Das neue Verjährungsrecht ab dem 1. Januar 2020


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Am 1. Januar 2020 ist das revidierte Verjährungsrecht in Kraft getreten. Unter anderem wurde die absolute Verjährungsfrist bei Personenschäden von zehn auf zwanzig Jahre verdoppelt. Lesen Sie im folgenden Beitrag, welche zusätzlichen Neuerungen in Bezug auf das neue Verjährungsrecht des Weiteren zu beachten sind.

1. Ausgangslage

Ursprung der Revision der obligationenrechtlichen Verjährungsbestimmungen war eine Motion aus dem Parlament. Der Bundesrat wurde damit beauftragt, die Verjährungsfristen des Haftpflichtrechts so zu verlängern, dass auch bei Spätschäden Schadensersatzansprüche nicht immerzu an der Verjährung scheitern.

Anlass zu dieser Motion gab insbesondere die rechtlich unbefriedigende Situation von asbestgeschädigten Personen, welche mit ihren Schadenersatzansprüchen regelmässig infolge des Eintritts der Verjährung gerichtlich nicht durchdrangen. In diesem Zusammenhang erging im Jahr 2014 ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Der EGMR entschied in einem Asbest-Fall, in welchem der Schweizer Staat beklagte Partei war, sinngemäss, dass die zehnjährige absolute Verjährungsfrist bei Personen, welche erst mehrere Jahre nach dem hierfür kausalen Schadensereignis erkennbar erkrankten, unverhältnismässig kurz sei. Entsprechend folgerte der EGMR, dass das Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei und verurteilte die Schweiz zur Zahlung einer Genugtuung. Daraufhin hiess das Bundesgericht das Revisionsgesuch der klagenden Partei gut, hob sein ursprüngliches Urteil auf und wies den Fall mit der Anweisung, die Verjährungsfrist beim künftigen Entscheid nicht mehr zu berücksichtigen, an die erste Instanz zurück.

Ziel der Gesetzesrevision in Bezug auf die zivilrechtlichen Verjährungsfristen ist somit insbesondere die Besserstellung der Opfer von Personenschäden, welche erst lange nach dem verursachenden Ereignis erkennbar werden. Damit die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen infolge solcher Spätschäden nicht wiederholt an der Verjährung scheitert, sieht das Obligationenrecht seit dem 1. Januar 2020 längere Verjährungsfristen vor.

2. Neue Verjährungsfristen

2.1. Ansprüche aus unerlaubter Handlung

Die Ansprüche auf Schadensersatz oder Genugtuung verjähren neu mit Ablauf von drei Jahren (bisher: 1 Jahr), ab dem Tag an gerechnet, an welchem die geschädigte Person Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat (sogenannte relative Verjährungsfrist), jedenfalls aber – wie bisher – mit Ablauf von zehn Jahren, ab dem Tag, an welchem das schädigende Verhalten (Handeln oder Unterlassen) erfolgte oder aufhörte (sogenannte absolute Verjährungsfrist).

Eine längere absolute Verjährungsfrist gilt neu bei Personenschäden (Tötung eines Menschen oder Körperverletzung). In solchen Fällen verjährt der Anspruch auf Schadensersatz oder Genugtuung nunmehr nach zwanzig Jahren.

Liegt einer unerlaubten Handlung ein strafrechtlich relevantes Verhalten zu Grunde, orientiert sich die Verjährung an den strafrechtlichen Bestimmungen. Der Anspruch auf Schadensersatz oder Genugtuung verjährt im Falle einer strafbaren Handlung neuerdings frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Falls ein Strafurteil ergeht, verjährt der Anspruch frühestens nach drei Jahren seit Eröffnung des entsprechenden Urteils. Fraglich ist hierbei, ob Zivilansprüche bei unverjährbaren Delikten ebenfalls unverjährbar sind. Dies muss mit heutigem Wissenstand konsequenterweise bejaht werden.

2.2. Ansprüche aus Verträgen

Das Obligationenrecht statuiert neu explizite Verjährungsfristen für Forderungen auf Schadensersatz und Genugtuung infolge vertragswidriger Körperverletzung oder Tötung eines Menschen. Solche Forderungen verjähren mit Ablauf von drei Jahren (relative Verjährungsfrist), jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren (absolute Verjährungsfrist).

2.3 Weitere Änderungen in Bezug auf die Verjährungsfristen

Im Sinne einer Gesetzesharmonisierung wurde auch die relative Verjährungsfrist der ungerechtfertigten Bereicherung verlängert, wobei diese nicht länger ein, sondern neuerdings ebenfalls drei Jahre beträgt. Die Notwendigkeit einer zwanzigjährigen absoluten Verjährungsfrist besteht in Bezug auf das Bereicherungsrecht demgegenüber nicht, da keine Bereicherungsansprüche infolge Personenschäden denkbar sind.

