CAS bestätigt Sanktionen gegen den FC Nantes und Ismaël Bangoura wegen ungerechtfertigter Vertragsauflösung


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Der französische Ligue-1-Aufsteiger FC Nantes darf in den nächsten zwei Transferperioden keine neuen Spieler verpflichten. Zudem muss der Klub dem Verein Al Nasr Sports Club eine Entschädigung von 4,5 Millionen Euro bezahlen. Dies hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) vor kurzem entschieden. Die Strafen wurden verhängt, weil der Spieler seinen Arbeitsvertrag mit Al Nasr Sports Club (Dubai) ohne triftigen Grund („just cause“) aufgelöst und der FC Nantes ihn zu diesem Vertragsbruch verleitet habe. Der betroffene Spieler wurde für die Entschädigungszahlung als solidarisch leistungspflichtig erklärt und darüber hinaus mit einer viermonatigen Sperre belegt. Der CAS erachtete ausstehende Lohnzahlungen und die Streichung Bangouras von der Liste der spielberechtigten Ausländer im vorliegenden Fall nicht als triftige Gründe, die eine einseitige Vertragsauflösung gerechtfertigt hätten.

Hintergrund und Sachverhalt

Am 2. Juli 2013 veröffentlichte der Internationale Sportgerichtshof (CAS) sein begründetes Urteil im Rechtsstreit zwischen dem FC Nantes und Ismaël Bangoura einerseits und dem Al Nasr Sports Club andererseits, nachdem er bereits im Juni seine Entscheidung bekanntgegeben hatte.

Der CAS hatte sich mit dem folgenden Fall zu beschäftigen: Im Jahr 2010 verpflichtete der Fussballverein Al Nasr Sports Club aus Dubai den guineischen Nationalspieler Ismaël Bangoura. Im Oktober 2011 wurde Bangoura aufgrund eines Feldverweises während eines Liga-Spieles sowie wegen unsportlichem Verhalten vom Fussballverband der Vereinigten Arabischen Emirate für vier Spiele gesperrt. Al Nasr strich den Spieler kurz darauf von der Liste der ausländischen Spieler, die berechtigt sind, für den Klub zu spielen. Gleichzeitig verpflichtete Al Nasr den Brasilianer Rodrigo Vergilio, der Bangoura ersetzte und auch dessen Rückennummer erhielt.

In einem Zeitungsinterview erklärte Al Nasrs Team-Manager, dass der Spieler aufgrund der Sperre und des anstehenden Afrika-Cups (ab 21. Januar bis 12. Februar 2012) für eine längere Zeit nicht zur Verfügung stehen würde und der Klub deshalb vorläufig auf ihn verzichten würde. Der Spieler werde aber weiterhin mit der Mannschaft trainieren und es sei vorgesehen, ihn nach Januar 2012 wieder zu integrieren.

Daraufhin folgten mehrere Gespräche zwischen dem Klub und dem Spieler, bei denen aber keine Einigung über dessen Zukunft erzielt werden konnte. Am 20. Dezember 2011 verliess Bangoura schliesslich Dubai ohne Erlaubnis des Vereins in Richtung Frankreich. Anschliessend beantragte er am 3. Januar 2012 bei der FIFA Schlichtungskammer, seinen Verein Al Nasr wegen einseitigen Vertragsbruchs unter anderem zu verpflichten, ihm den bis zum Vertragsende geschuldeten Lohn (3,4 Millionen Euro) zu bezahlen. Darüber hinaus beantragte er, ihn zu berechtigen, ein Vertragsverhältnis mit einem anderen Verein seiner Wahl einzugehen, ohne dass eine Transfersumme für Al Nasr geschuldet sei.

Am 26. Januar 2012 meldete der FC Nantes bei Al Nasr das Interesse an, den Spieler zu verpflichten. Al Nasr teilte dem französischen Verein daraufhin mit, dass der Klub bereit sei, den Spieler für eine Ablösesumme von 4,5 Millionen Euro abzugeben.

Ende Januar 2012 nahm Al Nasr den ehemaligen italienischen Nationalstürmer Luca Toni unter Vertrag, woraufhin Bangoura einen Arbeitsvertrag mit dem FC Nantes unterzeichnete.

Nachdem sich der Fussballverband der Vereinigten Arabischen Emirate geweigert hatte, einen ITC (internationalen Transferfreigabeschein) auszustellen, weil der Spieler offenbar weiterhin bei Al Nasr unter Vertrag stand, stellte die FIFA dem französischen Verband auf dessen Anfrage hin einen vorläufigen ICT aus. Damit wurde der französische Verband berechtigt, dem Spieler eine provisorische Lizenz für die Ligue 1 zu erteilen.

Sanktionen durch FIFA und Weiterzug an den CAS

Die FIFA Schlichtungskammer („FIFA Dispute Resolution Chamber“) verurteilte den Spieler und den französischen Verein wegen Vertragsauflösung ohne triftigen Grund („just cause“) bzw. Verleitung zum Vertragsbruch. Der FC Nantes wurde mit einer Transfersperre für zwei Transferperioden bestraft. Der Spieler wurde für vier Monate gesperrt. Darüber hinaus wurden beide solidarisch zu einer Entschädigungszahlung von 4,5 Millionen Euro an Al Nasr verpflichtet.

Gegen diesen Entscheid der Schlichtungskammer rekurrierten alle drei Parteien beim CAS. Während der FC Nantes und Bangoura eine Aufhebung oder Reduktion der Strafen forderten, verlangte Al Nasr eine Erhöhung der Sanktionen.

Dass Bangoura seinen Vertrag einseitig aufgelöst hatte, war unbestritten. Zu beurteilen hatte der CAS deshalb im Wesentlichen noch, ob (wie Bangoura geltend machte) Al Nasr zuvor einen Vertragsbruch begangen hatte, der zur Vertragsauflösung durch den Spieler berechtigte, oder ob es (wie Al Nasr geltend machte) der Spieler war, welcher durch seine Erklärung der Vertragsauflösung sowie durch seiner unerlaubte Abreise nach Frankreich einen Vertragsbruch begangen hatte.

Massgebende Bestimmungen im FIFA-Transferreglement

Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ergeben sich die massgebenden Bestimmungen aus dem FIFA-Transferreglement. Nach dessen Art. 14 haben die Vertragsparteien das Recht, den Vertrag ohne irgendwelche Folgen (Entschädigungszahlungen oder sportliche Sanktionen) aufzulösen, sofern ein triftiger Grund („just cause“) dafür vorliegt. Weiter berechtigt Art. 15 des Transferreglements einen etablierten Berufsspieler, der während einer Spielzeit in weniger als 10 % der offiziellen Spiele seines Vereins zum Einsatz gekommen ist, im Einzelfall zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung (sog. „sportlich triftiger Grund“). Die Vertragsauflösung aus sportlichen Gründen ist allerdings nur möglich, wenn sie innerhalb von 15 Tagen nach dem letzten offiziellen Saisonspiel dem Verein mitgeteilt wird. Schliesslich verbietet Art. 16 des Reglements eine einseitige Vertragsauflösung während einer Spielzeit.

Wird ein Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines triftigen Grundes aufgelöst, bestimmt Art. 17 des Transferreglements die möglichen Folgen einer solchen Auflösung. Unter anderem kann die vertragsbrüchige Partei zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet werden. Darüber hinaus kann einem vertragsbrüchigen Spieler zusätzlich zur Entschädigungszahlung eine sportliche Sanktion auferlegt werden. Diese Sanktion besteht aus einer viermonatigen Spielsperre für offizielle Spiele und kann in besonders schweren Fällen auf sechs Monate erhöht werden. Aber auch einem Verein können zusätzlich zur Entschädigungszahlung sportliche Sanktionen auferlegt werden, wenn er den vertragsbrüchigen Spieler unter Vertrag nimmt bzw. ihn zum Vertragsbruch verleitet hat. Dem fehlbaren Verein kann für zwei Transferperioden die Registrierung von neuen Spielern verboten werden.

Liegt vorliegend ein wichtiger Grund vor, der zu einer Vertragsauflösung berechtigt?

Um zu bestimmen, ob im zu beurteilenden Fall ein triftiger Grund nach Art. 14 des Transferreglements besteht, ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Für die Auslegung des Begriffs triftiger Grund („just cause“) verwies der CAS auf die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund im schweizerischen Arbeitsrecht (Art. 337 Abs. 2 OR). Der triftige Grund sei demnach mit dem wichtigen Grund nach Art. 337 Abs. 2 OR gleichzusetzen. Daraus und aus der früheren Rechtsprechung des CAS ergebe sich, dass nur ein wesentlicher Vertragsbruch einen triftigen Grund darstelle, der zu einer einseitigen Vertragsauflösung berechtige.

Ausstehende Lohnzahlung ist vorliegend kein triftiger Auflösungsgrund

Bangoura brachte verschiedene Gründe für seine einseitige Vertragsauflösung vor. Als erstes verwies er auf zu späte Lohnzahlungen. Ein Teil des vertraglich vereinbarten Lohnvorschusses zu Beginn des zweiten Vertragsjahres wurde dem Spieler nachweislich zu spät ausbezahlt. Nach Ansicht des CAS lag deshalb ein Vertragsbruch seitens des Klubs vor, der allerdings kein wesentlicher gewesen sei und deshalb keine Vertragsauflösung aus triftigem Grund rechtfertige. Einerseits sei der Klub nur mit einer (Teil-)Lohnzahlung im Rückstand gewesen. Andererseits habe sich Al Nasr unmittelbar nach einer Mahnung durch den Spieler bereit gezeigt, den Restbetrag sofort zu überweisen. Ausserdem habe der Spieler dem Klub nie damit gedroht, dass er den Vertrag auflösen werde, falls er die Zahlung nicht unverzüglich erhalte. Der Spieler habe zudem weiterhin regelmässig seine monatlichen Lohnzahlungen erhalten.

