DE BGH: Anwendbarkeit deutschen Rechts auf abrufbare englischsprachige Pressemitteilung


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Gastbeitrag: Marlene Schreiber, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin

Auch für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen englischsprachige Internetveröffentlichungen kann ein deutsches Gericht zuständig und deutsches Wettbewerbsrecht anwendbar sein. Mit Urteil vom 12. Dezember 2013 (Az. I ZR 131/12) hat der BGH entschieden, dass deutsche Gerichte für eine Klage wegen behaupteter Wettbewerbsverletzungen auf einer englischsprachigen Internetseite dann zuständig sein können, wenn den Besuchern der deutschsprachigen Fassung der Internetseite gezielt die Möglichkeit eröffnet wird, zu der englischsprachigen Internetseite zu gelangen und der vermeintliche Verstoß sich vor allem an Nutzer im Inland, d.h. in Deutschland richtet.

Der Entscheidung liegt ein Streit zwischen dem Betreiber einer Internetseite zur Vermittlung von Reisen und Flugtickets und einer Fluggesellschaft u.a. über eine auf der Website der Fluggesellschaft veröffentlichte Pressemitteilung zu Grunde. Die beklagte Fluggesellschaft bietet ihr Internetangebot über ihre zentrale Website (.com) an. Bei Eingabe einer nationalen Internetadresse der Beklagten (z.B.: .de) wird der Nutzer auf die zentrale Internetseite in der entsprechenden Sprachversion weitergeleitet (z.B. .com/de bzw. .com/en). Auf der Website selbst hat der Nutzer zudem mithilfe eines Drop-Down-Menüs die Möglichkeit, eine Auswahl der Darstellung nach Ländern bzw. Sprachen zu treffen.

In der streitgegenständlichen Pressemitteilung, die die Fluggesellschaft in deutscher und englischer Sprache veröffentlicht hatte, bezeichnete die Fluggesellschaft die Klägerin als «rechtswidrige Mittler-Website“, die Flugtickets zu «überhöhten Preisen“, „überteuert“ sowie „mit ungerechtfertigten Aufschlägen“ weiterverkaufe. Dabei war die deutsche Pressemitteilung über die deutschsprachige Version der Internetseite (.com/de) und die englische Pressemitteilung über die englischsprachige Version der Internetseite. (.com/en) abrufbar. Neben dem Verbot der deutschen Version verlangte die Klägerin zudem, der beklagten Fluggesellschaft sei zu untersagen, die beanstandeten Aussagen auch in der englischsprachigen Fassung der Pressemitteilung auf der englischsprachigen Version der zentralen Internetseite bereitzuhalten.

In seiner Entscheidung hat der BGH die Zuständigkeit der deutschen Gerichte auch in Bezug auf die englischsprachige Pressemitteilung auf der englischen Website bejaht. Diese ergebe sich gemäß Art. 5 Nr.3 Brüssel-I-VO daraus, dass das auf der streitgegenständlichen unerlaubten (Wettbewerbs-)Handlung beruhende schädigende Ereignis in Deutschland eingetreten sei. Unter dem «Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist» sei sowohl der Ort des ursächlichen Geschehens (Handlungsort) als auch der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (Erfolgsort) zu verstehen. Zwar habe die Beklagte keine Niederlassung im Inland, sodass sich eine Zuständigkeit nicht aus dem Handlungsort ergeben könne. Die Zuständigkeit ergebe sich jedoch aus dem Erfolgsort der angegriffenen Handlung. Der Erfolgsort sei nach den für Wettbewerbsverletzungen geltenden Grundsätzen im Inland zu ermitteln und liege daher dann in Deutschland, wenn sich der konkrete Internetauftritt bestimmungsgemäß im Inland auswirken solle.

