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Mit den vor allem in den letzten zehn Jahren stark aufkommenden «alternativen Nikotinprodukten» – d.h. primär elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) sowie chemische Snuserzeugnisse – wurden die im schweizerischen Tabakrecht bestehenden Regulierungslücken zunehmend evident. Die Regulierung betreffender Erzeugnisse erforderte entsprechend eine Revision der schweizerischen Tabakregulierungen und somit die Erarbeitung des im Oktober 2021 vom schweizerischen Parlament verabschiedeten Tabakproduktegesetzes (TabPG).
Stand heute ist das Inkrafttreten der neuen Tabakregulierungen per Anfang des Jahres 2024 vorgesehen. Ab diesem Zeitpunkt verfügt das schweizerische Recht erstmalig über ein eigenständiges Tabakgesetz und definiert – aus produkteregulatorischer Sicht – ebenfalls erstmalig Tabakprodukte sowie gleichartige Erzeugnisse als eine eigenständige Produkteklasse.
Bis heute verfügt das schweizerische Recht zur Regulierung von Tabakerzeugnissen sowie Raucherwaren mit Tabakersatzstoffen nicht über ein eigenständiges Tabak- bzw. Tabakproduktegesetz, wie dies etwa in den allermeisten (westlichen) Ländern üblich ist. Produkteregulatorisch sind daher bis zum Inkrafttreten des neuen TabPG (voraussichtlich im Jahr 2024) solche Erzeugnisse gemäss dem alten Lebensmittelgesetz vom 9. Oktober 1992 weiterhin als Lebensmittel – konkret als Genussmittel – einzustufen. Basierend auf dem alten Lebensmittelgesetz wurde die Verordnung über Tabakerzeugnisse und Raucherwaren mit Tabakersatzstoffen (TabV) vom 27. Oktober 2004 in Kraft gesetzt, welche ihrerseits – jedoch ausschliesslich – die besonderen (gesundheitsschädlichen) Produkteeigenschaften von tabakbasierten Erzeugnissen sowie den zum Rauchen bestimmten Produkten adressiert.
Eine rechtliche Grundlage, welche auch alternative (neuartige) Erzeugnisse wie etwa tabakfreie, jedoch Nikotin-beinhaltende Produkte (z.B. E-Zigaretten, Vape-Devices, Chem-Snus, etc.) erfassen würde, stellt die gegenwärtige TabV nicht zur Verfügung. So gelangte das Bundesverwaltungsgericht beispielsweise – korrekt – zum Schluss, dass E-Zigaretten und Nachfüllkartuschen nicht als Tabakprodukte und Raucherwaren qualifizieren und damit nicht der geltenden TabV unterstellt sind. Vielmehr qualifizieren E-Zigaretten sowie chemischer Snus aus produkteregulatorischer Sicht als sog. Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt (kurz: Humankontaktgegenstände) nach dem neuen Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG) vom 20. Juni 2014 (vgl. Art. 5 lit. b LMG). Diese «sonderbare» Produktequalifikation hat für die rechtliche Unterstellung von ähnlichen und gleichartigen Erzeugnissen, d.h. insbesondere für E-Zigaretten und chemische Snus-Erzeugnisse, durchaus relevant Rechtsfolgen. So gelten für Humankontaktgegenstände etwa keine Altersgrenzen oder besondere bildliche Warnhinweisvorgaben (wie dies bei klassischen Tabakerzeugnissen typisch ist). Dieser Umstand soll nun mit der Einführung des neuen TabPG bereinigt werden.
Geltungsbereich des Tabakproduktegesetzes im Allgemeinen
Das TabPG begegnet dieser Problematik durch einen breit definierten Geltungsbereich. Dieser umfasst tabakhaltige Produkte zum Rauchen und zum Erhitzen, nikotinhaltige Produkte zum oralen Gebrauch (bspw. Snus) sowie pflanzliche Rauchprodukte (bspw. CBD-Zigaretten) und E-Zigaretten. Hervorzuheben ist dabei, dass sowohl nikotinhaltige wie auch nikotinfreie E-Zigaretten unter das Gesetz fallen. Begründet wird dies mit den im Dampf enthaltenen schädlichen Stoffen sowie der Gefahr als potenzielles Einstiegsprodukt für nikotinhaltige E-Zigaretten.
Betreffend die Werbevorschriften ist das TabPG zudem auch auf sog. Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden, anwendbar. Gemeint sind Gegenstände, die eine Verbindung mit einem Tabakprodukt eingehen, damit dieses konsumiert werden kann (bspw. Zigarettenpapier oder Zigarettenfilter, aber auch Wasserpfeifen).