Auch die Streichung von der Liste der spielberechtigten Ausländer ist vorliegend kein triftiger Auflösungsgrund

Der FC Nantes und Bangoura machten geltend, dass die Streichung des Spielers von der Liste der spielberechtigten Ausländer für sich eine Persönlichkeitsverletzung darstellte und bereits deshalb ein triftiger Grund für eine sofortige Vertragsauflösung bestanden hätte. Ausserdem behaupteten sie, der Spieler sei vom Training ausgeschlossen und durch zwei andere (ausländische) Spieler ersetzt worden. Einer von ihnen habe gar seine Rückennummer erhalten. Nachdem im Januar 2012 Luca Toni verpflichtet wurde, sei zudem kein Platz mehr auf der Liste der spielberechtigten ausländischen Spieler gewesen, da alle drei verfügbaren Ausländerlizenzen an andere Spieler vergeben waren. Aufgrund dieser Tatsachen habe Bangoura davon ausgehen müssen, dass er nicht länger an den Vertrag mit Al Nasr gebunden gewesen sei.

Al Nasr widersprach diesen Ausführungen. Die Streichung des Spielers sei nur temporär erfolgt und in dessen Abwesenheit aufgrund der Sperre und des Afrika-Cups begründet gewesen. Der Spieler wäre dem Klub wegen dieser Abwesenheiten in lediglich 5 der verbleibenden 17 Pflichtspielen zur Verfügung gestanden. Mit entsprechenden Dokumenten bewies Al Nasr zudem, dass der Spieler weiterhin an den Trainings der Profimannschaft teilgenommen und seine monatlichen Lohnzahlungen erhalten hatte.

Daraufhin entgegneten Nantes und Bangoura, dieses Argument sei nicht stichhaltig, da im Zeitpunkt der Streichung des Spielers von der Liste noch nicht bekannt gewesen sei, ob dieser für den Afrika-Cup nominiert werde. Mit Verweis darauf, dass es sich bei Bangoura um den Star-Spieler des guineischen Nationalteams handelte und dass er seit seiner Ankunft bei Al Nasr an jedem Spiel der Nationalmannschaft teilgenommen hatte, folgte der CAS der Argumentation Al Nasrs. Nach Ansicht des Gerichtshofs habe Al Nasr berechtigterweise davon ausgehen können, dass Bangoura auch für den Afrika-Cup nominiert werde.

Der CAS bestätigte zwar im Grundsatz, dass eine Streichung eines Spielers aus der Liste der Spielberechtigten eine Persönlichkeitsverletzung darstellen könne. Im vorliegenden Fall sei jedoch die einzige Folge dieser Massnahme für den Spieler das Verpassen von fünf Pflichtspielen gewesen. In Anbetracht dessen, dass der Spieler bis zu seiner unerlaubten Abreise jederzeit am Training der ersten Mannschaft teilnehmen durfte, dass er seine monatlichen Lohnzahlungen weiterhin erhielt und er sich erst am 23. Januar 2012 erstmals über seine Situation beschwerte, werde deutlich, dass der Spieler seiner temporären Streichung von der Liste zugestimmt oder diese zumindest hingenommen habe. Es bestand deshalb keine Persönlichkeitsverletzung und somit auch kein triftiger Grund für eine Vertragsauflösung.

Ergebnis

Da kein triftiger Grund für eine Vertragsauflösung bestand, bestätigte der CAS den Entscheid der FIFA Schlichtungskammer vollumfänglich und wies alle Beschwerden ab.

Der Spieler Bangoura habe den Vertrag ohne Vorliegen eines triftigen Grundes nach Art. 14 des Transferreglementes aufgelöst, weshalb die viermonatige Spielsperre bestätigt wurde. Der FC Nantes seinerseits wurde in Bestätigung des FIFA-Schlichtungsurteils zu einer Transfersperre für zwei Transferperioden verurteilt, weil er den Spieler zum Vertragsbruch verleitet hatte. Der CAS bestätigte zudem die Höhe der Entschädigungszahlung von 4,5 Millionen Euro, die Nantes und Bangoura als Solidarschuldner nun an Al Nasr leisten müssen.

Update

Am 6. Januar 2014 ist das Bundesgericht nicht auf eine Beschwerde gegen das Urteil des CAS eingetreten, weil diese verspätet eingereicht wurde (vgl. Urteil 4A_476/2013). Somit ist das CAS-Urteil rechtskräftig geworden.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Giuseppe Di Marco


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