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COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung – Überbrückungshilfe auch für Start-ups?


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Die neue Notverordnung des Bundesrates zur Besicherung von KMU-Sofortkredite (COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung, hiernach als «Verordnung» bezeichnet) wurde in Rekordzeit erarbeitet. KMUs sollen rasch Zugang zu Krediten für die Überbrückung von Corona-bedingten Liquiditätsengpässen erhalten. Dieser Artikel befasst sich mit der Frage, ob auch Start-ups von diesen vom Bund verbürgten Krediten profitieren können.

Die COVID-19 Pandemie führt bei vielen Unternehmen zu massiven Umsatzeinbrüchen. Weil die Fixkosten auch ohne Erträge bezahlt werden müssen, können dadurch Liquiditätsengpässe entstehen. Diese können auch für an sich gesunde Unternehmen existenzgefährdend sein. Um solche COVID-19 bedingte Liquiditätsengpässe zu überbrücken, sollten die Fixkosten für die Dauer der Krise mit einem vom Bund verbürgten Kredit finanziert werden können. Die Kredite können direkt bei der Hausbank beantragt werden. Die Verordnung trat am Donnerstag, 26. März 2020 in Kraft, sie ist Teil des grösseren Massnahmenpakets des Bundes zur Unterstützung von Schweizer Unternehmen in der gegenwärtigen COVID-19 Krise. Seit diesem Zeitpunkt können Kreditgesuche mittels Antragsformular gestellt werden. Tausende Kreditgesuche wurden seitdem bereits gestellt und viele Banken haben solche auch über das Wochenende bearbeitet.

Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch die Start-up Szene nachdem bekannt wurde, dass sich die Höhe der COVID-19-Kredite grundsätzlich nach der Grösse des Unternehmens, genauer: nach dem Umsatz des letzten Geschäftsjahres richtet. Mit dieser Anknüpfung beim Umsatz sind viele Start-ups von den COVID-19-Krediten ausgeschlossen, denn Start-ups erzielen häufig noch gar keinen Umsatz, weil ihr Produkt noch nicht marktfähig ist oder das Start-up noch gar nicht operativ tätig ist (Pre-Revenue-Phase). Insbesondere R&D intensive Start-ups in der Entwicklungsphase sind besonders betroffen.

Doch erst einmal zu den grundsätzlichen Punkten des bisher beispiellosen Hilfspakets. Das Programm beinhaltet zwei Kreditfazilitäten:

  • Kreditfazilität 1 für Kredite bis zu 0.5 Mio. (sog. COVID-19-Kredit): Die Kredite werden unbürokratisch innert kurzer Frist ausbezahlt, sind zinslos und werden zu 100% vom Bund via die bestehenden Bürgschaftsgenossenschaften abgesichert.

Dank dieser Bundesabdeckung kann die Bank auf ein umfassendes Prüfverfahren verzichten und die Kreditgewährung beruht auf Selbstdeklaration des Antragstellers. D.h. der Antragsteller erklärt auf dem Formular, dass er die Antragsvoraussetzungen erfüllt. Die Bank nimmt keine weitergehende Kreditprüfung vor. Der COVID-19-Kredit ist als rasche und einfach zugängliche Soforthilfe gedacht und kommt für Unternehmen mit einem Umsatzerlös von bis zu CHF 5 Mio. zur Anwendung. Damit dürften gemäss Bundesrat über 90% der von der COVID-19 Pandemie betroffenen Unternehmen abgedeckt sein.

  • Kreditfazilität 2 für Kredite von CHF 0.5 Mio. bis CHF 20 Mio. (sog. COVID-19-Kredit-Plus): Die Kredite über CHF 0.5 Mio. werden vom Bund zu 85% garantiert, wobei sich die kreditgebende Bank mit 15% am Kreditrisiko beteiligt. Für diesen Kredit findet eine branchenübliche Kreditprüfung statt. Auf dem verbürgten Teil des Kredits (85%) beträgt der Zins 0.5%. Auf dem restlichen Kreditbetrag (15%) untersteht der Zinssatz der Parteivereinbarung zwischen Kreditnehmer und Bank. Der COVID-19-Kredit-Plus kommt für Unternehmen mit Umsatz zwischen CHF 5 Mio. und CHF 500 Mio. zur Anwendung.

Allgemeine Grenze: 10% des Umsatzes

Die Höhe des verbürgten Kredits bemisst sich an der Grösse des Unternehmens. Als Bemessungsgrundlage dient der Umsatzerlös. Der vom Bund verbürgte Überbrückungskredit soll höchstens 10 Prozent des Umsatzerlöses im Jahr 2019 betragen. Liegt der definitive Jahresabschluss 2019 noch nicht vor, so ist die provisorische Fassung massgebend oder, wenn auch diese fehlt, der Jahresabschluss 2018.

Können Start-ups einen COVID-19-Kredit beantragen?

Die Antwort lautet wie so oft: Jein. Oder: es kommt darauf an. Start-ups, die bereits Umsätze erzielen, können wie andere KMUs auch einen COVID-19-Kredit beantragen. Allerdings erzielen viele Start-ups in der Schweiz keinen oder keinen relevanten Umsatz. In einem eng umgrenzten Rahmen können aber auch Startups ohne Umsatz profitieren. Bei ihnen kommt es auf den Zeitpunkt der Gründung an: Jungunternehmen, die im Jahr 2020 oder 2019 gegründet worden sind, können einen COVID-19-Kredit beantragen, und zwar auch dann, wenn sie noch keine Umsätze vorweisen können. Für diese anspruchsberechtigten Start-ups ohne Umsatz wird auf eine Schätzung des Umsatzes abgestellt und zwar wie folgt: Als Umsatz gilt das dreifache der Nettolohnsumme, mindestens aber CHF 100’000 und maximal CHF 500’000. Mit der Untergrenze von CHF 100’000 ist gewährleistet, dass auch neugegründete Unternehmen, die noch kaum Personalaufwände haben, Zugang zu einem Kredit von min. CHF 10’000 erhalten. Gleichzeitig soll die Obergrenze von CHF 500’000 (bzw. ein Kredit von CHF 50’000) dafür sorgen, dass bei personalintensiver Unternehmenstätigkeit in höheren Lohnbereichen der Liquiditätsbedarf nicht überschätzt wird. Auch hier gilt der Grundsatz, dass maximal 10% des (geschätzten) Umsatzes als Kredit beantragt werden kann, womit sich die Kredite auf Beträge zwischen CHF 10’000 und maximal CHF 50’000 belaufen.

Daraus ergibt sich:

  • Start-ups ohne Umsatz die nach dem 1. Januar 2019 gegründet wurden können einen COVID-19-Kredit beantragen;
  • Start-ups ohne Umsatz die vor dem 1. Januar 2019 gegründet wurden sind vom Bezug eines COVID-19-Kredits ausgeschlossen;
  • Start-ups mit Umsatz können selbstverständlich wie andere KMUs einen COVID-19-Kredit beantragen;
  • Jüngstunternehmen, die nach dem 1. März 2020 gegründet wurden, haben keinen Anspruch auf einen COVID-19-Kredit.

Der Ausschluss von Start-ups in der Wachstumsphase von COVID-19-Krediten ist in der Start-up Szene auf grosses Unverständnis gestossen. Es stellt sich in der Tat die Frage, weshalb die Verordnung diese Unternehmen von der Kreditvergabe ausschliesst. Prima vista könnte die Begründung lauten, dass Unternehmen, die ohnehin keinen Umsatz erzielen, durch COVID-19 keine Einbussen erleiden können. Die Gründer sind von Anfang an auf die Finanzierung durch Investoren angewiesen, um die laufenden Liquiditätsbedürfnisse zu sichern. Eine solche Argumentation verkennt allerdings, dass die derzeitige Verunsicherung Gift für das Investitionsklima ist. Es besteht das Risiko, dass Investitionsrunden verkleinert, oder schlimmer, ganz zurückgehalten werden. Aus diesem Grund sind auch Start-ups ohne Umsätze bezüglich ihrer Refinanzierung ganz direkt von der COVID-19 Pandemie betroffen.

Es ist zu begrüssen, dass für sehr junge Unternehmen (Gründungsjahr 2019/2020) eine Sonderregelung gefunden wurde. Trotzdem fallen viele Start-ups, darunter auch viele hoch-innovative mit keinem oder marginalem Umsatz durch die Maschen. Gemäss einer Umfrage von venturelab am 25./26. März 2020 schätzen denn auch nur gerade rund 17% der Schweizer Start-ups das Programm des Bundesrates zur Überbrückungsfinanzierung als hilfreiches Instrument.

