlich in die Schweiz ein, übernachtet während der Woche in einem möblierten Personalzimmer und verbringt die Wochenenden in seiner eigenen Wohnung in Deutschland. Für die Fahrt zwischen Wohn- und Arbeitsort verwendet X sein in Deutschland immatrikuliertes Fahrzeug.
Im Jahr 2007 erteilte ihm die Zollverwaltung die Bewilligung, dieses während zwei Jahren unverzollt und unversteuert in der Schweiz zu verwenden (sog. 15.30-Bewilligung, Art. 35 Abs. 1 ZV, vgl. BR-News vom 14. September 2011). Im Jahr 2009 wurde die Bewilligung um zwei weitere Jahre verlängert (Art. 164 Abs. 3 ZV). Eine erneute Verlängerung der Bewilligung verweigerte die Zollverwaltung aber im Dezember 2010. Da X mittlerweile im Besitz einer Niederlassungsbewilligung C sei, könne nicht mehr von einem ausländischen Wohnsitz ausgegangen werden, weshalb das Fahrzeug bis Ende Mai 2011 entweder definitiv auszuführen oder zur Einfuhrverzollung anzumelden sei, so die zuständige Zollkreisdirektion.
Weil X auf diese Aufforderung nicht reagierte, forderte die Zollverwaltung im Juni 2011 die Einfuhrabgaben ein. Gegen diese Nachforderungsverfügung erhob X Beschwerde mit der Begründung, sein Wohnsitz sei nach wie vor im Ausland. Die Oberzolldirektion wies die Beschwerde ab. Den negativen Beschwerdeentscheid legte X schliesslich dem Bundesverwaltungsgericht vor. Er begründete seine erneute Beschwerde insbesondere damit, dass er in der Schweiz lediglich Wochenaufenthalter und die Niederlassungsbewilligung C mittlerweile in eine Grenzgängerbewilligung G umgewandelt worden sei.
Frage des Wohnsitzes gemäss BVGer vorliegend nicht relevant
Das Bundesverwaltungsgericht hatte zu entscheiden, ob die Zollverwaltung X die Bewilligung zu Recht verweigert hatte. Es bestätigte die Verweigerung zwar, begründete sie aber anders als die Vorinstanz. Im bisherigen Verfahren war die zentrale Frage jeweils, ob X seinen Wohnsitz in der Schweiz oder im Ausland habe. Weder die Zollverwaltung noch X brachten andere Argumente vor, weshalb die Bewilligung erteilt bzw. nicht erteilt werden sollte. Das Bundesverwaltungsgericht jedoch befasste sich in seinem Urteil A-1480/2012 nicht mit der Frage des Wohnsitzes. Zwar sei diese in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts und der Zollrekurskommission jeweils entscheidend gewesen. Im vorliegenden Fall könne sie jedoch offen gelassen werden. Es sei nämlich bereits eine andere für eine Bewilligung erforderliche Bedingung nicht erfüllt, und zwar diejenige, dass die Verwendung „vorübergehend“ sein müsse.
Interpretation des Begriffs „vorübergehende Verwendung“
Das Bundesverwaltungsgericht beschränkte sich deshalb in der rechtlichen Würdigung des Falles auf die Interpretation des Begriffs „vorübergehende Verwendung“ in Art. 35 Abs. 1 ZV. Der genannte Artikel hält fest, dass die Zollverwaltung Personen mit Wohnsitz ausserhalb des Zollgebiets, die zur Arbeitsaufnahme, zur Aus- oder Weiterbildung oder aus ähnlichen Gründen einreisen, die vorübergehende Verwendung eines ausländischen Beförderungsmittels für den eigenen Gebrauch bewilligt.
Aus diesem Wortlaut gehe nicht eindeutig hervor, ob die wöchentliche Einreise zur Ausübung einer Arbeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis noch eine „vorübergehende Verwendung“ darstelle. Aus der systematischen Gliederung sei aber erkennbar, dass die in Art. 35 Abs. 1 ZV genannten Einreisezwecke einander gleichgestellt seien. Da Aus- und Weiterbildungen immer zeitlich begrenzt seien, folge aus dieser Gleichstellung, dass auch die Arbeitsaufnahme zeitlich begrenzt sein müsse. Es könne in all denjenigen Fällen nicht mehr von einer vorübergehenden Arbeitsaufnahme die Rede sein, in denen die Dauer einer Aus- oder Weiterbildung klar überschritten werde.
Dieses Verständnis bestätige auch eine Konsultation der Botschaft zum Zollgesetz. Aus dieser ergebe sich, dass der Gesetzgeber bestrebt war, das schweizerische Zollrecht stark an dasjenige der Europäischen Union anzugleichen. Das Bundesverwaltungsgericht warf deshalb einen Blick auf die entsprechenden Regelungen des EU-Zollrechts. In der Durchführungsverordnung zum europäischen Zollkodex sei die Frist zur Beendigung der vorübergehenden Verwendung von Strassenfahrzeugen explizit geregelt. In diesem ist festgehalten, dass Arbeitnehmer das Verfahren der vorübergehenden Verwendung nur dann in Anspruch nehmen können, wenn sie einen „Auftrag von bestimmter Dauer“ erfüllen.
Fazit: Verfahren der vorübergehenden Verwendung nur auf zeitlich begrenzte Sachverhalte anwendbar
Zusammengefasst hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Bestimmung über die vorübergehende Verwendung eines ausländischen Fahrzeugs nur auf zeitlich begrenzte Sachverhalte Anwendung finden könne. Dem Wortlaut des Gesetzes lasse sich aber nicht entnehmen, wo die Grenze zwischen dem vorübergehenden und dem unbefristeten Gebrauch eines ausländischen Fahrzeugs zwecks Arbeitsaufnahme zu ziehen sei. Aus der systematischen Auslegung ergebe sich zwar keine Begrenzung in Jahren, eine Arbeit im Umfang einer Aus- und Weiterbildung dürfte die Anwendung von Art. 35 Abs. 1 ZV aber rechtfertigen. Dies gelte jedoch nicht für Sachverhalte, bei welchen eine solche Dauer klar überschritten werde. Eine Verwendung sei zudem immer dann nicht mehr vorübergehend, wenn die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingegliedert werde, diesen nicht wieder verlasse oder sie zu einer Diskriminierung von Waren des zollrechtlich freien Verkehrs führe. Letzteres sei vorliegend der Fall, da sich das Fahrzeug gesamthaft länger in der Schweiz als im Ausland befinde. Der Gebrauch unterscheide sich deshalb nicht massgeblich vom Gebrauch, den eine Person von ihrem Fahrzeug im zollrechtlich freien Verkehr mache. Eine Sonderbehandlung sei aus diesem Grund nicht gerechtfertigt. Das Gericht wies die Beschwerde deshalb ab.
Kommentar
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das Urteil an das Bundesgericht weiterzuziehen. Es ist nicht bekannt, ob X dies tun wird oder bereits getan hat. Eine höchstrichterliche Klärung der Frage wäre aber begrüssenswert. Dies besonders deshalb, weil die Zollverwaltung in ihrer Praxis bisher lediglich auf den zivilrechtlichen Wohnsitz der antragstellenden Person abgestellt hat und die Würdigung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb zu einer Praxisänderung führen könnte.
Zu bedauern ist jedenfalls, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht dazu geäussert hat, welche Auswirkungen der ausländerrechtliche Status auf den zivilrechtlichen Wohnsitz hat. Nach der uns bekannten bisherigen Praxis der Zollverwaltung begründet eine Niederlassungsbewilligung C automatisch einen schweizerischen Hauptwohnsitz, weshalb eine Bewilligungserteilung oder -verlängerung in der Regel ausgeschlossen ist. Hingegen wird Personen mit einer Grenzgängerbewilligung G die Verwendung eines ausländischen Fahrzeugs in der Regel gar bewilligungsfrei erlaubt. Ob die Zollverwaltung an dieser Praxis festhalten wird, darf nach dem hier vorgestellten Bundesverwaltungsgerichtsurteil bezweifelt werden.
Bei strenger Anwendung des Urteils wären nämlich nur noch Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen berechtigt, eine Bewilligung zu erhalten. Auch bei befristeten Arbeitsverträgen kann aber keine Bewilligung erteilt werden, wenn die Dauer der Beschäftigung die Dauer einer Aus- oder Weiterbildung klar überschreitet.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Zollverwaltung ihre Praxis anpassen wird und ob das Bundesgericht Gelegenheit bekommen wird, sich zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu äussern.
Weitere Informationen:
- Urteil A-1480/2012 des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2012
- Art. 9 ZG / Art. 35 ZV / Art. 164 ZV
- Informationen der Zollverwaltung zum Thema
- Merkblatt „Motorfahrzeuge und Motorfahrzeugführende aus dem Ausland“
- Merkblatt „Überführen von privaten Motorfahrzeugen in den zollrechtlich freien Verkehr“
- BR-News: „Zollrechtliche Behandlung von ausländischen Fahrzeugen“
- BR-News: „BGer: Zolltarif- und Ursprungsauskünfte sind rechtsmittelfähige Verfügungen“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann