Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht

Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht gilt nicht für Daten verstorbener Personen


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In einem aktuellen Urteil gelangt das Obergericht des Kantons Zürich zum Schluss, dass das geltende Datenschutzrecht den Angehörigen kein Recht auf Auskunft über Daten verstorbener Personen gewährt. Die Bestimmung in der bundesrätlichen Verordnung zum Datenschutzgesetz (VDSG), die ein solches Recht vorsieht, erklärte es als gesetzeswidrig. Das Auskunftsrecht gilt daher gemäss Obergericht nur für Daten, welche die eigene Person betreffen. Geht es nach dem Bundesrat, soll sich dies jedoch zumindest mit der Totalrevision des Datenschutzgesetzes ändern und zugleich ein Löschungsrecht zugunsten der Erben eingeführt werden. Aus Sicht der Betroffenen mag der Bedarf nach einer solchen Regelung zwar verständlich sein, jedoch schiesst der Bundesrat mit seinem Vorschlag weit über das Ziel hinaus.

Negativmeldung und Klage auf Auskunftserteilung

Der Kläger war im vorliegenden Fall der Ansicht, dass die Beklagte im Besitz von Daten über ihn und seinen verstorbenen Vater sei. Aufgrund eines „Kaufvertrags mit integriertem Darlehensvertrag“ habe die Beklagte wiederkehrend Zins- und Amortisationszahlungen auf das Konto des verstorbenen Vaters bzw. der Erbengemeinschaft überwiesen. Diese Zahlungen seien durch einen Kontoauszug sowie eine Bestätigung des Willensvollstreckers ausgewiesen. Aufgrund der steuerrechtlichen Relevanz müssten die Zahlungen buchhalterisch erfasst worden sein.

Ausgehend davon verlangte der Kläger von der Beklagten Auskunft über alle ihn und seinen verstorbenen Vater betreffenden Daten, die in der Datensammlung der Beklagten vorhanden sind. In der Folge antwortete die Beklagte auf das Auskunftsbegehren, dass sie über keine Daten über ihn oder seinen Vater verfüge. Der Kläger gab sich mit dieser Negativmeldung nicht zufrieden und reichte Klage beim Bezirksgericht Bülach ein. Nachdem dieses die Klage guthiess, verlangte die Beklagte vom Obergericht die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.

Allgemeines zum datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht

In seinem Urteil erläutert das Obergericht (NP160017) zunächst die allgemeinen Grundsätze des in Art. 8 des Datenschutzgesetzes (DSG) verankerten Auskunftsrechts und verweist dabei grösstenteils auf den Leitentscheid des Bundesgerichts (BGE 138 III 425; vgl. dazu MLL-News vom 3.7.12). Demzufolge ist zunächst Gegenstand des Auskunftsrechts, ob überhaupt Daten über die betroffene Person bearbeitet werden. Sofern keine Daten der Auskunft verlangenden Person bearbeitet werden, ist eine Negativmeldung zu erstatten.

Das Auskunftsrecht betrifft sodann alle Daten in einer Datensammlung, d.h. einem Datenbestand, der so aufgebaut ist, dass die Daten nach einer Person erschliessbar sind (vgl. Art. 3 lit. g DSG). Der Inhaber der Datensammlung hat der betroffenen Person Auskunft zu erteilen über:

  • die Herkunft der Daten;
  • den Zweck und ggf. die Rechtsgrundlagen des Bearbeitens;
  • die Kategorien der bearbeiteten Personendaten, der an der Sammlung Beteiligten und der Datenempfänger.

Das Auskunftsrecht steht ferner grundsätzlich jeder Person ohne Nachweis eines besonderen Interesses zu. Das Motiv eines Auskunftsbegehrens kann aber im Hinblick auf einen allfälligen Rechtsmissbrauch von Bedeutung sein.

Herausgabepflicht nur bei Anhaltspunkten für unzutreffende Negativmeldung

Im vorliegenden Fall beurteilte das Obergericht zuerst das Begehren des Klägers hinsichtlich der Daten über ihn selbst. Die Beklagte erteilte dem Kläger in ihrer Antwort auch diesbezüglich eine Negativmeldung. Sie führte ferner aus, dass sie bislang von der Person des Klägers gar nicht erst Kenntnis gehabt habe.

Gemäss Obergericht wären gewisse Anhaltspunkte dafür erforderlich, dass diese (Negativ-)Auskunft nicht zutreffe, sofern man sich nicht damit begnügen wolle. Denn nur in diesem Fall liesse sich eine Herausgabepflicht statuieren. Anders als die Vorinstanz gelangte das Obergericht jedoch zum Schluss, dass der Kläger nichts vorgebracht hat, was für eine ihn persönlich betreffende Datensammlung spreche. Der eingereichte Bankkontoauszug sei an den (ehemaligen) Willensvollstrecker adressiert und betreffe das Konto des verstorbenen Vaters des Klägers. Auch der vorgelegte Vertrag trage nicht den Namen des Klägers, sondern denjenigen seines Vaters.