Weitere Voraussetzungen für kreditberechtigte Start-ups

Um das Verfahren für verbürgte COVID-19-Kredite rasch und unbürokratisch abwickeln zu können, sind die Voraussetzungen bewusst einfach gehalten und basieren auf Selbstdeklaration (d.h. der Antragsteller bestätigt auf dem Formular, dass die Voraussetzungen gegeben sind):

  • Antragsberechtigt sind Einzelunternehmen, Personengesellschaften oder juristische Personen mit Sitz in der Schweiz.
  • Der Antragsteller muss aufgrund der COVID-19-Pandemie, namentlich hinsichtlich seines Umsatzes, wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt sein; ein Kredit kann demnach nur beantragt werden, wenn wegen der Pandemie Verluste anfallen oder ein Liquiditätsengpass besteht oder droht.
  • Der Antragsteller ist finanziell gesund, d.h. er befindet sich weder in einem Konkurs- oder Nachlassverfahren noch in Liquidation.
  • Der Antragsteller hat weder einen Kredit nach der Verordnung erhalten noch hat er andere hängige Anträge für nach der Verordnung verbürgte Kredite.
  • Zudem darf ein COVID-19-Kredit nur beantragt werden, wenn der Kreditnehmer zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung nicht bereits COVID-19-Liquiditätshilfen gestützt auf die vom Bundesrat am 20. März 2020 verabschiedeten Notverordnungen in den Bereichen Sport und Kultur bezogen hat.

Hinsichtlich der Bilanzierung der Kredite ist hervorzuheben, dass diese als normale Verbindlichkeiten, d.h. als Fremdkapital, verbucht werden müssen. Sie sind gegenüber anderen Forderungen nicht subordiniert. Allerdings sieht die Verordnung vor, dass Kredite bis zu CHF 0.5 Mio. für die Berechnung einer Überschuldung nicht als Fremdkapital berücksichtigt werden. Diese Kredite werden somit weder bei der Prüfung, ob eine Unterbilanz i.S. von Art. 725 Abs. 1 OR vorliegt, noch bei der Prüfung, ob eine Überschuldung i.S.v. Art. 725 Abs. 2 OR gegeben ist, als Fremdkapital berücksichtigt. Wichtig zu beachten ist dabei insbesondere für Start-ups, dass diese Regelung zeitlich beschränkt ist: Sie gilt nur bis zum 31. März 2022. Danach werden die Kredite als normales Fremdkapital betrachtet und können eine Unterbilanz oder Überschuldungssituation verursachen.

Sowohl der COVID-19-Kredit wie der COVID-19-Kredit-Plus sind innerhalb von fünf Jahren vollständig zu amortisieren. In Härtefällen kann diese Frist einmalig um zwei Jahre verlängert werden.

Beim COVID-19-Kredit prüft die Bank das Formular nur auf formelle Vollständigkeit, bevor sie es an die Bürgschaftsorganisation weiterleitet, und der Kredit ausbezahlt wird. Der Antragsteller muss aber bestätigen, dass alle Angaben im Antragsformular vollständig und wahr sind. Das Formular macht die Antragsteller darauf aufmerksam, dass vorsätzlich unvollständige oder unwahre Angaben strafrechtliche Konsequenzen für den Kreditnehmer resp. seine Organe nach sich ziehen (insbesondere wegen Betrug, Urkundenfälschung, etc.). Zudem wird mit Busse bis zu CHF 100’000 bestraft, wer vorsätzlich mit falschen Angaben einen Kredit nach der Verordnung erwirkt oder die Kreditmittel nicht zur Sicherung der Liquiditätsbedürfnisse verwendet.

Wie weiter für nicht kreditberechtigte Start-ups?

Nicht antragsberechtigte Start-ups sollten in jedem Fall prüfen, ob sie von anderen Hilfsmassnahmen des Bundes profitieren können. Im Fokus steht dabei insbesondere das Instrument der Kurzarbeit. Der Bundesrat hat zuletzt am 25. März 2020 die neusten, rückwirkenden Erleichterungen und Konkretisierungen zur Kurzarbeit veröffentlicht. Der hier verlinkte Artikel gibt einen aktuellen Überblick über die geltenden Regeln betreffend Kurzarbeit.

Ganz besonders in Krisenzeiten gilt: Cash is King. Ausreichende Liquidität sicherzustellen dürfte nun oberste Priorität haben. Jedes Start-up sollte demnach prüfen, wie es den cash-burn kurz und mittelfristig reduzieren, und den cash influx maximieren kann.

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