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Welchen Nutzen haben Start-ups, wenn sie von Anfang an Wert auf ein sauberes Corporate Housekeeping legen? Ein von Beginn an sorgfältig geführtes Corporate Housekeeping sichert und steigert den Wert eines Start-ups signifikant. Bei dem Aufbau und der Professionalisierung eines Unternehmens sollten insbesondere die folgenden Punkte beachtet und miteinbezogen werden:
1.—Chain of Title und rechtsgültige Abtretungen
Für Investoren ist es mit Hinblick auf einen zukünftigen Exit wichtig, dass die Eigentumsdokumentation bezüglich der Aktien lückenlos und nachvollziehbar ist (sog. chain of title). Bei einem trade sale wird der Käufer des Unternehmens die chain of title genau prüfen. Falls entsprechende Mängel bestehen, müssen diese, meist mit viel Aufwand, behoben werden. Eine lückenhafte chain of title wird auch zu schärferen Haftungsbestimmungen im Kaufvertrag und im schlimmsten Fall sogar zu einem tieferen Kaufpreis führen.
Ein professioneller Investor, der in der Wachstumsphase im Hinblick auf einen späteren Exit investiert, ist sich dessen bewusst. Ergibt sich aus dessen Due Dilligence, dass Aktien zwischen den Aktionären nicht rechtsgültig (z.B. weil kein gültiger Kaufvertrag besteht oder die schriftliche Abtretung fehlt) übertragen wurden, wird er in der Regel darauf bestehen, dass die Mängel behoben werden, bevor er der Gesellschaft neue finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Spätestens ab der ersten Finanzierungsrunde mit professionellen Investoren ist eine sauber geführte chain of title daher zentral.
Im Hinblick auf die chain of title sind folgende Fragen zu stellen:
- Besteht ein aktuelles, vom Verwaltungsrat unterzeichnetes Aktienbuch?
- Liegt für jede vergangene Aktienübertragung ein Kaufvertrag vor?
- Liegt für jede vergangene Aktienübertragung eine handschriftlich unterzeichnete Abtretungserklärung oder (falls die Gesellschaft solche ausgegeben hat) ein vom Verkäufer, richtig indossiertes Aktienzertifikat vor?
- Die Aktien der meisten Schweizer Gesellschaften sind vinkuliert, d.h. deren Übertragung muss vom VR genehmigt werden. Wurden alle Aktienübertragungen entsprechend bewilligt?
2.—Durchführung der Generalversammlung innert Frist
Die Generalversammlung (GV) wird durch den Verwaltungsrat (VR), oder falls nötig durch die Revisionsstelle, einberufen. Die ordentliche GV muss jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres stattfinden (Art. 699 Abs. 2 OR). In der Regel bis zum 30. Juni des darauffolgenden Jahres, da das Geschäftsjahr entsprechend meist am 31. Dezember endet.
Aufgrund bestätigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist bei der Einhaltung dieser Frist besondere Vorsicht geboten. Denn, falls diese nicht eingehalten wird, hat dies nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung die Folge, dass das Mandat des VRs mit Ablauf der Frist zur Abhaltung der ordentlichen GV endet. Mit anderen Worten hat die Gesellschaft schlicht keinen VR mehr, wenn dieser nicht innert der sechsmonatigen Frist wiedergewählt wird. Daraus folgt, dass jeglicher verspätete Beschluss des VRs unwirksam ist. Mehr noch: Es kann sogar fraglich sein, ob vom nicht wiedergewählten VR unterzeichnete Verträge wirksam sind. Schliesslich wäre die Gesellschaft sogar grundsätzlich blockiert, da auch die Einberufung einer GV durch den VR verunmöglicht würde. Da es formell keinen VR mehr gibt, kann dieser auch keine GV mehr einberufen, die ihn wiederwählen könnte. Die Wieder- oder Neuwahl des VRs wäre immerhin noch durch eine Universalversammlung i.S.v. Art. 701 OR möglich. Ist auch eine solche nicht durchführbar, verbleibt nur noch die Einberufung einer GV durch die Revisionsstelle oder durch Anrufung des Gerichts, was nach Möglichkeit vermieden werden sollte (vgl. BGE 148 III 69; BGer-Urteil 4A_387/2003, 4A_429/2023 vom 2. Mai 2024).
