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Laut einem aktuellen Urteil des Kammergerichts Berlin muss WhatsApp in Deutschland seine AGB künftig in deutscher Sprache zur Verfügung stellen. Die englischen AGB sind dem Gericht zufolge vollumfänglich unwirksam. Da in Deutschland kommerzielles Englisch nicht verbreitet sei, müssten sämtliche Klauseln der WhatsApp-AGB, ungeachtet ihres eigentlichen Inhalts, als intransparent und für alle Verbraucher ohne spezifische Englischkenntnisse als „treuwidrig benachteiligend“ angesehen werden. In dem Urteil mit Signalwirkung für andere internationale Unternehmen wird die Klage eines Verbraucherverbands daher gutgeheissen.
AGB auf whatsapp.com nur auf Englisch – Abmahnung und Klage von Verbraucherverband
Am Ausganspunkt des Verfahrens stand eine Abmahnung und in der Folge eine Klage des Bundesverbandes der deutschen Verbraucherzentralen (vzbv) gegen WhatsApp. Beanstandet wurde dabei unter anderem, dass auf www.whatsapp.com nur eine englische, aber keine deutschsprachige Fassung der AGB vorhanden war.
In erster Instanz wurde die Klage in diesem Punkt letzten Endes aus formellen Gründen abgewiesen. Der Verband legte daraufhin Berufung beim Kammergericht Berlin ein.
Ausrichtung auf Deutschland: deutsche Gerichte zuständig und deutsches Recht anwendbar
Da die eingeklagte WhatsApp Inc. ihren Sitz in Kalifornien hat, stellte sich zunächst die Frage, ob die deutschen Gerichte überhaupt zuständig sind und welches Recht auf den Fall anzuwenden ist. Das Urteil (Az. 15 U 156/14) enthält hierzu lediglich einige wenige Sätze, ist im Ergebnis aber wohl richtig.
Für die Zuständigkeit der deutschen Gerichte genüge es, dass sich die beanstandete Werbung nach der Behauptung des Klägers an inländische Verkehrskreise richte. Inhaltlich müsse die Klage sodann nach dem Marktortrecht beurteilt werden. Massgeblich sei der Ort der wettbewerblichen Interessenkollision. Bei einer Werbemassnahme sei insofern entscheidend, auf welchen Markt die Massnahme ausgerichtet sei.
Mit anderen Worten war das Kriterium der Ausrichtung, wie es der Europäische Gerichtshof bei Verbraucherverträgen im Online-Kontext massgeblich weiterentwickelt hat (vgl. dazu BR-News vom 15.12.2010), ausschlaggebend. Im vorliegenden Fall lag gemäss Kammergericht (auch) eine Ausrichtung auf den deutschen Markt vor, denn darauf sei der Internetauftritt von whatsapp.com schon sprachlich, aber auch inhaltlich fraglos ausgerichtet.
WhatsApp muss deutschsprachige AGB vorhalten
In Bezug auf die Sprache der WhatsApp-AGB stützte sich das Kammergericht auf die strengen deutschen Regeln für die AGB-Inhaltskontrolle. Danach sind AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich insbesondere daraus ergeben, dass eine AGB-Klausel nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 BGB).
Diese Voraussetzungen waren nach Ansicht des Kammergerichts vorliegend erfüllt. So wie sich der Internetauftritt von WhatsApp darstelle, ziele dieser auf die breite Allgemeinheit der im Inland ansässigen Verbraucher ab und spreche diese durchweg in deutscher Sprache an. So werde beispielsweise der sog. Verifizierungsprozess anhand einer deutschen Beispieltelefonnummer („+49…“) erklärt. Der Link zu den beanstandeten AGB werde ebenfalls in deutscher Sprache bezeichnet, nämlich „Datenschutz und AGB“.
Vor diesem Hintergrund müsse und könne ein Verbraucher (ohne Klick auf den Link) nicht damit rechnen, hier fremdsprachigen AGB ausgesetzt zu sein, welche darüber hinaus auch ein umfangreiches, komplexes Regelwerk mit sehr vielen Klauseln seien. Auch wenn Alltagsenglisch verbreitet sein möge, gelte dies nicht für juristisches, vertragssprachliches und überhaupt kommerzielles Englisch, wie in den AGB von WhatsApp.
Ausgehend davon sind laut Kammergericht sämtliche Klauseln der WhatsApp-AGB unwirksam, solange sie nicht ins Deutsche übersetzt werden, da sie von vornherein und ungeachtet ihres eigentlichen Inhalts als intransparent und alle Verbraucher ohne spezifische Englischkenntnisse treuwidrig benachteiligend beurteilt werden müssen.
E-Mail-Adressen und Social Media-Verlinkungen genügen nicht für ausreichende Kontaktmöglichkeit
Zudem hatte das Kammergericht darüber zu entscheiden, ob WhatsApp auf seiner Website ausreichende Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Ausgehend von den Vorgaben des EU-Rechts verlangt das deutsche Telemediengesetz Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit dem Diensteanbieter ermöglichen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG). Danach ist der Anbieter verpflichtet, neben der E-Mail-Adresse „einen weiteren, schnellen, unmittelbaren und effizienten Kommunikationsweg“ zur Verfügung zu stellen.
In Bezug auf das Merkmal der „Unmittelbarkeit“ weist das Kammergericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hin, wonach kein Dritter zwischen den Beteiligten eingeschaltet sein darf. Ob deshalb eine Verlinkung mit „Twitter“ und mit „Facebook“ allgemein unzureichend ist, weil hier die Plattformbetreiber als dritte Unternehmen eingeschaltet sind, wurde offengelassen. Denn WhatsApp „folge“ den Verbrauchern auf Twitter nicht und das Facebook-Profil habe WhatsApp unbestrittenermassen so eingerichtet, dass eine Zusendung von Nachrichten ausgeschlossen sei. Aus diesen Gründen genügten gemäss Kammergericht die Angabe von zwei E-Mail-Adressen und die Social-Media-Verlinkungen den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Fazit
Das Urteil des Kammergerichts macht einmal mehr deutlich, dass sich internationale Unternehmen in Deutschland in einem schwierigen rechtlichen Umfeld bewegen. Selbst Anbieter ohne festen Sitz oder Niederlassung in Deutschland sind vor der Anwendung des oftmals strengen und verbraucherfreundlichen deutschen Rechts nicht geschützt.
Das Urteil hat insbesondere hinsichtlich der Verwendung von deutschsprachigen AGB Signalwirkung für andere Unternehmen, die ihr Angebot auch an deutsche Verbraucher richten. Dass eine solche Ausrichtung relativ rasch angenommen wird, hat das vorliegende Urteil ebenfalls erneut veranschaulicht. Dies gilt zwar ebenfalls für eine Ausrichtung auf Schweizer Konsumenten, jedoch erscheint ein vergleichbares Urteil durch ein Schweizer Gericht aufgrund der geltenden Rechtslage unwahrscheinlich.
Weitere Informationen:
- Urteil des Kammergerichts Berlin vom 8.4.2016 (Az. 5 U 156/14)
- BR-News: „EuGH: Abrufbarkeit einer Website bedeutet noch kein Ausrichten“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann