DE-Widerrufsrecht: Änderung der Regelung zu Wertersatz und neue Muster-Widerrufsbelehrung


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Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte

Am 4. August 2011 ist das deutsche Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge in Kraft getreten. Mit dem Gesetz geht erneut eine Änderung des gesetzlichen Musters für die Widerrufsbelehrung einher, nachdem bereits durch eine Reform im Juni 2010 die Musterbelehrung umfangreiche Änderungen erfahren hatte. Diese Widerrufsbelehrung ist für alle Schweizer Online-Händler relevant, die sich mit ihrem Angebot auch an Konsumenten mit Wohnsitz in Deutschland richten.

Hintergrund: Urteil des EuGH aus dem September 2009

Hintergrund der Neuregelungen ist das Urteil des EuGH vom 3.9.2009 (C-489/07 – Messner), welches die deutschen Regelungen zum Wertersatz für teilweise europarechtswidrig erklärte. Nach § 357 Abs. 3 BGB alte Fassung musste der Verbraucher für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache Wertersatz leisten. Der EuGH stellte fest, dass eine generelle Wertersatzpflicht für die Nutzung der im Fernabsatz gekauften Ware für die Zeit bis zum Widerruf des Verbrauchers mit der Fernabsatzrichtlinie nicht vereinbar ist. Durch eine solche Regelung könne der Verbraucher sein Widerrufsrecht nicht effektiv nutzen, da er aus Angst vor negativen Kostenfolgen davon abgehalten werden könnte, von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Wichtige Gesetzesänderungen

Gemäß dem neu eingefügten § 312e BGB hat der Verbraucher nur noch dann Wertersatz zu leisten, soweit er die Ware in einer Art und Weise genutzt hat, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Zudem muss er auf die etwaige Verpflichtung zum Wertersatz hingewiesen sowie korrekt über das Widerrufsrecht belehrt worden sein.

Das bedeutet, dass der Verbraucher die Ware zu Hause so prüfen und ausprobieren darf, wie es auch im Ladengeschäft möglich und üblich ist. Er kann beispielsweise mit einer Digitalkamera einige wenige Bilder zum Testen machen, ohne dass er zum Wertersatz verpflichtet wäre. Dies ändert sich aber dann, wenn er die Kamera mit auf Urlaubsreise nimmt, da dies eine Nutzung darstellt, die über das Prüfen hinausgeht.

Wertersatz für eine Verschlechterung der Sache hat der Verbraucher gemäß dem neuen § 357 Abs. 3 BGB nur zu leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Auch in diesem Falle muss spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden sein. Die Beweislast dafür, ob eine Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über deren Prüfung hinausgeht, trägt von nun an der Unternehmer.

Bei den Änderungen handelt es sich zwar eher um eine Klarstellung, d.h. um eine sprachliche Anpassung des Wortlauts an die Formulierungen des EuGH, als um eine tatsächliche Rechtsänderung. Dennoch bedingen die Neuformulierungen der gesetzlichen Vorschriften eine Anpassung der Widerrufsbelehrung. Der Gesetzgeber hat daher auch das Muster einer Widerrufsbelehrung angepasst und im Zuge dessen gleich noch kleinere redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Und noch eines hat sich geändert: Die besonderen Regeln über den E-Commerce finden sich nun nicht mehr in § 312e BGB sondern in § 312g BGB.

Übergangszeitraum

Zwar gilt gemäß Art. 229 § 27 EGBGB eine Übergangsfrist von drei Monaten, d.h. bis zum 4.11.2011 dürfen die (alten) seit dem 11.6.2010 gültigen Musterwiderrufsbelehrungen noch verwendet werden, ohne dass der Händler hierfür abgemahnt werden kann. Allerdings hat der Händler bei Verwendung der alten Muster keinen Anspruch auf Nutzungswertersatz gemäß § 312e BGB, da der Verbraucher über diese Rechtsfolge informiert werden muss und dies nur bei Verwendung der neuen Musterbelehrung geschieht.

Fazit und Empfehlung

Daher ist Online-Händlern dringend zu raten, ab sofort das neue Muster für die Widerrufsbelehrung zu verwenden, um sich einen etwaigen Anspruch auf Nutzungswertersatz zu erhalten. Spätestens aber nach Ablauf des Übergangszeitraums müssen alle Texte im Online-Shop überarbeitet sein, da der Unternehmer ansonsten Gefahr läuft, abgemahnt zu werden.

Kommentar von Lukas Bühlmann: Entscheidung relevant für Schweizer Online-Shops

Der besprochene Entscheid betrifft nicht nur deutsche Unternehmen, sondern ist wohl auch für Schweizer Shoppingportals von Relevanz, die Kunden in Deutschland beliefern. Diese sind verpflichtet, ihren deutschen Kunden ein Widerrufsrecht nach deutschem Verbraucherrecht zu gewähren. Dies beinhaltet auch die korrekte Information und Belehrung über die Modalitäten der Ausübung dieses Rechts. Der Beizug eines spezialisierten Anwalts zur korrekten Umsetzung des Widerrufrechtes ist empfehlenswert, sobald sich der Shop gezielt an deutsche Verbraucher-Kunden richtet.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte


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