Betreffend die Produkteanforderungen übernimmt das TabPG weitestgehend die bereits heute bestehenden Regelungen der geltenden Tabakverordnung wie bspw. die Vorgaben hinsichtlich der Zusammensetzung und die zulässigen Emissionen der Produkte. Neu sind die zulässigen Substanzen jedoch mittels Negativliste und Höchstmengen anstatt wie bisher im Rahmen einer Positivliste geregelt. Der Wegfall aufwändiger Bewilligungsverfahren für neue Substanzen (kann) daher den Markteintritt neuer Produkte beschleunigen.
Aufgrund des erweiterten Geltungsbereichs des TabPG empfiehlt es sich in jedem Fall, für Produkte die anwendbaren Vorschriften individuell zu prüfen. So fallen zwar beispielsweise E-Zigaretten unter das TabPG, auf nikotinhaltige Flüssigkeiten ist jedoch wiederum das Chemikaliengesetz mit entsprechenden Bestimmungen bezüglich Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung anwendbar. Wird mit einer rauchentwöhnenden Wirkung geworben, ist zudem eine Unterstellung unter das schweizerische Heilmittelgesetz zu prüfen.
Bei der Abgabe von Tabakprodukten an Konsumentinnen und Konsumenten sind sodann verschiedene Vorschriften zur Verpackungsgrösse und Kennzeichnung zu beachten. Verboten sind beispielsweise Angaben wie «bio» oder «natürlich» auf Tabakprodukten zum Rauchen. Da solche Angaben als täuschend geltend, dürfen sie auch für die Werbung für andere Tabakprodukte oder nikotinhaltige E-Zigaretten verwendet werden. Zusätzlich sind die Produkte mit Warnhinweisen zu versehen, wobei diese je nach Produktekategorie variieren.
Für E-Zigaretten und Tabakprodukte zum Erhitzen bestehen zudem spezifische zusätzliche Anforderungen an die Sicherheit und Produktinformation.
Werbevorgaben im Besonderen
Die Annahme der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» machte bereits vor dem ursprünglich geplanten Inkrafttreten des TabPG (per Sommer 2023) eine erste Revision notwendig, welche gegenwärtig ausgearbeitet wird. Das revidierte TabPG (sowie das vom Bundesrat zu erarbeitende Verordnungsrecht) wird voraussichtlich anfangs 2024 in Kraft tre-ten, weshalb vorliegend auf die revidierten Werbebestimmungen (zum gegenwärtigen Stand) hingewiesen werden soll.
In Umsetzung der Volksinitiative verbietet das revidierte TabPG Werbung sowie Hinweise auf Verkaufsförderung oder Sponsoring in Presseerzeugnissen (sofern nicht ausschliesslich für in der Tabakbranche tätige Personen bestimmt), im Internet, in Applikationen und anderen elektronischen Medien, in Kinos sowie auf Werbeträgern, auf denen sie Minderjährige erreichen können. Ebenfalls untersagt ist das Sponsoring von Veranstaltungen in der Schweiz, wenn diese internationalen Charakter haben oder von Minderjährigen besucht werden können.
Das Werbeverbot gilt sowohl für Tabakprodukte, E-Zigaretten wie auch für Gegenstände, die eine funktionale Einheit mit einem Tabakprodukt bilden. Wie die Werbevorschriften jedoch schlussendlich im Detail (sowie definitiv) aussehen werden, lässt sich erst feststellen, wenn die Revisionsvorlage das Parlament abschliessend durchlaufen hat.
Stand heute kann jedoch bereits Folgendes festgehalten werden: Der Begriff Tabakerzeugnis wird inskünftig im gleichen Zug, gemeinsam mit den gleichartigen sowie ähnlichen Erzeugnissen (insbesondere E-Zigaretten und chemischer Snus) geregelt sein und somit für sämtliche gleichgerichteten Erzeugnisse, d.h. für Genussmittel-orientierte «Suchterzeugnisse», grösstenteils identische Vorgaben bereitstellen. Die bedeutendsten Änderungen ergeben sich dabei insbesondere in Bezug auf die Zulässigkeit von Werbemassnahmen sowie die Abgabemodalitäten hinsichtlich des Jugendschutzes.
MLL Legal berät Sie gerne bei Fragen zur aktuellen und künftigen Tabakprodukteregulierung und bei sämtlichen Implementierungsschritten in diesem Zusammenhang.