Cross-Border-E-Commerce mit Österreich: strenge Beurteilung von AGB und Datenschutzerklärungen


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Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich bestehen zum Schutz der Verbraucher relativ strenge Vorschriften für den Inhalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dass diese Vorgaben für grenzüberschreitend tätige Shop-Betreiber ein nicht zu vernachlässigendes Risiko darstellen, wird in einem aktuellen Urteil des Handelsgerichts Wien veranschaulicht. Darin wurden neben anderen Klauseln insbesondere der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit und ein Vorbehalt der Lieferung bei unrichtiger und verspäteter Selbstbelieferung in den AGB der deutschen Zalando GmbH für unzulässig erklärt. Auch eine AGB-Klausel, die eine Widerrufserklärung in Schriftform oder durch Rücksendung der Ware vorschreibt, beurteilte das Gericht als unwirksam.

Abmahnung an Zalando von Verbraucherschutzorganisation

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Abmahnung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) an die Adresse der Zalando GmbH mit Sitz in Berlin. Die österreichische Verbraucherschutzorganisation war der Ansicht, dass verschiedene Klauseln in den AGB und der Datenschutzerklärung auf www.zalando.at (Stand: August 2012) gegen Vorgaben zum Schutz der Verbraucher verstossen und deshalb unzulässig sind. Da Zalando einer Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung nicht nachkam, reichte der VKI Klage beim Handelsgericht Wien ein.

Rechtliche Ausgangslage: österreichische Vorschriften für Inhalt von AGB

Der VKI stützte sich in seiner Klage insbesondere auf zwei Vorschriften für die Kontrolle des Inhalts von AGB. Nach österreichischem Recht sind Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungültig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles den Verbraucher „gröblich“ benachteiligen. Unwirksam sind darüber hinaus auch AGB-Klauseln, die unklar oder unverständlich abgefasst sind („Transparenzgebot“). Bei der Anwendung dieser beiden Vorschriften ist zudem bedeutsam, dass jeweils von der „kundenfeindlichsten“ Interpretation der Klauseln ausgegangen wird.

Ausschluss des „Beschaffungsrisikos“

Vor diesem Hintergrund setzte sich das Handelsgericht Wien in seinem Urteil (39 Cg 96/12d-10) zunächst mit einem Ausschluss des Beschaffungsrisikos in den Zalando-AGB auseinander. Konkret war die folgende Klausel zu beurteilen:

„Ein Beschaffungsrisiko wird von uns nicht übernommen, auch nicht bei einem Kaufvertrag über eine Gattungsware. Wir sind nur zur Lieferung aus unserem Warenvorrat und der von uns bei unseren Lieferanten bestellten Warenlieferung verpflichtet.“

Zalando stellte sich auf den Standpunkt, es entspreche bei Modeartikeln der Erwartung des Verbrauchers, dass nicht alle Modelle und/oder Grössen vorhanden sind. Ferner befinde sich aufgrund des kostenlosen Widerrufsrechts ein Grossteil der Ware stets auf dem Postweg. Es sei deshalb nicht möglich, im Zeitpunkt der Bestellung abschliessend zu prüfen, ob sie die bestellten Artikel liefern kann. Die Verträge, die erst nach ausdrücklicher Vertragsbestätigung oder mit Zustellung der Ware zustande kommen, würden deshalb unter der Bedingung abgeschlossen, dass sie aus den vorrätigen bzw. bei Dritten bestellten Waren erfüllt werden können.

Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. Bei einem Kaufvertrag stelle die Lieferung der Ware die Hauptpflicht des Verkäufers dar. Gerade von dieser Verpflichtung wolle sich Zalando jedoch mit der beanstandeten Klausel befreien. Wenn eine Ware zum Verkauf angeboten werde, diese vom Kunden bestellt und die Bestellung vom Verkäufer bestätigt werde, könne der Kunde davon ausgehen, dass der Verkäufer tatsächlich in der Lage ist, das Bestellte zu liefern. Eine Klausel, die gerade diese Hauptpflicht des Verkäufers wieder ausschliesst, sei für den Kunden gröblich benachteiligend. Es liege daher in der Verantwortung des Verkäufers, dafür zu sorgen, dass er bei Vertragsschluss in der Lage ist, die übernommenen Lieferpflichten zu erfüllen. Sofern der Verkäufer bei Gattungswaren nicht liefern kann, gerate er in Verzug und der Käufer könne vom Vertrag zurücktreten. Da die Klausel aber den Eindruck erwecke, der Kunde müsse sich trotz weiter geltendem Vertrag damit abfinden, dass der Verkäufer seine Lieferpflicht nicht erfüllt, verstosse die Klausel gegen das Transparenzgebot.

Selbstbelieferungsvorbehalt und Bindung des Käufers für vier Wochen

In einem nächsten Schritt beurteilte das Handelsgericht Wien einen sog. Selbstbelieferungsvorbehalt. Die Klausel von Zalando lautete folgendermassen:

„Die Verpflichtung unsererseits zur Lieferung entfällt, wenn wir trotz ordnungsgemäßem kongruenten Deckungsgeschäft selbst nicht richtig und rechtzeitig beliefert werden und die fehlende Verfügbarkeit nicht zu vertreten haben, Sie hierüber unverzüglich informiert haben und nicht ein Beschaffungsrisiko übernommen haben.“

Auch diese Klausel wurde vom Gericht als unzulässig beurteilt, weil sie für den Verbraucher gröblich benachteiligend sei. Es argumentierte wiederum, dass der Kunde davon ausgeht, dass er die bestellte Ware bekommt, vor allem wenn sie als „lieferbar“ bezeichnet ist. Wie Zalando dabei selbst zur Ware gelangt, sei für den Kunden nicht relevant. Es liege im Verantwortungsbereich von Zalando, für die nötigen Deckungsgeschäfte zu sorgen. Diese Verantwortung könne nicht ohne sachliche Rechtfertigung auf den Verbraucher übertragen werden. Die entsprechende Klausel würde Zalando laut Gericht einen Weg eröffnen, den Kaufvertrag aufgrund mangelnder Organisation nicht zu erfüllen.

Für den Fall, dass die Lieferung durch Zalando mangels richtiger bzw. rechtzeitiger Selbstbelieferung nicht möglich ist, war in den AGB ferner vorgesehen, dass der Kunde während vier Wochen an den Vertrag gebunden bleibt. Auch diese Klausel wurde vom Gericht als unwirksam beurteilt, weil die Frist von vier Wochen im Verhältnis zur grundsätzlich versprochenen Lieferung innert fünf Werktagen unangemessen lang sei.

Widerruf nur in Textform oder durch Rücksendung der Ware

Eine weitere Klausel von Zalando regelte die Ausübung des Widerrufsrechts. Diese sah im Wesentlichen vor, dass der Kunde den Widerruf seiner Bestellung entweder in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Ware erklären könne. Da nach österreichischem Recht jedoch auch eine mündliche Widerrufserklärung möglich sei, wird der Kunde mit dieser Klausel nach Ansicht des Handelsgerichts gröblich benachteiligt. Auch diese Klausel wurde deshalb als unwirksam beurteilt.

Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit

In der Haftungs-Regelung in den Zalando-AGB wurde ferner die Haftung für leichte Fahrlässigkeit, mit Ausnahme von Personenschäden, ausgeschlossen. Das Handelsgericht sah auch darin eine gröbliche Benachteiligung des Kunden. Denn mit dieser Klausel werde die Haftung für leicht fahrlässig zugefügte Schäden, die nicht Personenschäden sind, generell ausgeschlossen, ohne bestimmte Ausnahmen oder eine sachliche Rechtfertigung zu nennen. Durch diese allgemeine Formulierung sei daher auch die Haftung für Verletzungen von Hauptleistungspflichten wie der Lieferpflicht erfasst. Aus diesem Grund sei diese Regelung in den AGB unzulässig.

Ungenaue Informationen in Datenschutzerklärung

Darüber hinaus enthielt nach Ansicht des Handelsgerichts Wien auch die Datenschutzerklärung von Zalando unzulässige Klauseln. Beanstandet wurde namentlich folgender Abschnitt:

„Wir speichern Ihre Bestell- und Adressdaten zur Nutzung im Rahmen der Auftragsabwicklung (auch durch von uns eingesetzte Auftragsabwicklungspartner oder Versandpartner), für eventuelle Gewährleistungsfälle, für Verbesserungen unseres Angebots und für Produktempfehlungen gegenüber Kunden gemäß des Inhalts unserer Datenschutzerklärung.“

Das Gericht gelangte in einem ersten Schritt zwar zum Schluss, dass nicht das österreichische, sondern das deutsche Datenschutzrecht zur Anwendung gelangt. Jedoch verlange auch das deutsche Recht, dass die Nutzer darüber informiert werden, welche konkreten Daten bearbeitet werden und insbesondere an wen die Daten gelangen. Gemäss der Datenschutzerklärung von Zalando würden die Bestell- und Adressdaten des Nutzers auch durch nicht näher umschriebene Dritte, nämlich „Partner“ gespeichert. Dadurch werde die Reichweite dieser Klausel, insbesondere ob dies auch für Werbezwecke gilt, nicht ausreichend transparent gemacht.

Daten von eingeloggten Facebook-Mitgliedern

Abschliessend hatte das Handelsgericht Wien zu beurteilen, ob die folgende Information in der Zalando-Datenschutzerklärung im Zusammenhang mit dem Facebook-Plugin ausreichend war.

„Wenn Sie nicht möchten, dass Facebook über unseren Internetauftritt Daten über Sie sammelt, müssen Sie sich vor Ihrem Besuch unseres Internetauftritts bei Facebook ausloggen“

Nach Ansicht des Gerichts ist davon auszugehen, dass diese Klausel ausschliesslich jene Kunden von Zalando betrifft, die auch über ein Facebook-Profil verfügen. Sofern aber ein Facebook-Profil erstellt worden sei, hätten die betreffenden Kunden auch die Datenverwendungsrichtlinien von Facebook akzeptiert. Demnach wüssten diese Kunden auch, dass Facebook ihre – von Besuchen auf anderen Websites herrührenden – Daten sammle. Deshalb gelangte das Gericht zum Schluss, dass die Information (allein) der Warnung diene und letztlich ausreichend sei.

Fazit und Anmerkungen

Das Urteil des Handelsgerichts macht klar, dass AGB nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich einer strengen Kontrolle unterzogen werden. Auch Schweizer Online-Shops, die sich an Verbraucher in Österreich richten, müssen diese Vorgaben beachten. Andernfalls können auch sie namentlich von Verbraucherschutzorganisationen abgemahnt und vor österreichischen Gerichten eingeklagt werden.

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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