Eckwerte der Revision des Schweizer Kartellgesetzes stehen fest


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Nach einer Analyse der Rückmeldungen aus den drei einzelnen Vernehmlassungen hat der Bundesrat am 16.11.2011 die Eckwerte für die Revision des Schweizer Kartellgesetzes (KG) vorgestellt. Bereits Ende September wurde bekannt, dass der Bundesrat – entgegen seiner ursprünglichen Absicht die Vorgaben für Vertriebsvereinbarungen nicht lockern will. Vielmehr sollen diese wie auch die Vorschriften für Absprachen unter Konkurrenten verschärft werden. An den übrigen Vorschlägen aus der ersten Vernehmlassung, insbesondere der Schaffung eines Bundeswettbewerbsgerichts und der Verschärfung der Fusionskontrolle, will der Bundesrat demgegenüber im Wesentlichen festhalten. Darüber hinaus soll wie schon in der zweiten Vernehmlassung vorgeschlagen, eine gesetzliche Regelung erlassen werden, welche eine Herabsetzung der „Bussen“ für Kartellrechtsverstösse vorsieht, wenn ein Unternehmen ein adäquates Compliance-Programm vorweisen kann.

Nachdem der Bundesrat in seiner Pressemitteilung vom 16. November 2011 die Eckwerte des Revisions-Entwurfs bekannt gegeben hat, geht der vor mehr als 4 Jahren gestartete Evaluations- und Reformprozess in eine weitere Runde. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) wurde nun beauftragt, bis Anfang 2012 die Botschaft zur Revision des Kartellgesetzes und den entsprechenden Gesetzes-Entwurf auszuarbeiten, welche die Grundlage für die parlamentarischen Beratungen bilden werden.

Im Jahre 2007 startete eine Evaluation der Wirksamkeit und des Vollzugs des Kartellgesetzes. Darin wurde insbesondere bemängelt, dass die institutionelle Entwicklung jener des materiellen Rechts und der Sanktionsmöglichkeiten bisher nicht gefolgt ist. Aber auch in Bezug auf das materielle Recht, insbesondere bei den Vorschriften über die Fusionskontrolle und die Vertriebsvereinbarungen, wurden Defizite festgestellt. In einer ersten Vernehmlassung vom Juni 2010 wurden diese Aspekte angegangen.

Verschärfung der Vorgaben für wettbewerbsbeschränkende Abreden

Aufgrund von Erkenntnissen aus der ökonomischen Theorie und Empirie wurde darin vorgeschlagen, die kartellrechtlichen Vorgaben für Absprachen unter Vertriebspartnern zu lockern. Diesen Vorschlag hat der Bundesrat jedoch – im Zusammenhang mit den Massnahmen gegen die Frankenstärke – wieder verworfen („dritte“ Vernehmlassung). In dem am 23.9.2011 vorgestellten neuen Entwurf wurden neben den Vorschriften für Absprachen unter Konkurrenten (sog. horizontale AbredenArt. 5 Abs. 3 KG) auch diejenigen für Absprachen unter Vertriebspartnern (sog. vertikale AbredenArt. 5 Abs. 4 KGverschärft (vgl. dazu BR-News vom 26.9.2011). Trotz klarer Ablehnung bei zahlreichen Wirtschaftsverbänden und in Anwaltskreisen hat der Bundesrat nun an dieser Verschärfung des Regimes für vertikale Abreden festgehalten.

Verschärfung und Vereinfachung der Fusionskontrolle

Da sich die Fusionskontrolle in der Schweiz nach der Auffassung des Bundesrats bei der Verhinderung von Marktkonzentrationen als zu wenig wirksam erwiesen hat, wurden in der ersten Vernehmlassung zwei Varianten vorgeschlagen, welche auf eine Verschärfung abzielten. Entgegen seiner ursprünglichen Präferenz hat sich der Bundesrat nun für die erste Variante entschieden.

Damit soll auch in der Schweiz der in der EU vorherrschende sog. SIEC-Test (SIEC= Significant Impediment to Efficient Competition) eingeführt werden. Unternehmens-Zusammenschlüsse könnten demnach untersagt oder mit Auflagen und Bedingungen belegt werden, wenn der Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung des Wettbewerbs führt, welche nicht durch Effizienzgewinne kompensiert wird. Bislang war ein Verbot bzw. die Vorgabe von Auflagen oder Bedingungen nur möglich, wenn durch den Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann, begründet oder verstärkt wird, und diese Nachteile nicht durch überwiegende Effizienzgewinne kompensiert werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 KG).

