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Die Verwendung von Green Claims in der Werbung


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In der heutigen Zeit gewinnt das Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit im Bereich der Werbung zunehmend an rechtlicher Bedeutung. Verbraucherinnen und Verbraucher suchen verstärkt nach Produkten und Dienstleistungen, die umweltfreundlich und nachhaltig hergestellt sind. Unternehmen und Werbende bedienen dieses Bedürfnis daher immer häufiger mit sogenannten Green Claims wie beispielsweise «umweltschonend», «CO2-neutral» oder «klimaneutral», um die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte oder ihr Unternehmen als solches hervorzuheben, was unter lauterkeitsrechtlicher Betrachtung oft problematisch ist.

Aktuelle Beispiele stellen Werbeaussagen mit «klimaneutralem» Heizöl und «klimapositiver» Babynahrung dar, die nicht nur bei Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern immer wieder auch bei der Stiftung für Konsumentenschutz und der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK) Interesse wecken. Über die beiden aktuelle Fälle wurde intensiv in den Medien berichtet (siehe Artikel in der NZZ vom 31.10.2023, Klimaneutrales Heizöl und klimapositiver Babybrei? Die Lauterkeitskommission rügt zwei Firmen wegen falscher Werbeversprechen). 

Es stellt sich dabei die Frage, wie Werbeaussagen unter Verwendung solcher Green Claims aus der Perspektive des Lauterkeitsrechts zu beurteilen sind.

1. Green Claims

Als Green Claims gelten Informationen, mit denen bei den Adressaten der Eindruck erweckt wird, dass ein bestimmtes Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen umweltorientiert und somit im Vergleich zu anderen für Mensch und Umwelt weniger schädlich oder insgesamt umweltverträglicher ist. Für die Bewertung solcher Aussagen ist von entscheidender Bedeutung, wie die Durchschnittsabnehmerinnen und Durchschnittsabnehmer die entsprechenden Informationen verstehen. Bezeichnungen wie beispielsweise «klimaneutral», «umweltfreundlich», «umweltverträglich», «grün», «ökologisch sicher» oder «CO2 kompensiert» gelten dabei als Green Claims.

2. Rechtsgrundlagen

Das Lauterkeitsrecht zielt darauf ab, faire Wettbewerbspraktiken sicherzustellen und den Verbraucherschutz zu gewährleisten. Unlauter handelt dabei insbesondere, wer über sich, seine Firma, seine Geschäftsbezeichnung, seine Waren, Werke oder Leistungen, deren Preise, die vorrätige Menge, die Art der Verkaufsveranstaltung oder über seine Geschäftsverhältnisse unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt (Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG). Angaben müssen somit von Gesetzes wegen richtig sein. Das UWG enthält jedoch keine spezifischen Bestimmungen zur Verwendung von Green Claims und der damit verbundenen potenziellen Irreführung.

Neben dem UWG sind ebenfalls die von der SLK herausgegebenen «Grundsätze Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation» von Relevanz, welche ebenfalls keine konkreten Ausführungen in Bezug auf die Verwendung von Green Claims enthalten. In ihren fallbezogenen Ausführungen statuiert die SLK jedoch in allgemeiner Weise, dass Green Claims nur dann verwendet werden dürfen, wenn erwiesen ist, dass sie unter allen vernünftigerweise voraussehbaren Umständen auch tatsächlich zutreffen. Für den Beweis der Richtigkeit von Umweltbehauptungen gilt ein strenger Massstab, wobei die Beweislast bei den werbenden Unternehmen liegt.

Auch die internationale Handelskammer hat sich mit der Regulierung von umweltbezogenen Werbeaussagen befasst und dies im ICC-Kodex zur Werbe- und Marketingkommunikation in Kapitel D «Werbung und Marketing mit Umweltbezug» kodifiziert. Dieser statuiert, dass Marketingkommunikation so konzipiert sein sollte, dass sie das Verbraucherinteresse an der Umwelt und potenzielle Wissenslücken der Verbraucherinnen und Verbraucher in Bezug auf die Umwelt nicht ausnutzt. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Verwendung von Green Claims in Bezug auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen eines Unternehmens nicht ohne angemessene Begründung impliziert, dass sich diese auf die gesamten Leistungen eines Unternehmens, einer Gruppe oder einer Branche erstrecken. Die Verwendung von Green Claims muss für das beworbene Produkt relevant sein und darf sich nur auf Aspekte beziehen, die tatsächlich existieren oder voraussichtlich auftreten werden.

Es ist zu beachten, dass der ICC-Kodex grundsätzlich subsidiär zu den Grundsätzen der SLK gilt, welche als Instrument der Selbstverpflichtung der Werbebranche keinen allgemeinen Gesetzescharakter haben. Da betreffend Werbung für Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen weder im Schweizer Recht noch in den Grundsätzen des SLK spezifische Regelungen bestehen, stellt die SLK in diesem Bereich dennoch regelmässig vollumfänglich auf den ICC-Kodex ab.

3. Rechtsprechung in der Schweiz

Weder kantonale Gerichte noch das Bundesgericht haben sich bisher mit der Zulässigkeit von Green Claims und der potenziell daraus folgenden Irreführung auseinandergesetzt. Demgegenüber hat sich die SLK bereits mit einigen Beschwerden befasst und sich in ihren Entscheiden mit den Anforderungen an das Werben mit Green Claims auseinandergesetzt und insbesondere auf Kapitel D des ICC-Kodex verwiesen. Zu beachten bleibt dabei, dass die SLK den Zweck der werblichen Selbstkontrolle verfolgt und folglich ihre Entscheide und Empfehlungen nicht gerichtlich durchgesetzt werden können. Die SLK ist darauf angewiesen, dass die Betroffenen freiwillig Folge leisten. Trotzdem nehmen staatliche Gerichte regelmässig auf die Grundsätze und Entscheide der SLK Bezug.

a. Klimaneutrales Heizöl und klimapositive Babynahrung

In zwei aktuellen Entscheiden (siehe Verfahren a) und b)) hat sich die SLK kritisch gegenüber der Verwendung der Green Claims «klimaneutral» und «klimapositiv» geäussert und im konkreten Fall als unlauter beurteilt. Die Werbeaussage «X-Heizöl ist klimaneutral» ist demnach irreführend, da für die Durchschnittsadressaten nicht klar sei, dass damit auf die Klimaneutralität des Unternehmens und nicht auf diejenige des Heizöls hingewiesen wird. Ausserdem genügt bei Werbung mit Klimaneutralität nicht, allein eine CO2-Bilanz oder ein Zertifikat vorzulegen, welches die CO2-Neutralität belegt. Vielmehr muss eine plausible und nachvollziehbare, nach allgemein akzeptierten Methoden vorgenommenen Berechnung aller klimaschädlichen Effekte sowie ein Nachweis entsprechender Ausgleichmassnahmen erbracht werden.

Auch die Aussage «Unsere Gläschen sind klimapositiv» im Zusammenhang mit Babynahrung erachtet die SLK als irreführend, da der Begriff «klimapositiv» bei Durchschnittsadressaten die Erwartung eines Überschusses an Massnahmen erwecke, welche helfen, den Klimawandel zu verlangsamen. Ausserdem müsse eine plausible und nachvollziehbare, nach allgemein akzeptierten Methoden vorgenommene Berechnung aller klimaschädlichen Effekte sowie ein Nachweis entsprechender Ausgleichmassnahmen erbracht werden.

In beiden Fällen wurde auch beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Beschwerde gegen unlautere Klima-Werbung eingelegt. Diese sind aktuell noch hängig.

b. Weitere Entscheide der SLK

In einem anderen Entscheid setzte sich die SLK mit kommerzieller Kommunikation auseinander, die aufgrund teilweise absoluter Aussagen den falschen und irreführenden Eindruck der vollständigen Klima- bzw. CO2-Neutralität der Fussball-WM in Katar erweckte. Auch hier wurde dem Werbenden der Verzicht auf solche Aussagen empfohlen.

Bei der Verwendung des Begriffs «Ökoheizöl» konzentrierte sich die SLK auf die Auslegung des Begriffes «Ökoheizöl» sowie die Frage, was der Durchschnittskonsument unter der Bezeichnung «Öko» versteht und ob dieser Begriff absolute Umweltfreundlichkeit in sämtlichen Gesichtspunkten suggeriert. Die SLK verneinte diese Ansicht und stellte fest, dass das beworbene Heizöl eine vergleichsweise bessere Umweltverträglichkeit aufweist als andere seiner Art, was der relativen Bedeutung des Wortes «ökologisch» entspricht.

4. Rechtslage in Deutschland

Vor deutschen Gerichten wurde die Zulässigkeit verschiedener Green Claims bereits kontrovers diskutiert. Danach gilt als vom Bundesgerichtshof definierter Massstab, dass aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen und Erwartungen konkret darüber aufgeklärt werden muss, woraus sich eine in Bezug genommene Umweltfreundlichkeit ergibt. Eine Werbeaussage ohne konkreten Umweltbezug ist jedoch nicht stets wegen der Allgemeinheit der Aussage irreführend.
Zulässig ist ausserdem auch die Verwendung von Green Claims als Überschrift in der kommerziellen Kommunikation, sofern im nachstehenden Text auch angegeben wird, woraus sich diese Umweltfreundlichkeit konkret ergibt.

Besonders für die Verwendung der Begriffe «Klimaneutralität» oder «klimaneutral» in der Werbung gibt es bereits verschiedene Urteile deutscher Gerichte, wobei diese Begriffe überwiegend als irreführend beurteilt wurden. So gehen Gerichte überwiegend davon aus, dass der Begriff «klimaneutral» ohne weitere Informationen den Eindruck erweckt, dass ein Produkt oder die damit verbundenen Prozesse komplett frei von CO2-Emissionen sind, also absolut klimaneutral, was bei den meisten industriellen Vorgängen kaum möglich ist. In der Werbung muss daher zutreffend darüber aufklärt werden, auf welche Weise die behauptete Klimaneutralität erreicht wird, da sonst eine Irreführung vorliegt. In welcher Form die Aufklärungspflicht erfüllt werden muss, ist umstritten und hängt entscheidend vom beworbenen Produkt, seiner Herstellung und den getroffenen Klimaschutzmassnahmen ab.

Das Thema der Klimaneutralität durch CO2-Kompensation gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung. Dabei gilt gemäss deutscher Rechtsprechung Werbung mit Klimaneutralität grundsätzlich immer dann als irreführend, wenn die Klimaneutralität lediglich bilanziell durch Kompensationsmassnahmen erreicht wird. Das Landgericht Karlsruhe stellt sich in einem neueren Urteil auf den Standpunkt, dass Klimaneutralität durch Kompensation unter Nutzung von Waldschutzprojekten allein nicht erzielt werden kann. Das Gericht ging insoweit davon aus, dass die Aussage der Klimaneutralität prinzipiell über das hinausgeht, was mit CO2-Zertifikaten aus Waldschutz erreichbar ist. Eine Klimaneutralität bezieht sich nach dem Gericht nämlich nicht nur auf CO2-Emissionen, sondern auf alle klimawirksamen Gase, die teils in erheblichem Umfang zur Erderwärmung beitragen und durch Waldschutz allein nicht neutralisiert werden können. Dieser Argumentation folgt auch das Landgericht Berlin in einem aktuellen Urteil.

Die strenge Praxis deutscher Gerichte ist dabei auch für Schweizer Unternehmen relevant, wenn deren Werbung sich auch an Kunden in Deutschland richtet, was insbesondere bei Veröffentlichungen im Internet überwiegend der Fall ist. Dies führt häufig zu lauterkeitsrechtlichen Abmahnungen, die auch in der Schweiz eine Kostenerstattungspflicht auslösen und nicht selten in ein einstweiliges Verfügungsverfahren vor Gericht übergehen. Die dabei weiter anfallenden Kosten können erforderlichenfalls auf dem Rechtshilfeweg auch in der Schweiz vollstreckt werden.

5. Green Claims Richtlinie der EU

Die EU-Kommission am 22. März 2023 einen überarbeiteten Entwurf für eine Richtlinie zur Regelung von Green Claims veröffentlicht. Diese soll Green Claims EU-weit vergleichbar und überprüfbar machen und Verbraucherinnen und Verbraucher vor «Greenwashing» schützen. Diese Bestrebungen sind aus dem Blickwinkel der Rechtssicherheit zu begrüssen. Wann diese Richtlinie in Kraft tritt und wie sie durch das Schweizer Recht adaptiert wird, ist derzeit nicht absehbar. Mit einer Abstimmung im Europäischen Parlament wird im März 2024 gerechnet.

Die Auslegung von Green Claims bleibt damit vorerst weiterhin den Gerichten unter dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsregeln vorbehalten.

6. Fazit

In einer Zeit, in der Umwelt und Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus rücken, ist es entscheidend, die rechtlichen Vorgaben von umweltbezogenen Werbeaussagen zu berücksichtigen, um sowohl den Verbraucherschutz zu gewährleisten als auch faire Wettbewerbspraktiken sicherzustellen.

Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland sind Rechtslage und Rechtsprechung in Bezug auf Green Claims uneinheitlich. Während einige Gerichte die Verwendung von Begriffen wie «klimaneutral» ohne klare Erläuterungen als irreführend betrachten, gibt es unterschiedliche Ansichten dazu, wie die bestehenden Aufklärungspflichten erfüllt werden müssen. Die Rechtsprechung zur Klimaneutralität durch CO2-Kompensation ist ebenfalls umstritten.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Zulässigkeit von Werbeaussagen im Gesamtzusammenhang beurteilt wird und allgemein verbindliche Aussagen über eine Irreführungsgefahr kaum möglich sind. Daher ist eine konkrete Prüfung auf die rechtliche Zulässigkeit der Werbeaussagen zur Vermeidung von Irreführungen unerlässlich und kann im Einzelfall spätere Auseinandersetzungen über solche Werbeaussagen vermeiden.


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