Dies sei im vorliegenden Fall anzunehmen. Anders als von der Vorinstanz angenommen, solle sich die englischsprachige Fassung der auf der zentralen Internetseite der Beklagten veröffentlichten Pressemitteilung nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nämlich bestimmungsgemäß zumindest auch in Deutschland auswirken. Zwar berücksichtigte der BGH, dass der Nutzer bei Abruf der deutschen Internetadresse automatisch auf die deutschsprachige Version der zentralen Internetseite geleitet werde, wo er allein die deutsche Fassung der Pressemitteilung finde. Dieser Umstand spreche zunächst dafür, dass in erster Linie die deutschsprachige Version zum Abruf in Deutschland bestimmt sei. Allerdings sei auch zu berücksichtigen, dass sich auf der deutschsprachigen Version der zentralen Internetseite ein Drop-Down-Menü zur Sprachenauswahl befinde. Damit werde Nutzern in Deutschland, z.B. solchen die sich in der englischen Sprache wohler fühlten, gezielt die Möglichkeit der Auswahl der englischsprachigen Version der Internetseite angeboten. Die Einräumung der Möglichkeit für Nutzer der deutschen Website zu der englischsprachigen Version zu wechseln, zeige, dass die englischsprachige Version einschließlich der englischsprachigen Fassung der Presseerklärung auch zum Abruf durch deutsche Nutzer bestimmt sei.

Für die bestimmungsgemäße Auswirkung in Deutschland spreche zudem der Inhalt auch der englischsprachige Version der Pressemitteilung. Da sich die Pressemitteilung kritisch mit dem deutschen Internetauftritt der Klägerin auseinandersetze, die sich mit ihrem Angebot selbst vorwiegend an deutsche Nutzer richte, sei davon ausgehen, dass sich die angegriffenen Äußerungen in erster Linie an Nutzer in Deutschland wende und auch die englischsprachige Presseerklärung vornehmlich für (wenn auch englischsprachige) Nutzer in Deutschland bestimmt sei.

Im Übrigen befand der BGH, dass im vorliegenden Fall zudem deutsches Recht anzuwenden sei. Nach der Grundregel des Art. 6 Abs. 1 Rom-II-VO sei bei unlauteren Wettbewerbshandlungen das Recht des Staates anzuwenden, in dessen Gebiet die Wettbewerbsbeziehungen beeinträchtigt worden seien. Da die wettbewerblichen Interessen der Parteien als Mitbewerber im Inland aufeinander träfen und die englischsprachige Fassung der Presseerklärung sich, entsprechend der zur Zuständigkeit skizzierten Argumentation, bestimmungsgemäß auch im Inland ausgewirkt habe, sei deutsches Wettbewerbsrecht anzuwenden. Wie bereits das Berufungsgericht gelangte sodann auch der BGH zu dem Ergebnis, dass es sich bei den beanstandeten Äußerungen um abwertende und damit unzulässige Meinungsäußerungen handele.

Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechung, nach der sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Rechtsverletzungen Internet grundsätzlich danach bestimmt, ob sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auf dem inländischen Markt auswirken soll. Ob eine entsprechende Auswirkung vorliegt, muss jeweils im Einzelfall anhand der tatsächlichen Umstände ermittelt werden.

Fazit

Auch wenn das automatische Weiterleiten von Nutzern bei Abruf einer landestypischen Domain auf die jeweilige Sprachversion einer Website grundsätzlich dafür spricht, dass in erster Linie die Inländer des jeweiligen Landes angesprochen werden sollen, reicht dies ausweislich der BGH-Entscheidung nicht aus, um die Auswirkung auch auf Deutschland wirksam auszuschließen. Zwar führt auch allein die Möglichkeit zur Länder- bzw. Sprachenauswahl noch nicht dazu, dass sich jeder Inhalt auf den jeweiligen Länderseiten auch auf ggf. anderssprachige deutsche Nutzer auswirkt. Sobald der Anbieter z.B. deutschen Besuchern einer deutschsprachigen Fassung einer Internetseite aber diese Möglichkeit eröffnet, kann bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Auswirkung auch auf den deutschen Markt anzunehmen sein. Die Entscheidung gilt dabei mitnichten nur für ggf. unzulässige Äußerungen, sondern allgemein für wettbewerbsrechtliche Handlungen. Vorsicht ist also bei Vorhalten Länder- bzw. Sprachenauswahlmöglichkeiten immer dann geboten, wenn die auf den anderen Länderseiten beworbenen Produkte oder Dienstleistungen einen eindeutigen Bezug zu deutschen Mitbewerber aufweisen bzw. sich das Webangebot in sonstiger Weise vor allem an Nutzer in Deutschland richtet.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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