Zur weiteren Vereinheitlichung wurden ausserdem unter anderem die Verjährungsfristen in den allgemeinen Bestimmungen des Schuld- und Konkursrechts auf drei Jahre angepasst. Dasselbe gilt im Zivilgesetzbuch betreffend Verjährung des Schadensersatz- bzw. Genugtuungsanspruchs im Rahmen von behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes. Neu wird diesbezüglich direkt auf die Bestimmungen des Obligationenrechts betreffend unerlaubte Handlung verwiesen.

Die erst kürzlich verlängerten Verjährungsfristen für die Gewährleistung für Mängel im Kauf- und Werkvertrag bleiben dahingegen unverändert.

3. Gesetzliche Regelung des Verzichts auf die Verjährungseinrede

Grundsätzlich können Verjährungsfristen durch vertragliche Abrede weder abgeändert werden, noch können die Vertragsparteien im Voraus auf die Verjährung verzichten.

Das Bundesgericht erkannte allerdings im Jahr 2006, dass der Verjährungsverzicht nur bis und mit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verboten sei. Nach Abschluss des Vertrags könne der Schuldner auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede verzichten.

In der Praxis spielt die Möglichkeit, gegenüber dem Gläubiger auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede zu verzichten, eine ausserordentlich wichtige Rolle.

Im Zuge der Gesetzesrevision wurde diese Möglichkeit des Verzichts auf die Verjährung nun umfassend neu geregelt. Einerseits wurde die bundesgerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf die Möglichkeit, auf das Erheben der Verjährungseinrede zu verzichten, im Gesetz explizit statuiert. Andererseits wurde – und dies in Abweichung zur Rechtsprechung des Bundesgerichts – konkretisiertab wann der Verzicht auf die Verjährungseinrede möglich ist.

Während ein Verjährungseinredeverzicht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bis anhin bereits nach Vertragsschluss möglich war, kann ein Schuldner ab dem 1. Januar 2020 auf die Verjährungseinrede frühestens ab Beginn der Verjährung verzichten. Entsprechend muss die Verjährung einer Forderung bereits begonnen haben. In der Praxis dürfte dies teilweise Schwierigkeiten bereiten, da nicht immer klar ist, wann die Verjährungsfrist eines Anspruchs tatsächlich begonnen hat.

Während bis anhin beim Verzicht keine besondere Form vorausgesetzt war, schreibt das Gesetz neu vor, dass dieser in schriftlicher Form zu erfolgen hat. Gemeint ist damit die Form der einfachen Schriftlichkeit. Entsprechend muss der sich verpflichtende Schuldner den Verzicht unterzeichnen. Eine E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur oder ein anderweitiges schriftliches Dokument ohne Unterschrift genügt diesem Schriftformerfordernis somit nicht länger.

Ausserdem weist das Gesetz neu explizit darauf hin, dass in den allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich der Verwender auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten darf, nicht aber die Gegenpartei. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Verwender standardmässig einen Verjährungsverzicht der Gegenpartei in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen.

4. Erweiterung und Anpassung der Hinderungs-und Stillstandsgründe

Schliesslich wurde im Rahmen der Gesetzesrevision auch der Katalog der Hinderungs- und Stillstandgründe der Verjährung per 1. Januar 2020 angepasst und erweitert.

Insbesondere beginnt die Verjährung neu auch während Vergleichsgesprächen oder sonstiger aussergerichtlichen Streitbeilegungen nicht zu laufen bzw. steht still. Dies jedoch nur sofern die Parteien dies schriftlich vereinbaren. Im Gegensatz zum einseitigen Verzicht der Verjährungseinrede müssen hier beide Parteien unterzeichnen, um den Lauf der Verjährung zu hemmen.

Zudem beginnt die Verjährung nicht bzw. steht still, falls sie begonnen hat, solange eine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Gericht (weder im Inland noch im Ausland) geltend gemacht werden kann. Dasselbe gilt für Forderungen des Erblassers oder solchen gegen diesen, während der Dauer des öffentlichen Inventars. Diese Regelung war bisher im Zivilgesetzbuch geregelt und wurde nun ins Obligationsgesetz zu den anderen Hinderungs- und Stillstandgründen verlegt, was der Übersichtlichkeit der Gesetze dient.

5. Übergangsbestimmungen – Welche Auswirkung die Revision auf die bereits laufenden Verjährungsfristen hat

Bestimmt das neue Recht eine längere Verjährungsfrist als das bisherige, so gilt das neue Recht, vorausgesetzt die Verjährung nach bisherigem Recht ist noch nicht eingetreten.

Bestimmt das neue Recht im Vergleich zum alten Recht demgegenüber eine kürzere Verjährungsfrist, so gilt das bisherige Recht.

Des Weiteren werden bereits abgelaufene Verjährungsfristen infolge des Rückwirkungsverbots durch das neue Gesetz nicht berührt. Dementsprechend bleiben auch Verzichtserklärungen, welche nach dem alten Recht gültig sind, gültig.

Schliesslich lässt das Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts den Beginn einer laufenden Verjährung unberührt, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.


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