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Betreiber von Online-Marktplätzen verpflichten ihre anbietende Kundschaft regelmässig dazu, die Angebote mindestens zu den gleich günstigen Konditionen zu vertreiben wie auf anderen Portalen. In einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung gelangt das deutsche Bundeskartellamt zum Schluss, dass eine solche als „Bestpreisklausel“ bezeichnete Regelung in den AGB des Online-Hotelportals HRS.de gegen das EU-Kartellrecht verstösst und deshalb nicht mehr verwendet werden darf. Ausschlaggebend dafür waren unter anderem der Marktanteil von HRS, der über 30 % liegt, und die als überwiegend negativ beurteilten Auswirkungen auf den Wettbewerb zwischen Hotelportalen und den Wettbewerb zwischen Hotelunternehmen. Das Ergebnis, nicht aber die rechtliche Einordnung, deckt sich daher mit dem Verfahren des Bundeskartellamts zu einer vergleichbaren Klausel in den AGB von Amazon.
Grundlagen: Allgemeines Kartellverbot und „sicherer Hafen“
Vertragliche Vereinbarungen zwischen einem reinen Plattformbetreiber ohne eigenes Sortiment und einem Anbieter, der seine Produkte auf der Plattform verkaufen möchte, werden aus kartellrechtlicher Sicht als so genannte „vertikale Abreden“ behandelt, d.h. als Abreden zwischen Unternehmen verschiedener Marktstufen. Für vertikale Abreden gelten in Deutschland grundsätzlich die gleichen kartellrechtlichen Vorgaben wie im EU-Recht, weil in den deutschen Vorschriften auf diejenigen der EU verwiesen wird. Auch in Deutschland sind somit grundsätzlich sämtliche vertikalen Abreden mit spürbaren Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich verboten (vgl. § 1 und 2 GWB sowie Art. 101 AEUV).
Für die Beurteilung in der Praxis ist die so genannte Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO) in den meisten Fällen die wichtigste Rechtsgrundlage. Denn diese legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine wettbewerbsbeschränkende vertikale Abrede vom allgemeinen Kartellverbot ausgenommen ist und sich gewissermassen im „sicheren Hafen“ befindet. Eine Vereinbarung wird danach ausdrücklich für zulässig erklärt, wenn die Vertragsparteien
- keine der darin aufgeführten Klauseln (insb. Kernbeschränkungen) enthält und
- auf den relevanten Märkten über nicht mehr als 30 % Marktanteil verfügen.
Sind die Voraussetzungen der Vertikal-GVO nicht erfüllt, bedeutet das zwar noch nicht, dass die Vereinbarung verboten ist. Allerdings muss die Zulässigkeit in diesem Fall von den Vertragsparteien nachgewiesen werden können (sog. Einzelfreistellung), was insbesondere bei einem Grossteil der aufgeführten Klauseln nur sehr schwer möglich ist.
Spärliche Kartellrechtspraxis zu Bestpreisklauseln im Online-Bereich
Bei der Beurteilung, ob Bestpreisklauseln oder auch so genannte Meistbegünstigungs- und Preisparitätsklauseln von Plattformbetreibern gemäss den dargelegten Vorschriften zulässig sind, waren mangels ausreichender Praxis der Wettbewerbsbehörden und Gerichte bis anhin diverse Fragen offen. In den vergangenen Jahren haben jedoch verschiedene europäische Wettbewerbsbehörden, darunter auch die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) (vgl. BR-News vom 12.12.2012), entsprechende Verfahren eröffnet.
Ein Verfahren des deutschen Bundeskartellamts (BKartA) hat beispielswiese Amazon dazu bewegt, ihre „Preisparitätsklausel“ aus den AGB zu entfernen (vgl. BR-News vom 11.09.2013). Da Amazon jedoch nicht nur Plattformbetreiber, sondern zugleich auch Anbieter von Produkten ist, handelte es sich in diesem Fall nicht um eine vertikale, sondern eine horizontale Abrede, d.h. eine Abrede zwischen Konkurrenten (vgl. Fallbericht des BKartA). Für die Beurteilung von (vertikalen) vertraglichen Vorgaben der reinen Plattformbetreiber wie HRS sorgte das Verfahren daher nur beschränkt für mehr Klarheit. Deshalb hat man sich umso mehr Erkenntnisse vom Abschluss des Verfahrens gegen HRS erhofft.
Bestpreisklausel in HRS-Verträgen
Gegenstand dieses Verfahrens waren die bislang in den AGB der HRS enthaltenen Bestpreisklauseln. Diese verpflichten die Hotelunternehmen, jedenfalls auch über HRS den jeweils niedrigsten Hotelzimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die jeweils günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen im Internet anzubieten. Vergleichbare Klauseln waren auch in Individualverträgen der HRS mit einzelnen Hotelunternehmen enthalten.
HRS-Bestpreisklausel nicht im „sicheren Hafen“ – Marktanteil über 30 %
Nachdem bereits Ende Dezember 2013 das Ergebnis des Verfahrens mitgeteilt wurde, hat das Bundeskartellamt kürzlich den entsprechenden Fallbericht veröffentlicht. Darin wird zunächst festgehalten, dass die Bestpreisklauseln der HRS zu einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung führen und damit vom grundsätzlichen Kartellverbot erfasst sind. Diese vertikalen Abreden zwischen den Hotelunternehmen und HRS befinden sich gemäss Bundeskartellamt ferner nicht im „sicheren Hafen“ der Vertikal-GVO. Denn der Marktanteil der HRS habe in den vergangenen Jahren regelmässig über 30 % betragen. Die umstrittene Frage, ob die Bestpreisklausel eine so genannte Kernbeschränkung darstellt und somit auch die zweite Voraussetzung der Vertikal-GVO nicht erfüllt wäre, konnte daher offen gelassen werden.
Zur Ermittlung des Marktanteils musste das Bundeskartellamt zunächst auch den relevanten Markt definieren. Gemäss dem Fallbericht handelt es sich dabei um den Markt für die Vermittlungsdienstleistungen von Hotelportalen. Auf diesem Hotelportalmarkt würden Online-Dienstleistungen zur Vermittlung von Hotelzimmern angeboten, die nicht mit dem Offline-Vertrieb – beispielsweise über Reisebüros oder an der Hotelrezeption – austauschbar seien. Neben dem Offline-Vertrieb wurden auch hoteleigene Websites und andere spezialisierte Portale nicht diesem Markt zugeordnet, weil sie anders als Hotelportale den Kunden die Funktionen „Suchen, Vergleichen und Buchen“ nicht in einem komfortablen Dienstleistungspaket anbieten. Auch Online-Reisebüros und Reiseveranstalterportale gehörten nicht zum selben Markt bzw. zur selben Marktstufe, da sie in der Regel keine direkten vertraglichen Bindungen mit den Hotels hätten. Dies gelte auch für Metasuchmaschinen, deren Angebot im Gegensatz zu Hotelportalen nur auf einen Preisvergleich beschränkt sei.
Obwohl die betroffenen Hotelportale weltweit abrufbar sind, ging das Bundeskartellamt ferner von einem bloss nationalen bzw. deutschlandweiten Markt aus. Begründet wird dies damit, dass die Hotelportale unterschiedlich stark ausgeprägte wirtschaftliche Schwerpunkte und eine unterschiedliche Gebietspräsenz aufweisen würden sowie inhaltlich und im Hinblick auf ihre Werbung auf nationale Märkte ausgerichtet seien.
Beschränkung des Wettbewerbs sowohl zwischen Hotelportalen als auch zwischen Hotelunternehmen
Die Untersuchung des Bundeskartellamts ergab sodann, dass die Bestpreisklauseln der HRS zunächst den Wettbewerb zwischen den Hotelportalen beschränken. Durch die Klauseln werde den Hotelportalen der wirtschaftliche Anreiz genommen, den HRS-Hotelpartnern niedrigere Vermittlungsprovisionen anzubieten, um im Gegenzug Zimmer zu entsprechend günstigeren Preisen oder Konditionen zur Verfügung gestellt zu bekommen. HRS könne ihrerseits ihre Provision erhöhen, ohne befürchten zu müssen, dass ihre Hotelpartner die Provisionserhöhung durch Hotelzimmerpreise an Endkunden weitergeben, welche höher sind als die Preise auf Konkurrenzportalen. Ferner werde auch der Markzutritt neuer Konkurrenten erschwert, die sich z.B. durch niedrigere Provisionen auf dem Markt etablieren wollen.