Darüber hinaus sind insbesondere auch eine Anpassung des Verfahrens und der Fristen an das EU-Recht sowie Erleichterungen für internationale Zusammenschlüsse vorgesehen. Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer habe diese Vorschläge begrüsst.

Institutionenreform: Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit

Aufgrund der positiven Ergebnisse des (ersten) Vernehmlassungsverfahrens hält der Bundesrat an seinen Reformbestrebungen in institutioneller Hinsicht fest. Insbesondere soll damit eine bessere Trennung zwischen Untersuchungs- und Entscheidbehörde bewirkt werden. Die Wettbewerbsbehörde, welche die kartellrechtlichen Untersuchungen führt, soll als rechtlich selbständige Anstalt der Wirtschaftsaufsicht ausgestaltet werden. Damit ist sie gemäss Bundesrat bei Untersuchungen von Wettbewerbsbeschränkungen und Beurteilungen von Unternehmenszusammenschlüssen frei von politischer Einflussnahme. Urteilende Instanz bei unzulässigen Wettbewerbsabreden und Missbrauch marktbeherrschender Stellungen soll neu ein als Kammer in das Bundesverwaltungsgericht integriertes Bundeswettbewerbsgericht sein. Zur Gewährleistung des Praxisbezugs wird eine Zuwahl von Richtern mit industrieökonomischen Kenntnissen und unternehmerischen Erfahrungen vorgeschlagen.

Verbesserung des Widerspruchs- und Zivilverfahrens

Auch an den Verbesserungsvorschlägen aus der ersten Vernehmlassung zum sog. Widerspruchsverfahren hat der Bundesrat festgehalten. In diesem Verfahren können Unternehmen geplante und möglicherweise unzulässige Geschäftsvorhaben bei der WEKO melden und so unter bestimmten Bedingungen einer Sanktionierung entgehen. Hierbei sollen die Bedingungen für den Wegfall einer Sanktion nun erleichtert werden, sodass Unternehmen „in verbesserter Weise frühzeitig Rechtssicherheit über kartellrechtlich heikle Verhaltensweisen“ erhalten.

In Bezug auf das zivilrechtliche Verfahren will der Bundesrat – trotz „verhaltener“ Aufnahme in der Vernehmlassung – an der Ausweitung des Klagerechts auf Endkunden festhalten. Damit soll es Endkunden ermöglicht werden, einen Schaden den sie aufgrund von Verstössen gegen das Kartellrecht erlitten haben, gerichtlich geltend zu machen. Der Bundesrat sieht dies als weitere sinnvolle Massnahme zu einer verbesserten Weitergabe der Wechselkursvorteile.

Sanktionsminderung bei Vorliegen von Compliance-Programmen

Nachdem das Parlament eine Motion von (Alt-) Ständerat Rolf Schweiger angenommen hatte, schickte der Bundesrat im März 2011 eine zweite Vorlage zur Revision des Sanktionssystems des Kartellgesetzes in die Vernehmlassung. Die dazu eigereichten Stellungnahmen bestätigten im Wesentlichen die Auffassung des Bundesrats, welcher ursprünglich die Ablehnung der Motion beantragte.

Einzig die gesetzliche Einführung einer Herabsetzung der „Bussen“ für Kartellrechtsverstösse, für den Fall, dass ein Unternehmen ein adäquates Compliance-Programm vorweisen kann, wird Eingang in die Revisionsvorlage finden. Dies obwohl eine sanktionsmindernde Berücksichtigung solcher Programme bereits im geltenden Recht möglich wäre. Der bereits bestehende Art. 49a des Kartellgesetzes soll nun so ergänzt werden, dass Unternehmen nachweisen müssen, dass sie ein „adäquates Compliance-Programm permanent betrieben und mit Nachdruck durchgesetzt haben“.

In der Motion Schweiger war dagegen vorgesehen, dass die „Busse“ bei einem entsprechenden Nachweis sogar ganz entfallen kann. Ferner wurde darin die Einführung von Sanktionen gegen Mitarbeiter verlangt, für den Fall, dass sie sich aktiv an Kartellabsprachen mit Wettberbern beteiligen. Aufgrund der schlechten Rückmeldungen in der Vernehmlassung will der Bundesrat im Parlament die Abschreibung dieses Teils der Motion beantragen.

Updates: Kartellgesetz-Revision: Bundesrat verabschiedet Botschaft / Kartellgesetz-Revision: Ständerat beschliesst Lieferzwang für ausländische Anbieter zu ausländischen Konditionen

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp


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