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Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens des Stockwerkeigentums ersuchte Ständerat Andrea Caroni in seinem Postulat vom 25. September 2014 den Bundesrat darum, zu prüfen, ob Anpassungen der Bestimmungen zum Stockwerkeigentum (Art. 712a ff. ZGB) notwendig sind (Postulat Caroni 14.3832). Der Bundesrat sprach sich zunächst für die Ablehnung dieses Postulats aus. Nach einem Rechtsgutachten von Prof. Bettina Hürlimann-Kaup und Prof. Jörg Schmid vom 20. August 2018 liess sich die Regierung jedoch davon überzeugen, dass in bestimmten Bereichen des Stockwerkeigentums dringender Reformbedarf besteht, weshalb sie sich für eine politische Diskussion zu diesem Thema bereit erklärte. Entsprechend wurde am 22. März 2019 eine Motion eingereicht, die den Bundesrat beauftragt, die nötigen Anpassungen vorzuschlagen (Motion 19.3410).
Die Hauptstossrichtungen dieser Revision sind:
- Einführung einer Regelung für die Begründung des Stockwerkeigentums vor Fertigstellung des Gebäudes, die zwar in der Praxis üblich ist, aber keine entsprechende Regelung im Zivilgesetzbuch enthält;
- Klare Regelung der besonderen Nutzungsrechte an gemeinschaftlichen Teilen, die im Zivilgesetzbuch derzeit nur summarisch in den Artikeln 712g Abs. 4 und 647 Abs. 1bis geregelt sind.
- Anpassungen der Bestimmungen zum Stockwerkeigentum im Zusammenhang mit der Errichtung des Stockwerkeigentums auf einem Baurecht.
In Bezug auf den dritten Punkt sind die Reforminitiatoren der Ansicht, dass das Einstimmigkeitserfordernis für die Verlängerung eines Baurechts nicht zweckdienlich wäre. Vielmehr seien etwa eine Mehrheitsentscheidung, die Möglichkeit der Ablösung des Miteigentumsanteils desjenigen, der sich dagegen ausspricht, oder die Festlegung einer Mindestlaufzeit für das Baurecht vorzuziehende Lösungen.
Darüber hinaus halten sie eine klarere Regelung der Rechtsfähigkeit der Stockwerkeigentümergemeinschaft für notwendig. Insbesondere die begrenzte Vermögens- und Handlungsfähigkeit derselben wirft im Falle von Baumängeln, welche die gemeinschaftlichen Teile der neu errichteten Stockwerkeigentümergemeinschaft betreffen, Fragen auf.
Zudem sind die Initiatoren der Meinung, dass sich die gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Beitragsforderungen, d.h. die Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts auf einem Miteigentumsanteil (Art. 712i ZGB) einerseits und des Retentionsrechts (Art. 712k ZGB) andererseits, in der Praxis nicht bewährt haben und angepasst werden sollten. Da schliesslich die Möglichkeiten, einen Miteigentümer aus der Gemeinschaft auszuschliessen, durch die Rechtsprechung stark eingeschränkt wurden, sollten die Regeln in diesem Bereich überarbeitet werden.
Die Motion, die den Bundesrat beauftragt, die Bestimmungen betreffend Stockwerkeigentum zu revidieren und insbesondere die vorstehend beschriebenen Punkte zu analysieren, wurde bereits am 4. Juni 2019 vom Ständerat und am 12. Dezember 2019 vom Nationalrat verabschiedet. Weitere Schritte im Gesetzgebungsverfahren werden mit Spannung erwartet.
Dieser News-Beitrag wurde von Fiona Scherrer und Jacques Johner verfasst.