Grafik: MLL Legal
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Somit ist es wichtig, dass durch vorausschauende Planung und Koordination (insb. bezüglich frühzeitiger Erstellung des Jahresabschlusses) auch bei Start-ups die jährliche GV pünktlich abgehalten wird, um die Operations- und Entscheidungsfähigkeit des VRs zu gewährleisten. Insofern hat das Protokoll der letzten durchgeführten Generalversammlung auch im Rahmen einer Due Diligence eine besondere Bedeutung für einen potenziellen Investor.
3.—Aufbewahrung von Verträgen und Unternehmensdokumenten
Die Bedeutung der richtigen Aufbewahrung der wichtigen Unternehmensdokumente wird durch Gründer häufig unterschätzt – spätestens ab der Series A-Finanzierungsrunde sind die Unternehmensdokumente wichtig für die durchzuführende Due Diligence. Es ist meist sehr aufwendig, die fehlende Dokumentation nachträglich zusammenzustellen. Im schlimmsten Fall kann dies den Abschluss der Finanzierungsrunde verzögern.
Daher sollten alle wichtigen Unternehmensdokumente zentral aufbewahrt werden – namentlich die Buchhaltungsunterlagen, die Arbeits-, Miet- und Darlehensverträge, VR- und GV-Protokolle, das Aktienbuch und die Verträge und Abtretungserklärungen für alle vergangenen Aktienübertragungen.
4.—Abschluss eines Aktionärsbindungsvertrags (ABV)
Obwohl keine Pflicht zum Abschluss eines ABVs besteht, wird in aller Regel ein solcher abgeschlossen. Ohne diesen haben die Aktionäre ausser der Liberierungspflicht, d.h. die Pflicht zur Zahlung des Ausgabepreises ihrer Aktien, keine weiteren Pflichten. Es wird allerdings oft als wichtig erachtet, dass weitergehende Pflichten zwischen den Aktionären vereinbart werden. Dadurch wird insbesondere verhindert, dass unliebsame Dritte Aktien erwerben oder dass die Gesellschaft aufgrund von Pattsituationen handlungsunfähig wird.
Der Zeitpunkt für den Abschluss eines ABVs ist von Fall zu Fall zu bestimmen. Grundsätzlich gilt: so früh wie möglich. Sicherlich ist mit fortschreitender Reife und Professionalisierung des Unternehmens ein ABV unabdingbar. Sobald ein professioneller Investor sich an der Gesellschaft beteiligt, wird dieser ohnehin auf einem detaillierten ABV bestehen. Dabei werden zumindest folgende Hauptpunkte geregelt:
- Unternehmensführung – die Aktionäre einigen sich darauf, wer viele VR-Mitglieder ernennen darf, wer den Präsidenten bestimmt, welche Geschäfte zwingend vom VR beschlossen wer-den müssen und insbesondere auch, mit welchen Mehrheiten diese Geschäfte beschlossen werden müssen. Ähnliche Regelungen werden auf Stufe GV getroffen; auch hier wird insbesondere festgelegt, mit welchen Quoren bestimmte Geschäfte verabschiedet werden müssen. Solche Quoren dienen v.a. dem Schutz von Minderheitsaktionären: ohne deren Zustimmung können bestimmte Punkte nicht umgesetzt werden.
- Kaufrechte – falls bei einem Aktionär bestimmte, vordefinierte Ereignisse eintreten (z.B. Todesfall oder schwere Verletzung des ABV) dürfen die restlichen Aktionäre dessen Aktien zu einem zuvor festgelegten Preis erwerben.
- Vorhand- und Vorkaufsrechte – falls ein Aktionär seine Aktien verkaufen möchte (von sich aus bzw. weil er ein entsprechendes Angebot erhalten hat), sind den anderen Aktionären die Aktien zuvor zum Kauf anzubieten, bevor diese dem Dritterwerber verkauft werden dürfen. Wie auch das Kaufrecht sollen Vorhand- und Vorkaufrechte verhindern, dass Aktien von unliebsamen Dritten erworben werden.
- Drag-Along und Tag-Along Rechte – das Drag-Along Recht stellt eine Mitverkaufspflicht für die verbleibenden Aktionäre dar, wenn ein Kaufinteressent 100% (oder allenfalls auch eine kleinere Beteiligung am Unternehmen) erwerben möchte und ein berechtigter Aktionär sein Drag-Along Recht ausübt. Spiegelbildlich gibt ein Tag-Along Recht den verbleibenden Aktionären in solchen Fällen das Recht, ihre Aktien mitzuverkaufen, selbst wenn der Erwerber diese nicht unbedingt erwerben möchte.
Mit der Entwicklung des Start-ups sollte sich auch der Detailierungsgrad des ABVs anpassen. So fordern professionelle Venture Capital-Investoren häufig zusätzliche Regelungen:
Grafik: MLL Legal
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Für weitere, ausführliche Informationen zum ABV konsultieren Sie ebenfalls diesen Artikel von MLL Legal.
5.—Wegfall des Opt-outs von der eingeschränkten Revision
Bekanntlich kann eine Gesellschaft, welche nicht zu einer ordentlichen Revisionspflicht verpflichtet ist und im Jahresdurchschnitt über weniger als zehn Vollzeitstellen verfügt, mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre auf die eingeschränkte Revision gemäss Art. 727a OR verzichten (sog. opt-out).
Häufig wird bei wachsenden Start-ups jedoch der Wegfall der Erleichterung, d.h. die Überschreitung der Schwelle von zehn Vollzeitstellen über alle Arbeitsverträge gerechnet, nicht beachtet. Ab dann ist zwingend zumindest eine eingeschränkte Revision durchzuführen. Die Revisionsstelle wird bei ihrer Ernennung, spätestens aber während der ersten Revision, die Buchhaltung und die zugrundliegenden Dokumente und Verträge prüfen. Hier zeigt sich ein weiteres Mal die Bedeutung eines sau-beren Corporate Housekeepings: Wenn die nötigen Dokumente nicht vorliegen, müssen Vorgänge mit viel Aufwand nachträglich dokumentiert werden. Das Management wird vom Tagesgeschäft abgelenkt. Im schlimmsten Fall erteilt die Revisionsstelle ihr Testat mit Verzögerung oder mit Vorbehalten, was sich bei zukünftigen Finanzierungsrunden negativ auswirken kann.
6.—Zeichnungsberechtigung und Organisationsreglement
Mit Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister sind auch die Zeichnungsberechtigten mit ihren Zeichnungsrechten einzutragen (Einzelzeichnungsberechtigte, Kollektivunterschrift zu zweien, Prokura etc.). Diese Personen können grundsätzlich alle Verträge unterzeichnen, die vom Unternehmenszweck gedeckt sind.
Im Aussenverhältnis kann diese Vertretungsberechtigung grundsätzlich nicht beschränkt werden: Ein Dritter kann sich darauf verlassen, dass ein im Handelsregister Eingetragener diese Verträge tatsächlich unterschreiben darf. Entsprechend sind sie gültig, auch wenn der Unterzeichnende intern die entsprechende Kompetenz nicht hatte. Dennoch ist eine genaue Regelung der Zeichnungsbefugnisse im Innenverhältnis wichtig: Die Erfahrung zeigt, dass kaum ein Mitarbeitender Verträge unterzeichnet, wenn ihm dies aufgrund eines Reglements untersagt ist. Das Organisationsreglement ist das grundlegende Reglement jeder Gesellschaft: Es grenzt die Kompetenzen von VR und Geschäftsleitung voneinander ab und regelt wie erwähnt, wer (VR, Geschäftsleitung, weitere Mitarbeitende) welche Verträge abschliessen darf.