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Am 13. März 2020 hat der Bundesrat auf der Grundlage des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, EpG) eine Notverordnung zur Festlegung von Massnahmen zur Bekämpfung und Verhinderung von COVID-19 verabschiedet. Die Verordnung wurde seither bereits in diversen Punkten ergänzt und wird sicherlich entsprechend der weiteren Entwicklung laufend angepasst werden. Im Folgenden beantworten wir fünf praktische Fragen im Zusammenhang mit dieser Verordnung.
Beachten Sie, dass per 19. Juni 2020 die COVID-19 Verordnung 2 ersetzt wurde. Den aktuellen Beitrag finden Sie hier.
1. Grenzkontrollen: Wie verhält es sich, wenn ein Arbeitnehmer wegen der Kontrollen nicht in der Lage ist, seinen gewöhnlichen Arbeitsplatz zu erreichen?
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat als Grundregel kommuniziert, dass sämtliche Arbeitgeberinnen ihren Arbeitnehmern ermöglichen sollen, soweit möglich, von zu Hause zu arbeiten (Home Office).
Falls einige Arbeitnehmer nicht im Home Office arbeiten können, haben diese (ausser es handelt sich um besonders gefährdete Personen, siehe untenstehend Punkt 5) ihre Arbeit am gewöhnlichen Arbeitsplatz zu verrichten.
Den Grenzgängern ist es ausdrücklich erlaubt aufgrund der Arbeitstätigkeit (aber einzig aus diesem Grund) in die Schweiz zu reisen. Daher können Arbeitnehmer nicht angeben, aufgrund der wieder eingeführten Grenzkontrollen nicht zur Arbeit zu erscheinen. Falls dies jedoch der Fall ist, ist dies unserer Ansicht nach eine Verhinderung, für die der Arbeitnehmer und nicht die Arbeitgeberin verantwortlich ist. In diesem Fall wäre der Lohn also nicht geschuldet. Wenn der Arbeitnehmer sicherstellen möchte, dass er zur Arbeit kommen kann, steht es ihm frei, für eine vorübergehende Unterkunftslösung in der Schweiz zu sorgen.
Dabei ist zu beachten, dass es der Arbeitgeberin obliegt, jedem Arbeitnehmer, der dies beantragt, eine Bescheinigung auszustellen, die ihm ermöglicht, seine Beschäftigung in der Schweiz nachzuweisen (Arbeitserlaubnis), da ihr andernfalls die Abwesenheit des Arbeitnehmers zugerechnet werden könnte, wenn dieser deswegen nicht zu seinem Arbeitsplatz gelangen kann.
Würden die Behörden hingegen eine flächendeckende bzw. schweizweite Ausgangssperre verhängen (Verbot, die Wohnung zu verlassen, auch um zur Arbeit zu gelangen), würden unseres Erachtens die vertraglichen Verpflichtungen beider Parteien dahinfallen: Der Arbeitnehmer wäre nicht mehr verpflichtet, seine Dienste anzubieten, und die Arbeitgeberin wäre nicht mehr verpflichtet, den Lohn zu zahlen.
2. Schliessung von Schulen: Muss die Arbeitgeberin weiterhin die Löhne von Arbeitnehmern bezahlen, die zu Hause bleiben müssen, um sich um ihr(e) Kind(er) zu kümmern?
Sofern der Arbeitnehmer von zu Hause arbeitet, ist die Arbeitgeberin verpflichtet, ihrem Arbeitnehmer den Lohn zu zahlen und gleichzeitig ein gewisses Verständnis für die Situation zu zeigen, wenn Eltern aufgrund der Kinderbetreuung nicht immer mit der gleichen Effizienz arbeiten können. Die Eltern sind hingegen verpflichtet, sich zu organisieren und Lösungen zu finden, die es ihnen ermöglichen, weiter zu arbeiten, gegebenenfalls mit entsprechenden Anpassungen.
Wenn Home Office keine Option ist und die Eltern die Kinder nicht alleine lassen können, sind wir der Ansicht, dass keine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Lohnzahlung besteht.
Der Bundesrat scheint diese Einschätzung zu teilen, da er beschlossen hat, für Arbeitnehmer, die zu Hause bleiben müssen, um sich um ihre Kinder unter zwölf Jahren (oder ältere Kinder mit Behinderung, die eine spezielle Betreuung benötigen) zu kümmern, da die Schulen und andere Kindertagesstätte geschlossen sind, in sinngemässer Anwendung des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) eine Entschädigung einzuführen, die in Form von Taggeldern in Höhe von 80 % des Gehalts, aber höchstens 196 CHF pro Tag, gezahlt wird.
Das Taggeld muss vom Arbeitnehmer beantragt werden. Sofern die Arbeitgeberin jedoch weiterhin den vollen Lohn bezahlt, ist sie berechtigt das Taggeld im Namen des entsprechenden Arbeitnehmers zu verlangen. Die Eltern können nur ein Taggeld pro Tag geltend machen, auch wenn beide Elternteile ihrer Arbeit nicht nachkommen können. Ferner wird dieses Taggeld während der Schulferien nicht ausbezahlt, ausser wenn die Kinder während dieser Zeit von besonders gefährdeten Personen (bspw. Grosseltern) betreut werden sollten oder die Tagesstätte die Betreuung auch während der Ferien anbietet.
Schliesslich ist zu beachten, dass Selbstständigerwerbende in der gleichen Situation ebenfalls in den Genuss einer Verdienstausfallentschädigung kommen, vorausgesetzt sie sind AHV-versichert. Ihr Anspruch auf Entschädigung ist indessen auf 30 Tage begrenzt.
3. Betriebsschliessung und Einschränkungen für Dienstleister: Muss die Arbeitgeberin die Löhne der Arbeitnehmer bezahlen, auch wenn ihr Betrieb bis auf Weiteres geschlossen bleiben muss?
Auch wenn diese Position in der Lehre umstritten ist, sind wir der Ansicht, dass solange keine flächendeckende Ausgangssperre besteht, die Arbeitgeberin auch in dieser Situation weiterhin verpflichtet ist die Löhne zu bezahlen, da sie gemäss gesetzlicher Bestimmung das Geschäftsrisiko zu tragen hat.
Bietet die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern dagegen die Möglichkeit an, aus der Ferne zu arbeiten (Home Office), so hat der Arbeitnehmer, der sich weigert, dies zu tun, keinen Anspruch auf die Lohnzahlung und muss damit rechnen, dass ihm aufgrund dessen das Arbeitsverhältnis gekündigt wird.
Um die Kosten zu reduzieren, sollten Arbeitgeberinnen die Möglichkeit zur Beantragung von Kurzarbeit (Kurzarbeitsentschädigung) in Betracht ziehen (siehe dazu hier). Des Weiteren gibt es verschiedene Versicherungen, die Schäden im Zusammenhang mit Zwangsschliessungen bzw. mit Epidemien abdecken. Es handelt sich jedoch um freiwillige Privatversicherungen (z.B. Betriebsunterbrechungsversicherung, Epidemieversicherung), so dass jedes Unternehmen individuell prüfen muss, ob im konkreten Fall ein Versicherungsschutz besteht.
4. Einschränkungen, die sich auf die Dienstleister auswirken: Was sind die Rechte von Selbstständigerwerbenden?
Selbstständigerwerbende (gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsgesetzes) haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Um die Ungerechtigkeit zu korrigieren, welche dies für diesen Wirtschaftssektor darstellt – der ebenfalls stark durch die Einschränkungen der öffentlichen Hand betroffen ist –, hat der Bundesrat beschlossen, für diese Personen eine COVID-19 spezifische Entschädigungsregelung auf der Grundlage des Erwerbsersatzgesetzes (EOG) zu schaffen, welche 80% des Lohns abdeckt (bis maximal CHF 196 pro Arbeitstag) und nur bewilligt wird, sofern der Verdienstausfall nicht bereits auf andere Weise (insbesondere durch private Versicherungen) kompensiert wird.
Um einen Anspruch auf eine solche Entschädigung zu haben, muss die selbstständig erwerbstätige Person nachweisen, dass sich ihr Verdienstausfall aus den in Art. 6 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (Verbot von öffentlichen und privaten Veranstaltungen, Schliessung von öffentlichen Einrichtungen und von Unternehmen, die persönliche Dienstleistungen mit Körperkontakt anbieten) aufgeführten Beschränkungen ergibt.
Der Bundesrat hat am 16. April 2020 diesen Anspruch auch auf Selbstständigerwerbende ausgeweitet, deren Geschäft zwar nicht geschlossen wurde, welche aber aufgrund der Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus Einkommenseinbussen erlitten haben, unter der Voraussetzung, dass das Jahreseinkommen zwischen CHF 10’000 und CHF 90’000 beträgt.
Das Gesuch muss bei der AHV-Ausgleichskasse eingereicht werden. Die Entschädigung wird am Monatsende ausbezahlt und ist sozialversicherungspflichtig (AHV/IV/EO).
5. Besonders gefährdete Personen: Welche Pflichten hat die Arbeitgeberin?
Im Rahmen der Änderung der Verordnung 2 COVID-19 am 16. März 2020 hat der Bundesrat neue Bestimmungen (Art. 10b und 10c) aufgenommen, die gefährdeten Personen (Personen ab 65 Jahren und Personen mit schweren Krankheiten) einen besonderen Schutz bieten sollen. Da der Inhalt dieser Bestimmungen zu diversen Diskussionen geführt hat, wurden sie seither mehrmals geändert.
In der aktuellen Version der COVID-19 Verordnung 2 (Stand: 16. April 2020) wurden die Pflichten der Arbeitgeberin gegenüber besonders gefährdeten Personen spezifiziert (Art. 10c).
Als Faustregel gilt, dass es Arbeitnehmern, die als besonders gefährdet gelten, ermöglicht werden muss zu Hause zu bleiben. Konkret bedeutet das:
Die Arbeitgeberin hat die Pflicht, gefährdeten Personen die Möglichkeit einzuräumen, von zu Hause aus arbeiten zu können (Home Office) und die diesbezüglich erforderlichen organisatorischen und technischen Massnahmen zu treffen (Abs.1).
Wenn keine Home Office Möglichkeit vorhanden ist (wegen der Art der Arbeit oder des Fehlens durchführbarer Massnahmen), so sieht Art. 10c Abs. 2 der Verordnung nun ausdrücklich vor, dass die Arbeitgeberin eine gleichwertige Ersatzarbeit zuteilen kann, die von zu Hause erledigt werden kann. Diese Ersatzarbeit erfolgt unter gleicher Entlöhnung.
Einzig wenn es aus betrieblichen Gründen notwendig ist, kann die Arbeitgeberin verlangen, dass besonders gefährdete Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung vor Ort erledigen. In diesem Fall nennt Abs. 3 des genannten Artikels, dass die Arbeitgeberin den Arbeitsplatz entsprechend ausgestalten muss, damit enger Kontakt mit anderen Personen ausgeschlossen ist (bspw. Bereitstellen eines Einzelbüros, oder eines abgesperrten Bereichs, damit der Abstand von 2 Metern eingehalten werden kann). Wenn enger Kontakt teilweise nicht vermieden werden kann, müssen angemessene Massnahmen, basierend auf dem STOP Prinzip (Substitution, Technische und organisatorische Massnahmen, persönliche Schutzausrüstung), getroffen werden.
Sofern Abs. 1 bis 3 nicht eingehalten werden können, muss die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer eine Ersatzarbeit zuweisen, welche vor Ort unter Einhaltung der obengenannten Bedingungen, erledigt werden kann (Abs. 4).
Bevor Massnahmen jeglicher Art ergriffen werden, muss die Arbeitgeberin den betroffenen Arbeitnehmer anhören (Abs. 5). Es ist ebenfalls möglich vom Arbeitnehmer zu verlangen, die Arbeit teilweise von zu Hause und teilweise vor Ort unter Einhaltung der Voraussetzungen, zu erledigen. Gemäss Abs. 6 kann der Arbeitnehmer die ihm zugewiesene Arbeit verweigern, sofern die Arbeitgeberin die Voraussetzung von Abs. 1-4 nicht erfüllt, oder der Arbeitnehmer die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus, trotz der getroffenen Massnahmen gemäss Abs. 3 und 4 aus besonderen Gründen für sich als zu hoch einschätzt. Die Arbeitgeberin kann in diesem Fall ein ärztliches Attest verlangen.
Wenn weder Home Office, noch die Einhaltung der oben genannten Empfehlungen des Bundes zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durchführbar sind, oder der Arbeitnehmer die Arbeit aufgrund von Abs. 6 verweigert, muss die Arbeitgeberin die gefährdeten Personen von ihrer Arbeitspflicht befreien und weiterhin den vollen Lohn bezahlen. In diesen Fall empfehlen wir die Beantragung von Kurzarbeitsentschädigung, damit 80% der Lohnkosten gedeckt werden können. Alternativ kommt auch der Bezug von Ferien oder der Abbau von Überstunden in Betracht.
Gefährdete Personen sollten der Arbeitgeberin durch eine persönliche Erklärung mitteilen, dass sie einem hohen Risiko ausgesetzt sind (die Arbeitgeberin kann ein ärztliches Attest verlangen). Wenn die Arbeitgeberin jedoch über bereits bestehende Gesundheitsprobleme Kenntnis hat, empfehlen wir dringend ein proaktives Vorgehen (d.h. die Kontaktaufnahme mit solchen Arbeitnehmern).
Falls einem dieser Arbeitnehmer gekündigt werden soll, empfehlen wir eine besonders vorsichtige Vorgehensweise. Der Bundesrat hat sich in der Verordnung diesbezüglich nicht ausdrücklich geäussert, jedoch ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Kündigung eines besonders gefährdeten Arbeitnehmers als missbräuchlich qualifiziert werden könnte, falls diese aufgrund persönlicher Eigenschaften des Arbeitnehmers ausgesprochen wurde oder die Gegenseite Ansprüche aufgrund des Vertrauens in das Arbeitsverhältnis erhebt. Es ist ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Arbeitgeberin besondere Rücksicht bei der Kündigung von älteren Arbeitnehmern nehmen muss.