Darüber hinaus führen die Bestpreisklauseln nach Ansicht des Bundeskartellamts auch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen Hotelunternehmen um den besten Preis und um das jeweils beste Zimmerangebot. Die Hotelunternehmen könnten weder Preisvorteile in Form niedrigerer Provisionen an die Endkunden weitergeben noch flexibel auf bestimmte Wettbewerbssituationen reagieren, ohne dass zugleich ihre Gesamtstrategie betroffen sei. Spezielle – im Vergleich zum HRS-Portal preismässig niedrigere – Angebote auf anderen Portalen seien nicht möglich. Ferner betreffe die Bestpreisklausel der HRS alle Vertriebskanäle und damit die gesamte Vertriebsstrategie der Hotels.
Diese Wettbewerbsbeschränkungen werden gemäss Bundeskartellamt zudem dadurch verstärkt, dass auch die anderen beiden grossen in Deutschland tätigen Portalunternehmen, Booking und Expedia, gegen welche ebenfalls ein Verfahren eingeleitet wurde, entsprechende Bestpreisklauseln vorsehen. Die drei Unternehmen würden auf dem deutschen Hotelportalmarkt einen gemeinsamen Marktanteil von etwa 90 % erreichen, weshalb letztlich die übergrosse Mehrheit der deutschen Hotels durch eine Bestpreisklausel gebunden sei.
Keine „Einzelfreistellung“ für die HRS-Bestpreisklausel
Zu prüfen war daher, ob die Voraussetzungen für die so genannte Einzelfreistellung erfüllt sind. Hierzu wäre – vereinfacht ausgedrückt – erforderlich, dass die Bestpreisklausel positive Auswirkungen auf den Wettbewerb zeitigt, welche die negativen Auswirkungen überwiegen. Das Bundeskartellamt gelangt in der Untersuchung zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Eine effizienzsteigernde und im Ergebnis wettbewerbsfördernde Wirkung der Bestpreisklauseln, etwa durch Beseitigung eines Trittbrettfahrerproblems, sei – wenn überhaupt vorhanden – allenfalls sehr gering. Jedenfalls seien die Bestpreisklauseln nicht das mildeste Mittel, um etwaige Effizienzgewinne zu erzielen. Denn es bestünden alternative Geschäftsmodelle, z.B. Servicegebühren der Hotelkunden oder Bezahlung durch die Hotelpartner („cost-per-click“ oder Listungsgebühr) oder differenzierte Provisionsmodelle, welche HRS eine Amortisation ihrer Investitionen ermöglichen würden.
Fazit und Anmerkungen
Vor diesem Hintergrund beurteilte das Bundeskartellamt Bestpreisklauseln von HRS als kartellrechtswidrig. HRS wurde verpflichtet, die Klausel bis März 2014 aus ihren AGB und Verträgen mit Hotels in Deutschland zu entfernen. Im Fallbericht wird ferner betont, dass das „Top Quality“-Siegel der HRS nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Mit diesem Siegel erscheine das teilnehmende Hotel auf dem HRS-Portal, wenn es mit HRS eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat und die Bedingungen für die Gewährung des Siegels, wie u.a. „objektiv günstige Preise“, einhält. Gleichwohl werde das Bundeskartellamt genau beobachten, ob sich die Verwendung des Siegels durch HRS im Ergebnis ähnlich auf den Markt auswirkt wie Bestpreisklauseln.
Die Entscheidung des Bundeskartellamts bezieht sich zwar auf den konkreten Fall von HRS unter den herrschenden Gegebenheiten auf dem Hotelportalmarkt. Allerdings dürfte die Ausgangslage auf anderen Portalmärkten oftmals vergleichbar sein. Daher besteht ein nicht zu vernachlässigendes Risiko, dass auch entsprechende Klauseln von anderen Portalbetreibern als kartellrechtswidrig beurteilt werden. Zumindest bei Portalbetreibern mit mehr als 30 % Marktanteil drängt sich daher eine Überprüfung bzw. Anpassung ihrer Vertragsklauseln auf. Da sich die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) regelmässig an den Vorgaben und der Praxis zum EU-Kartellrecht orientiert, gilt dies grundsätzlich auch für Unternehmen auf dem Schweizer Markt. Diesbezüglich darf man jedenfalls auf das Ergebnis des Verfahrens gegen die Buchungsplattformen gespannt sein.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des BKartA vom 20.12.2013
- Fallbericht des BKartA vom 05.03.2014(B9 – 66/10; HRS)
- Vertikal-GVO
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp