Ein kleiner Schritt für den Menschen, ein (relativ) grosser Schritt für den unrechtmässig Betriebenen


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Zu Unrecht erhobene Betreibungen können für Privatpersonen und Gesellschaften zu schweren Konsequenzen führen: Banken z.B. können aufgrund eines Eintrags im Betreibungsregister eine Finanzierung verweigern und Vermieter Personen als potentielle Mieter ablehnen. Mit der geplanten Änderung gewisser Bestimmungen des SchKG will der Bund die Situation für den unrechtmässig Betriebenen endlich erleichtern.

Es ist eine Sonderheit des Schweizer Schuldbetreibung und Konkursrechts: Ein «Gläubiger» kann jederzeit gegen jedermann eine Betreibung einleiten, auch wenn keine Forderung besteht. Die Betreibung wird in der Folge im Betreibungsregister eingetragen, dies selbst wenn sie ohne Grundlage erfolgt ist und der «Schuldner» dagegen Rechtsvorschlag erhoben hat. Ungerechtfertigte Betreibungen sind für den Alltag problematisch (etwa, wenn man eine Wohnung sucht, da ein Betreibungsregisterauszug verlangt wird). Sie können auch zu weiteren Problemen führen (Banken können z.B. die Gewährung eines Darlehens ablehnen, da Betreibungsregistereinträge einen schlechten Eindruck über die Zahlungsmoral der betroffenen Person erwecken können).

Jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, kann Einsicht in das Betreibungsregister verlangen (Art. 8a Abs. 1 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs, SchKG). Das Einsichtsrecht Dritter erlischt fünf Jahre nach Abschluss des Betreibungsverfahrens bzw. nachdem der Gläubiger dieses nicht mehr durch ein formelles Begehren fortsetzen kann (Art. 8a Abs. 4 SchKG). Wenn der «Gläubiger» den «Schuldner betreibt und nichts weiter unternimmt, um die Betreibung fortzusetzen, bleibt die Betreibung jedoch dennoch während fünf Jahren im Betreibungsregisterauszug ersichtlich, ohne dass erkennbar ist, dass der Gläubiger keine weiteren Rechtsdurchsetzungsschritte vorgenommen hat. Lediglich in Ausnahmefällen ist die Betreibung im bestellten Betreibungsregisterauszug vor Ablauf dieser fünfjährigen Frist nicht mehr ersichtlich: Entweder hat sich der Schuldner gegen die Betreibung in einem Gerichtsverfahren erfolgreich gewehrt (sogenannte allgemeine negative Feststellungsklage), oder der Gläubiger hat seine Betreibung freiwillig zurückgezogen (Art. 8a Abs. 3 SchKG).

Das Bundesgericht hat in einem jüngeren Entscheid versucht, die bis anhin schwierig zu erfüllenden Voraussetzungen für die allgemeine negative Feststellungsklage des zu Unrecht Betriebenen aufzulockern. Der «Schuldner» muss aber weiterhin eine Klage auf eigene Gefahr und Kosten einleiten und muss grundsätzlich wegen der weiterhin restriktiven Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Rechtschutzinteresse an der Feststellung der Unrechtmässigkeit der Betreibung nachweisen.

Mit der geplanten Änderung des SchKG, welche auf eine parlamentarische Initiative zurückzuführen ist, soll sich diese Situation nun ändern.

1. Neu soll der betriebene Schuldner einen Anspruch darauf haben, dass die Betreibung Dritten nicht gezeigt wird, wenn der Gläubiger innert einer bestimmten Frist die weiteren erforderlichen Schritte (Rechtsöffnung oder ordentliche Klage) zur Beseitigung des Rechtsvorschlags nicht unternommen hat. Die Betreibung bleibt aber bestehen und der Gläubiger kann den Rechtsvorschlag nach wie vor mittels Rechtsöffnungsverfahrens oder auf dem ordentlichen Weg nach Ablauf dieser Frist beseitigen.

Der neu geplanten Art. 8a Abs. 3 lit. d SchKG sieht im Einzelnen vor, dass das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis gibt, wenn:

  • der Schuldner nach Ablauf von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein Gesuch beim Betreibungsamt gestellt hat; und
  • der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet wurde.

Allerdings wird die Betreibung den zur Einsicht berechtigten Dritten wieder zur Kenntnis gebracht, wenn:

  • dieser Nachweis nachträglich erbracht wird; oder
  • die Betreibung fortgesetzt wird.

Unklar ist, was mit «rechtzeitig» gemeint ist: Heisst es, dass der Gläubiger eine Frist von drei Monaten hat, um ein Verfahren einzuleiten und dass er eine Frist von 20 Tagen hat, um nachzuweisen, dass er ein Verfahren eingeleitet hat? Oder heisst es, dass der Gläubiger eine Frist von 20 Tagen nach Fristansetzung durch das Betreibungsamt hat, um ein solches Verfahren einzuleiten?

2. Ferner wird im abgeänderten Art. 73 SchKG vorgesehen, dass der Schuldner neu jederzeit nach Einleitung der Betreibung verlangen kann, dass der Gläubiger die Beweismittel für seine Forderung beim Betreibungsamt zur Einsicht vorlegt statt lediglich innerhalb von 10 Tagen seit Zustellung des Zahlungsbefehls (wie nach heute geltender Regelung). So kann der Schuldner jederzeit beurteilen, ob die in Betreibung gesetzte Forderung gerechtfertigt ist.

Neu kann der Schuldner auch jederzeit verlangen, dass der Gläubiger eine Übersicht über die geltend gemachten Ansprüche beim Betreibungsamt einreicht, um einen besseren Überblick über die vom Gläubiger geforderten Beträge (Forderung, Zinsen, Mahngebühren, usw.) haben zu können. Damit soll der betreibende Gläubiger im Gegensatz zur aktuellen Regelung auch ausserhalb eines Gerichtsverfahrens dazu bewegt werden können, seine Forderung näher zu konkretisieren.

3. Schliesslich soll der Schuldner ungeachtet eines allfälligen Rechtsvorschlages jederzeit vom Gericht feststellen lassen können, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht oder gestundet ist (siehe den abgeänderten Art. 85a Abs. 1 SchKG).

Wie bereits erwähnt hat das Bundesgericht seine Praxis zur allgemeinen negativen Feststellungsklage etwas gelockert. Neu und dank dieser Änderung darf der Schuldner im Rahmen einer laufenden Betreibung gerichtlich feststellen lassen, dass die Betreibung ungerechtfertigt ist, ohne nachweisen zu müssen, dass er ein besonderes Rechtsschutzinteresse an dieser Feststellung hat.

Diese geplante Änderung untersteht dem Referendum. Die Referendumsfrist läuft am 7. April 2017 ab. Wird kein Referendum ergriffen, so wird der Bundesrat über das Inkrafttretensdatum dieser Änderungen bestimmen.

Die Praxis wird zeigen, ob sich dieser erweiterte Schutz für unschuldige Schuldner als effizient erweist.


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