Folglich bestanden laut Obergericht keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen der Beklagten und dem Kläger persönlich. Das Auskunftsbegehren wurde deshalb in Bezug auf die den Kläger betreffenden Daten abgewiesen.

Kein datenschutzrechtliches Auskunftsrecht für Daten verstorbener Angehöriger

Zu prüfen war deshalb, ob der Kläger gestützt auf das Datenschutzrecht zumindest Auskunft über die Daten seines verstorbenen Vaters verlangen kann. Das Obergericht verweist hierzu einleitend auf Artikel 1 der Verordnung zum Bundesgesetz über den Datenschutz (VDSG). Dieser regelt gemäss seinem Randtitel die „Modalitäten“ des Auskunftsrechts und sieht in Absatz 7 folgendes vor:

„Wird Auskunft über Daten von verstorbenen Personen verlangt, so ist sie zu erteilen, wenn der Gesuchsteller ein Interesse an der Auskunft nachweist und keine überwiegenden Interessen von Angehörigen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen. Nahe Verwandtschaft sowie Ehe mit der verstorbenen Person begründen ein Interesse.“

Gestützt auf diese Verordnungsbestimmung hätte das Auskunftsgesuch des Klägers gutgeheissen werden müssen. Denn der Kläger war unbestrittenermassen als Sohn des Verstorbenen ein naher Verwandter und Erbe. Das Obergericht prüfte jedoch, ob Art. 1 Abs. 7 VDSG auf eine ausreichende Grundlage im Datenschutzgesetz abgestützt ist. Im Urteil werden hierfür mehrere Lehrmeinungen wiedergegeben, welche wie folgt zusammengefasst werden können:

Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht ist ein aus dem Persönlichkeitsrecht fliessender Anspruch über Daten betreffend die eigene Person. Nach schweizerischer Rechtspraxis fällt das Persönlichkeitsrecht und der damit verfolge Schutzzweck beim Tod des Betroffenen grundsätzlich dahin, sodass das Auskunftsrecht nicht auf die Erben übergehe. Das Auskunftsrecht ist als höchstpersönliches Recht somit nicht vererblich.

Das Obergericht schloss sich diesen Meinungen an und erklärte die Ausdehnung des Auskunftsrechts auf Daten Verstorbener auf Verordnungsebene als gesetzeswidrig. Deshalb kann das Auskunftsbegehren betreffend die Daten des verstorbenen Vaters des Klägers nicht gestützt auf das Datenschutzrecht gutgeheissen werden.

Vorliegend besteht auch keine andere Rechtsgrundlage für die Auskunft

Abschliessend prüfte das Obergericht, ob die Klage betreffend die Daten des Vaters des Klägers unter dem Gesichtspunkt eines erbrechtlichen oder eines ererbten Informationsanspruchs gutgeheissen werden kann. Dabei wird zunächst die Frage aufgeworfen, ob dies aus prozessrechtlicher Sicht überhaupt zulässig wäre, da aus dem Rechtsbegehren des Klägers allenfalls bereits eine Beschränkung des Streitgegenstands auf einen datenschutzrechtlichen Anspruch hervorgehen könnte. Die Frage wird in der Folge allerdings offengelassen, da die Klage laut Obergericht auch unter diesem Gesichtspunkt abzuweisen war.

Begründet wird dies damit, dass das materielle Privatrecht keine allgemeinen Informationsansprüche kennt. Die Erben seien zwar gegenseitig auskunftspflichtig und auch gegenüber dem Willensvollstrecker bestünden Auskunftsrechte. Ansprüche gegenüber Dritten, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, müssten jedoch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stets sorgfältig geprüft werden. Da Erben an die Stelle des Erblassers treten (Universalsukzession), bestünde kein Bedarf, ihnen über das aufgrund einer Vertragsbeziehung – beispielsweise mit der Bank – bestehende und nun durch Erbrecht erworbene Auskunftsrecht hinaus noch ein eigenes erbrechtliches Auskunftsrecht einzuräumen.

Im vorliegenden Fall habe der verstorbene Vater, als Darlehensgeber, gegenüber der Beklagten, als Darlehensnehmerin, anders als etwa in einem Auftragsverhältnis, über keinen Auskunftsanspruch verfügt, welcher als ererbter Informationsanspruch auf die Erben hätte übergehen können. Ausgehend davon wurde die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Ausblick auf Rechtslage gemäss Vorentwurf zur DSG-Revision

Das Urteil des Obergerichts bestätigt, was in der Lehre seit jeher kritisiert wurde: für die Ausdehnung des datenschutzrechtlichen Auskunftsrechts auf Daten Verstorbener fehlt die erforderliche gesetzliche Grundlage. Dies anerkennt nun auch der Bundesrat im erläuternden Bericht zum Vorentwurf für die Totalrevision des Datenschutzgesetzes.

Er will deshalb ein vom Auskunftsrecht losgelöstes „Einsichtsrecht“ in die Daten verstorbener Personen einführen (Art. 12 Abs. 1 VE-DSE). Diese Einsicht soll dann zu gewähren sein, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Einsicht vorliegt, was insbesondere bei in gerader Linie verwandten Personen und Ehegatten vermutet wird. Darüber hinaus soll künftig auch jeder Erbe die Löschung von Daten der verstorbenen Person verlangen können (Art. 12 Abs. 4 VE-DSE). Ausgeschlossen ist die Geltendmachung des Löschungsrechts lediglich dann, wenn die verstorbene Person die Einsicht oder Löschung zu Lebzeiten ausdrücklich untersagt hat oder wenn überwiegende Interessen der verstorbenen Person oder von Dritten entgegenstehen.

Kritik an der vorgeschlagenen Regelung

Aus Sicht der Betroffenen erscheint die Forderung nach Regelungen für den „digitalen Tod“ durchaus nachvollziehbar. So verlangt die Mutter einer von einem Zug erfassten 15-Jährigen in einem aktuellen Verfahren in Deutschland die Einsicht in den Facebook-Account ihrer Tochter, insbesondere um zu erfahren, ob es sich dabei um einen Suizid gehandelt haben könnte oder nicht. Die Klage wurde jedoch vom KG Berlin, als zweiter Instanz, abgelehnt (Az. 21 U 9/16), weil das Fernmeldegeheimnis einer Einsichtnahme entgegenstehe.

Auch wenn Facebook in der Schweiz nicht dem Fernmeldegeheimnis untersteht (vgl. BGer 1B_29/2017), müssten in solchen Fällen auch nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Regelung zumindest die Persönlichkeits- bzw. Datenschutzrechte der anderen Facebook-Nutzer, als Dritten, berücksichtigt werden. Folglich würde letztlich eine Interessabwägung über die Einsicht in die Daten der verstorbenen Person entscheiden. Die Regelung des Bundesrats, die das „Postulat Schwab“ umsetzen soll, würde somit auch nicht zwingend dazu führen, dass die Benutzerkonten durch die Hinterbliebenen „rasch und unkompliziert“ gelöscht werden können, wie es im Postulat implizit gefordert wird.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Interessenabwägung in einem ersten Schritt stets von dem Datenbearbeiter bzw. dem Dienstanbieter vorgenommen werden müsste. Wie dieser beurteilen soll, ob und welche Interessen von Dritten und insbesondere einer bereits verstorbenen Person überwiegen, ist sodann unklar.

Zu beachten ist schliesslich auch, dass die vorgeschlagene Regelung nicht nur Betreiber von sozialen Netzwerken erfasst, sondern grundsätzlich jeden Datenbearbeiter, sofern er als Verantwortlicher zu betrachten ist (vgl. die Definition in Art. 3 lit. h VE-DSG). Somit würde künftig auch in einer Vielzahl von anderen Anwendungsfällen (insbesondere) potentiell ein Löschungsrecht bestehen. Dies ist umso problematischer als sich der verantwortliche Datenbearbeiter nach der vorgeschlagenen Regelung gegenüber einem Löschungsbegehren nicht auf überwiegende eigene Interessen oder gesetzliche Pflichten berufen könnte. Somit hätte ein Erbe gar mehr Rechte als der Erblasser zu Lebzeiten.

Die vorgeschlagene Regelung ist daher nicht nur unausgewogen, sondern führt zu einer Überregulierung und zu einem erheblichen Aufwand für die betroffenen Unternehmen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Vorschlag in dieser Form nicht zum Gesetz wird. Die laufende Revision sollte sich ohnehin auf Änderungen beschränken, die zur Aufrechterhaltung der „Angemessenheit“ des Niveaus des Schweizer Datenschutzrechts erforderlich sind (vgl. hierzu auch MLL-News vom 14.2.17). Eine Regelung der Daten verstorbener Personen ist hierfür nicht erforderlich, enthält doch selbst die weitreichende EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hierzu keine Regelung (vgl. Erwägungsgrund Nr. 27). In Betracht zu ziehen wäre deshalb gegebenenfalls eine punktuelle Anpassung des Persönlichkeits- oder des Erbrechts im Rahmen der laufenden Revision zur Modernisierung des Erbrechts.

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