Die Abmahnung im Werkvertrag – Fluch oder Segen?


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Unter einer Abmahnung wird die Erklärung des Unternehmers verstanden, das Werk nicht gemäss den Weisungen des Bestellers erstellen zu wollen, da ansonsten – nach der Meinung des Unternehmers – kein mängelfreies Werk geschaffen werden kann.

Eine Abmahnung dient somit grundsätzlich immer der Verbesserung der Werkqualität, weshalb Abmahnungen vom Besteller auch geschätzt und entsprechend befolgt werden sollten. Die Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild: Abmahnungen werden von Unternehmern selten ausgesprochen aus Angst, den Auftrag zu verlieren oder einen allfälligen Folgeauftrag nicht mehr zu erhalten. Zudem hat sich bei vielen Unternehmern die Vorstellung eingeschlichen, eine Abmahnung sei für ihre Haftung für Werkmängel letztlich nicht entscheidend. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend.

Eine Abmahnung hat für den Unternehmer zur Folge, dass er von seiner Haftung für Baumängel gemäss Art. 369 OR bzw. Art. 25 SIA-Norm 118 befreit wird, sofern der Besteller trotz der Abmahnung des Unternehmers darauf besteht, dass der Unternehmer das Werk gemäss seinen Weisungen ausführt. Durch dieses Festhalten an seiner Weisung verursacht der Besteller den Mangel am Bauwerk selbst und befreit den Unternehmer gleichzeitig von seiner Haftung. Daran kann auch eine einseitige Erklärung des Bestellers, dass er nicht gewillt sei, den Unternehmer von einem allfälligen sich aus der Weisung ergebenden Werkmangel zu entlasten, nichts ändern.

Damit eine Erklärung des Unternehmers den Anforderungen einer Abmahnung entspricht, hat diese die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen:

  1. Die Erklärung muss dem Besteller unmissverständlich (d.h. ausdrücklich und eindeutig) aufzeigen, dass die von ihm erteilte Weisung (oder der vom Besteller gelieferte Werkstoff oder Baugrund, Art. 365 Abs. 3 OR) fehlerhaft ist und bei Befolgung der Weisung (bzw. der Benutzung des Werkstoffes oder Baugrundes) ein Werkmangel droht.
  2. In der Erklärung sind die Gründe des Unternehmers darzulegen, die ihn dazu bewegen, eine solche Erklärung abzugeben. Dies damit sich der Besteller selbst ein Bild über die Sachlage machen kann. Keine Abmahnungen sind damit blosse Belehrungen des Unternehmers, wie beim nächsten Mal vorzugehen wäre oder die schlichte Aussage die Weisung entspreche nicht «der üblichen Baupraxis» oder die Weisung sei aus anderen Gründen «nicht in Ordnung».
  3. Die Erklärung hat sich persönlich an den Vertragspartner des Unternehmers (also den vertraglich gebundenen Besteller) zu richten, von dem auch die Weisung stammt. Nicht ausreichend ist es, wenn der Unternehmer die Erklärung an einen untergeordneten Mitarbeiter des Bestellers richtet, da der Besteller die Wichtigkeit der Erklärung sonst unter Umständen nicht erkennt.
  4. Die Erklärung hat vom Unternehmer persönlich oder von einem Vertreter auszugehen. Nicht ausreichend wäre beispielsweise, wenn ein Vorarbeiter (oder eine andere Hilfsperson) des Unternehmers eine solche Erklärung abgibt.
  5. Die Erklärung muss nicht schriftlich erklärt werden. Selbst wenn die Parteien im Werkvertrag für ihren Vertrag und damit zusammenhängende Abreden Schriftlichkeit vereinbart haben, kann die Erklärung auch mündlich gültig ausgesprochen werden. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich allerdings, Abmahnungen immer schriftlich auszusprechen, und zwar in einer Weise, die den späteren Nachweis der Zustellung beim Besteller ermöglicht. Eine mündlich ausgesprochene Abmahnung sollte zumindest protokolliert und (wenn möglich) von beiden Parteien unterzeichnet werden.
  6. Die Erklärung ist (als Ausfluss der vertraglichen Sorgfaltspflicht des Unternehmers) sofort auszusprechen, sobald der Unternehmer eine fehlerbehaftete Weisung des Bestellers erkennt. Unter Umständen kommt dem Unternehmer sogar bereits eine vorvertragliche Aufklärungspflicht zu, sofern er bereits vor Abschluss des Werkvertrages feststellt, dass eine Weisung fehlerhaft ist oder der Baugrund (oder der vom Besteller vorgegebenen Werkstoff) mangelhaft ist. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass ein Unternehmer eine solche vorvertragliche Erklärung in der Regel mit Vorsicht ausspricht, aus Angst den Auftrag nicht zu erhalten.
  7. Nach der Abgabe der Erklärung hat der Unternehmer mit der Befolgung der Weisung des Bestellers so lange zuzuwarten, bis er nach den Umständen in guten Treuen annehmen darf, der abgemahnte Besteller halte trotz der Abmahnung an seiner Weisung fest. In der Praxis empfiehlt es sich zu Beweiszwecken, eine ausdrückliche Stellungnahme des Bestellers und im besten Fall gar eine Bestätigung des Bestellers, dass er an der Erfüllung der Weisung festhalte, einzuholen.
  8. Merke: Der Unternehmer ist auch dann zur Abmahnung verpflichtet, wenn der Besteller selbst über hinreichende Spezialkenntnisse verfügt bzw. selbst sachverständig beraten ist (man denke an den Generalunternehmer, der mehrere Subunternehmer beauftragt, jedoch in seinem Team selbst ausgebildete Fachleute beschäftigt). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Unternehmer die Fehlerhaftigkeit der sachverständig erteilten Weisung (bzw. die Mangelhaftigkeit des Werkstoffes oder Baugrundes) weder erkennen konnte noch hätte erkennen müssen und der Mangel einzig aufgrund der Befolgung der Weisung entstanden ist. Die Fehlerhaftigkeit einer Weisung muss vom Unternehmer in zwei Fällen erkannt werden: (1) Wenn die Weisung offensichtlich fehlerhaft ist, oder (2) Wenn der Unternehmer zur Nachprüfung der Weisung verpflichtet ist (dies kommt jedoch nur in Ausnahmefällen zum Zug, etwa wenn der Unternehmer eine Nachprüfung explizit zugesichert hat oder diese in guten Treuen erwartet werden durfte).

Eine Abmahnung des Unternehmers muss zusammenfassend somit folgende Elemente aufweisen:

  • Unmissverständlichkeit der Erklärung;
  • Begründung der Fehlerhaftigkeit der Weisung;
  • Erklärung direkt vom Unternehmer (oder dessen Vertreter);
  • Erklärung direkt an den Besteller (oder dessen Vertreter);
  • Erklärung sofort aussprechen.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass Abmahnungen in der Praxis wichtige und überaus nützliche Instrumente des Unternehmers sind, sich vor der Durchsetzung von fehlerbehafteten Weisungen des Bestellers zu schützen. Abmahnungen sind aber auch deshalb wichtig, weil sie zweifellos der Verbesserung der Werkqualität dienen. Der Besteller sollte Abmahnungen des Unternehmers daher nicht mit Missfallen begegnen, sondern sollte diese als Zeichen der Professionalität und Fachkenntnis des Unternehmers werten. Es ist wünschenswert, dass Abmahnungen in der Praxis vermehrt ausgesprochen und (natürlich) auch befolgt werden.


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