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Der DMA wurde am 12. Oktober 2022 im Amtsblatt veröffentlicht und steht somit unmittelbar vor dessen Anwendbarkeit. Die neue Verordnung soll zur Regulierung von digitalen Diensten beitragen und richtet sich dabei insbesondere an Betreiber grosser Online-Plattformen (sog. «Gatekeeper») wie bspw. Google, Amazon, Meta, Apple und Microsoft. Durch den DMA werden den Gatekeepern unfaire Praktiken verboten und sie werden proaktiv veranlasst, bestimmte Massnahmen zu ergreifen (z.B. Erlaubnis zum Installieren von Apps anderer Anbieter aus anderen App-Stores). Beim Verstoss gegen die einschlägigen Vorschriften drohen den Gatekeepern harte Sanktionen, welche bis zur zwangsweisen Veräusserung von Geschäftsteilen führen können. Angesichts dessen werden im folgenden Beitrag die wichtigsten Eckpfeiler des DMA erläutert.
Was ist der Digital Markets Act und welches Ziel verfolgt er?
Ende 2020 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag zur Regulierung der digitalen Dienste präsentiert (vgl. MLL-News vom 8.7.2021). Neben dem Digital Services Act (DSA) wurde als zweiter Pfeiler des Regulierungsvorschlags der DMA initiiert, welcher am 14. September 2022 in seiner finalen Form unterzeichnet und am 12. Oktober 2022 im Amtsblatt publiziert wurde. Der DMA baut auf der bestehenden Verordnung (EU) 2019/1150 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten (P2B-Verordnung; vgl. MLL-News vom 14.5.2020) auf, die Transparenz- und Fairnessvorschriften für Online-Vermittlungsdienste unabhängig von ihrer Grösse und Position beinhaltet. Mit dem DMA werden nun zusätzliche Regelungen ausschliesslich für grosse Online-Plattformen (sog. Torwächter oder Gatekeeper) festgelegt, welche eine faire und wettbewerbsfähige digitale Wirtschaft sowie die Offenheit wichtiger digitaler Märkte gewährleisten sollen. Die Verordnung richtet sich insbesondere gegen unlautere Praktiken der Gatekeeper, die durch die bestehenden EU-Wettbewerbsvorschriften nicht oder nicht wirksam abgedeckt sind, da das Kartellrecht grundsätzlich erst nach dem Auftreten von wettbewerbsbeschränkendem oder missbräuchlichem Verhalten durchgesetzt werden kann und meist langwierige Untersuchungsverfahren mit sich bringt. So handelt es sich beim DMA um eine kartellrechtsnahe Regulierung, welche bereits im Vorfeld zur Anwendung kommen soll (sog. ex-ante-Regulierung).
Welche Unternehmen werden vom Anwendungsbereich des DMA erfasst?
Wie bereits erwähnt, gilt der DMA nicht für sämtliche Betreiber von Online-Plattformen, sondern nur für solche, die nach den Kriterien der Verordnung als Gatekeeper bzw. Torwächter eingestuft werden. Gemäss dem DMA bezeichnet der Ausdruck Gatekeeper einen Betreiber zentraler Plattformdienste, der (kumulativ):
- erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat; und
- einen zentralen Plattformdienst betreibt, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient; und
- hinsichtlich seiner Tätigkeiten eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder eine solche in naher Zukunft absehbar ist.
Die Definition des Begriffs Gatekeeper enthält eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, welche einer Konkretisierung bedürfen. Beginnend mit dem Begriff zentrale Plattformdienste. Unter diesem Begriff werden die folgenden Dienste verstanden:
- Online-Vermittlungsdienste;
- Online-Suchmaschinen;
- Online-Dienste sozialer Netzwerke;
- Video-Sharing-Plattform-Dienste;
- Nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste;
- Betriebssysteme;
- Cloud-Computing-Dienste;
- Werbedienste;
- Webbrowser;
- Virtuelle Assistenten.
Die Betreiber dieser zentralen Plattformdienste müssen sodann eine bestimmte Grösse bzw. «erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt» im Sinn von Ziffer i. obenstehend aufweisen. Gemäss Text der Verordnung ist dies erfüllt, wenn das Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in jedem der letzten drei Geschäftsjahre einen Jahresumsatz von mind. 7,5 Milliarden Euro erzielt hat oder wenn sich die durchschnittliche Marktkapitalisierung oder ein entsprechender Marktwert des Unternehmens im letzten Geschäftsjahr auf mindestens 75 Milliarden Euro belief und in mindestens drei Mitgliedstaten ein zentraler Plattformdienst betrieben wird. Ferner muss der Betreiber eines zentralen Plattformdienstes gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor (sog. «gateway») gemäss Ziffer ii. obenstehend zu Endnutzern dienen. Davon ist auszugehen, sofern dieser im vergangenen Geschäftsjahr mehr als 45 Millionen im EWR ansässige, monatlich aktive Endnutzer sowie mehr als 10’000 aktive gewerbliche Nutzer im letzten Geschäftsjahr verzeichnete. Die letzte Voraussetzung einer gefestigten und dauerhaften Position gemäss Ziffer iii. ist gegeben, sofern die vorgenannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht wurden.
Es wird vermutet, dass Unternehmen, welche sämtliche vorgenannten Kriterien erfüllen, im Sinne des DMA als Gatekeeper qualifiziert werden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, diese Vermutung aufgrund aussergewöhnlicher Umstände zu widerlegen. Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Voraussetzungen, um als Gatekeeper qualifiziert zu werden, – zu Recht – sehr hoch sind. Eine entsprechende Einstufung angesichts der damit einhergehenden Folgen (vgl. unten) sollte somit nicht leichtfertig angenommen werden.
Welche Folgen hat die Einstufung als Torwächter?
Im Rahmen des DMA wird für die als Torwächter eingestuften Unternehmen eine Vielzahl von Pflichten und Verboten verankert. Dabei sind bestimmte Vorschriften proaktiv umzusetzen, aber auch bestimmte Verhaltensweisen ausdrücklich zu unterlassen. Exemplarisch werden an dieser Stelle einige der Pflichten und Verbote aufgelistet.
Pflichten von Torwächtern sind insbesondere:
- Endnutzern ist das Installieren von Apps anderer Anbieter aus anderen App-Stores zu erlauben, sofern diese das Betriebssystem des Torwächters nutzen oder mit diesem operabel sind.
- Endnutzern ist zu erlauben, vorinstallierte Software-Anwendungen leicht zu deinstallieren oder Standardeinstellungen in Betriebssystemen zu ändern.
- Dritten ist die Interaktion mit den eigenen Diensten des Torwächters zu ermöglichen.
- Endnutzer müssen sich genauso einfach von den zentralen Plattformdiensten abmelden wie anmelden können.
- gewerblichen Nutzern ist die Möglichkeit zu geben, ihre Angebote zu bewerben und Verträge mit ihren Kunden ausserhalb der Plattform des Torwächters zu schliessen.
- gewerblichen Nutzern ist der Zugang zu den Daten, welche durch ihre Tätigkeiten auf der Plattform des Torwächters generiert werden, zu gewähren.
Verbotene Verhaltensweisen von Torwächtern sind insbesondere:
- Produkte oder Dienste des Torwächters dürfen nicht besser behandelt werden als diejenigen von Dritten.
- Von App-Entwicklern darf nicht verlangt werden, bestimmte Dienste des Torwächters (bspw. Zahlungssysteme) zu nutzen, um in dessen App-Stores zu erscheinen.
- Daten gewerblicher Nutzer, mit denen der Torwächter auf der eigenen Plattform im Wettbewerb steht, dürfen nicht für eigene Zwecke verwendet werden.
Die Vorschriften sind innerhalb von sechs Monaten nach Einstufung des Unternehmens als Torwächter einzuhalten. Es besteht allerdings die Möglichkeit, beim Nachweis berechtigter Interessen die Befreiung von bestimmten Verpflichtungen zu beantragen. Ausserdem ist zu erwähnen, dass die Europäische Kommission befugt ist, die bestehenden Regelungen nach einer Marktuntersuchung zu ergänzen bzw. zu aktualisieren, um so sich ändernden Praktiken begegnen zu können.
Welche Konsequenzen drohen bei Missachtung der Vorschriften?
Bei Missachtung der im DMA festgelegten Vorschriften sind harte Sanktionen vorgesehen. Bei einem Verstoss gegen die Vorschriften kann die Europäische Kommission dem Torwächter einschneidende Geldstrafen von bis zu 10% des weltweiten Jahresumsatzes auferlegen – bei wiederholten Verstössen gar bis zu 20%. Bei systematischen Verstössen gegen den DMA können als weiteres Sanktionsinstrument strukturelle Abhilfemassnahmen erlassen werden, was bis zur Verpflichtung, einen Geschäftsbereich zu veräussern, führen kann.
Angesichts dieser sehr strengen Sanktionen ist den vom Anwendungsbereich des DMA erfassten Unternehmen dringend zu raten, sich mit den Regelungen des DMA eingehend auseinanderzusetzen und die aktuellen Geschäftspraktiken entsprechend zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Was sind die nächsten Schritte?
Am 14. September 2022 wurde der DMA final unterzeichnet und am 12. Oktober 2022 im Amtsblatt veröffentlicht. Der DMA wird grundsätzlich ab dem 2. Mai 2023 gelten, wobei gewisse Bestimmungen erst ab dem 25. Juni 2023 gelten werden. Unter letztere Bestimmungen fallen vorwiegend die Kompetenz der Europäischen Kommission, delegierte Rechtsakte, Durchführungsrechtsakte, Verordnungen sowie Normen zu erlassen.
Nach Inkraftsetzung wird die Kommission zunächst prüfen, ob Betreiber zentraler Plattformdienste als Torwächter in Frage kommen. Dabei müssen die Unternehmen selbst prüfen, ob sie die festgelegten Schwellenwerte erreichen und anschliessend der Kommission die entsprechenden Informationen mitteilen. Die Kommission wird in der Folge diejenigen Unternehmen als Torwächter benennen, welche die Schwellenwerte des DMA gemäss den von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Informationen erreichen. Spätestens sechs Monaten nach der Einstufung als Torwächter müssen die Vorschriften des DMA eingehalten werden – bei Missachtung ist mit harten Sanktionen zu rechnen (vgl. oben).
Was bedeutet der DMA für Schweizer Unternehmen?
Aufgrund des extraterritorialen Geltungsbereichs (d.h. es reicht, wenn die Dienste in der EU angeboten werden) haben sich auch Betreiber zentraler Plattformdienste mit Sitz in der Schweiz an die Vorschriften des DMA zu halten, sofern sie denn als Torwächter einzustufen sind. Da die Voraussetzungen dafür sehr hoch sind, wird sich der DMA zumindest nicht direkt auf die Mehrzahl der Schweizer Unternehmen auswirken. Dennoch schafft die neue Verordnung auch neue Möglichkeiten insbesondere für gewerbliche Nutzer mit Sitz in der Schweiz, welche Plattformdienste von Gatekeepern in der EU nutzen. So erhalten diese neu bspw. die Möglichkeit, ihre Angebote auf den Plattformen zu bewerben und Verträge mit ihren Kunden ausserhalb der Plattform des Torwächters zu schliessen.
In der Schweiz ist in naher Zukunft nicht mit ähnlichen ex-ante-Regulierungen wie im DMA zu rechnen. Bei der Behandlung von digitalen Sachverhalten im Bereich des schweizerischen Kartellrechts nimmt die allgemein gehaltene Vorschrift in Art. 7 des Kartellgesetzes (unzulässige Verhaltensweisen marktbeherrschender und relativ marktmächtiger Unternehmen) eine zentrale Stellung ein, welche grundsätzlich europarechtsfreundlich auszulegen ist. Die allgemeine Ausgestaltung der Vorschrift bietet dabei ein ausreichendes Instrument, um eine wettbewerbsfähige digitale Wirtschaft zu gewährleisten. Aufgrund der Möglichkeit, Art. 7 des Kartellgesetzes europarechts-freundlich zu interpretieren, kann gegebenenfalls damit gerechnet werden, dass die schweizerischen Kartellbehörden zukünftig gewisse unter dem DMA verbotene Verhaltensweisen auch in der Schweiz näher prüfen werden.
Weitere Informationen:
- Vereinbarter Text zum Gesetz über digitale Dienste (Digital Markets Act, «DMA»)
- Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdienste (P2B-Verordnung; VO 2019/1150)
- MLL-News vom 14.5.2020: «P2B-Verordnung gilt ab dem 12. Juli 2020 – neue EU-Vorschriften für Online-Plattformen und Suchmaschinen»
- MLL-News vom 8.7.2021: «Anbruch eines neuen Zeitalters für die Regulierung digitaler Dienste in der EU»