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Nach einem kürzlich publizierten Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_757/2010) genügt das Bereitstellen von so genannten Hash-Links (Link-Suchhilfen) zu Filesharing-Angeboten auf der eigenen Webseite, um den Tatbestand der Gehilfenschaft bei der Verletzung von Urheberrechten Dritter zu erfüllen. Dies gilt selbst dann, wenn die Nutzer der Hash-Links die erforderlichen Filesharing-Programme zunächst selber installieren müssen, um den Download überhaupt durchführen zu können. Zudem ist ein konkreter Nachweis eines tatsächlich erfolgten (Down- und) Uploads als Haupttat nicht erforderlich. Es genügt, wenn dies aufgrund von Indizien als erwiesen erachtet werden kann.
Im konkreten Fall ging es um einen Informatiker aus dem Kanton Thurgau, der auf seiner Webseite zwar selber keine Raubkopien von urheberrechtlich geschützten Werken zum Download zur Verfügung stellte. Jedoch bot er so genannte Hash-Links zu Peer-to-Peer („P2P“) Filesharing-Netzwerken wie „eDonkey“, „eMule“, „Overnet“ oder „mldonkey“ an. Ein Klick auf einen Hash-Link aktivierte das betreffende Filesharing-Programm, das direkten Zugang zum entsprechenden P2P-Netzwerk und damit zum Download des gesuchten urheberrechtlich geschützten Werkes gewährte. War das Filesharing-Programm auf dem Rechner der Nutzer nicht bereits installiert, gelangten diese nach dem Klick auf den Hash-Link zu einer Seite, auf der das erforderliche P2P-Filesharing-Programm zum Download bzw. zur Installation angeboten wurde. Den Besuchern der Website wurde somit ermöglicht, durch einen einzigen Klick den Download-Vorgang von urheberrechtlich geschützten Werken auf ihrem Rechner auszulösen.
Mehrere Inhaber von Urheber- und Markenschutzrechten erstatteten 2004 Strafanzeige gegen den Informatiker und Betreiber der fraglichen Webseite. In erster Instanz sprach ihn das Bezirksgericht Frauenfeld insbesondere der gewerbsmässigen Gehilfenschaft bei der Verletzung von Urheberrechten schuldig. Nachdem das Obergericht des Kantons Thurgau seine dagegen erhobene Berufung abgewiesen hatte, wandte sich der Informatiker mit Beschwerde in Strafsachen an das Schweizerische Bundesgericht. Dieses wies die Beschwerde nun ebenfalls ab.
Hinsichtlich der ihm zur Last gelegten Hilfe zum unrechtmässigen Herstellen, Anbieten, Verbreiten und Wahrnehmbarmachen von geschützten Werken (Art. 67 Abs. 1 lit. f und g Urheberrechtsgesetz, URG) rügte der Informatiker eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Er machte dabei geltend, die Strafbehörden hätten keine Haupttat bzw. keinen einzigen Upload in der Schweiz nachgewiesen. Gemäss dem Informatiker seien die aufgezeichneten IP-Adressen lediglich die letzte Station in einer Kette, die auch in einem anderen Staat beginnen könne. Durch die Verwendung von Proxy-, VPN- und TOR-Diensten seien die IP-Adressen für die Identifikation einer Person oder eines Ortes nicht ausreichend. Das Logfile des Webservers sei zudem technisch nicht imstande festzuhalten, ob ein Link angeklickt worden sei oder nicht. Darüber hinaus löse der Klick auf einen Link keinen Download aus, sondern erst die Übergabe des Links an das P2P-Programm, das die Nutzer vorher auf ihren Rechnern installiert haben mussten.
Hierzu betonte das Bundesgericht einleitend, dass seine Prüfung der Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz auf Willkür beschränkt sei (Art. 97 Abs. 1 Bundesgerichtsgesetz, BGG). Eine solche liege nach Art. 9 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) vor, wenn die Vorinstanz von Tatsachen ausgehen würde, die mit der tatsächlichen Situation im klaren Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen würden. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die Vorinstanz habe es gestützt auf eine Gesamtwürdigung zahlreicher Indizien als erwiesen erachten dürfen, dass Nutzer aus der Schweiz urheberrechtlich geschützte Dateien herunter- sowie gleichzeitig heraufgeladen hätten. Die Auswertung des Logfiles des Webservers habe denn auch ergeben, dass die Webseite des Informatikers bei einer Stichprobe am 24. Februar 2004 innert 25 Minuten von rund 60 verschiedenen Schweizer IP-Adressen besucht worden sei und die Nutzer dabei mehrheitlich nach Filesharing-Links gesucht und diese auch angeklickt hätten. Gemäss Ausführungen der Vorinstanz sei nicht davon auszugehen, dass die Nutzer den Upload-Modus im jeweiligen Filesharing-Programm ausgeschaltet hätten. Dateien könnten ansonsten nicht heruntergeladen werden, wenn alle Nutzer den Upload unterbinden würden. Laut Vorinstanz sei es zudem unter den Nutzern verpönt, Daten zwar herunterzuladen, diese aber nicht gleichzeitig für andere Nutzer hochzuladen. Schliesslich müsse davon ausgegangen werden, dass die interessierten Nutzer auch die Programme auf ihren Rechnern installiert hätten, um die gesuchten Daten herunterladen zu können.
In Bezug auf die Teilnahmeform der Gehilfenschaft schützte das Bundesgericht die Auffassung der Vorinstanz ebenfalls, wonach die Beihilfe im Sinne von Art. 25 StGB nicht verlange, dass die Erfüllung der Straftat vom Beitrag des Gehilfen abhängen müsse. Im Gegenteil komme es nicht darauf an, ob Nutzer das Filesharing-Programm allenfalls erst noch auf dem eigenen Rechner installieren mussten, um die urheberrechtlich geschützten Werke überhaupt herunterladen zu können. Schon das Bereithalten der Hash-Links und das Unterhalten der Webseite erfüllte deshalb den Tatbestand der Gehilfenschaft.
Kommentar:
Zunächst erscheint erwähnenswert, dass ein weitgehend vergleichbarer Sachverhalt bereits einem Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 27. Juli 2006 (Ref.: PS 06 5 (GR)) zugrunde lag. Die dort ebenfalls wegen Gehilfenschaft zu unrechtmässigem Anbieten urheberrechtlich geschützter Werkexemplare verurteilte Person hatte allerdings nicht nur Hash-Links auf einer vergleichbaren Website gesetzt, sondern nachweislich auch selbst Downloads und Uploads von urheberrechtlich geschützten Werken in P2P-Netzwerken vorgenommen.
Auch wenn das strenge Vorgehen gegen systematische Urheberrechtsverletzungen und die beiden Entscheide im Ergebnis nicht zu beanstanden sind, wirft die jeweilige Würdigung der Tatsachenfeststellungen, welche vom Bundesgericht lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit überprüft werden kann, formal-juristisch in der Tat einige Fragen auf.
So erscheint es problematisch, eine Gehilfenschaft anzunehmen, ohne einen konkreten Haupttäter, resp. konkrete Haupttat ermittelt zu haben. In beiden Fällen wurde es allerdings als erwiesen erachtet, dass Personen (von der Schweiz aus) unter Verwendung der strittigen Hash-Links urheberrechtlich geschützte Inhalte herunter- und heraufluden. Der Nachweis wurde als erbracht erachtet, da die Links tatsächlich und nachweislich angeklickt wurden. Analog zum Kantonsgericht Graubünden kann darin wohl ein strafbarer Versuch erblickt werden, was nach h.L. als Haupttat ausreichen würde. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass anzunehmen ist, dass der Nutzer im Zusammenhang mit dem Download auch ein Upload der Datei bzw. der Dateifragmente vornehmen wollte. Dies kann grundsätzlich als durchaus zweifelhaft erscheinen, denn gewisse Filesharing-Programme erlauben, Uploads auszuschliessen. Da das Konzept dieser Programme allerdings darauf beruht, dass auch Uploads erfolgen und folglich ein Ausschluss von Uploads oftmals funktional gar nicht möglich ist, oder zu einer Verlangsamung der Downloadgeschwindigkeit führt, kann bei einer grösseren Anzahl nachweislicher „Klicks» wohl zu Recht im Sinne eines Indizienbeweises davon ausgegangen werden, dass unter den Nutzern auch solche dabei waren, die illegale Uploads vornehmen wollten. Das Erfordernis, wonach der Beitrag des Gehilfen die Haupttat tatsächlich gefördert haben muss, kann jedoch nur schwer losgelöst von einer ganz konkreten Haupttat beurteilt werden. Was die Vollendung der Tat, d.h. den effektiven Upload unter Verwendung des Hash-Links, anbelangt, fehlte ebenfalls in beiden Urteilen ein konkreter Nachweis. Auch hier kann jedoch wiederum aufgrund einer grossen Anzahl „Klicks» angenommen werden, dass denn auch tatsächlich ein Down- bzw. Upload einzelner ganzer Dateien oder Dateifragmente erfolgte.
In Bezug auf die grundlegende Voraussetzung, dass die Haupttat in der Schweiz begangen wurde, konnten im vorliegend vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall immerhin Rückschlüsse von den registrierten Nutzern auf den Schweizer Begehungsort gezogen werden. Auch wenn den einzelnen Indizien teilweise Zweifel anhaften, erscheint es richtig, aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände das Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat anzunehmen.
Weitere Informationen:
- Urteil des Bundesgerichts vom 7. Februar 2011 (6B_757/2010)
- Art. 67 Urheberrechtsgesetz, URG
- Logistep-Urteil: Bundesgericht qualifiziert IP-Adressen NICHT grundsätzlich als Personendaten
- Urheberrechtsverletzungen in P2P-Netzwerken
- Bundesgericht: Urteil zur Miturheberschaft bei der Schaffung eines Werks
- Bundesgericht beurteilt Vorgehen von Logistep gegen «Internet-Piraten» als unzulässig
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann